Dass Kreativität und das Generieren neuer Ideen auf Knopfdruck kein Widerspruch sein müssen, veranschaulicht Autor Lutz Lungershausen im neuesten Band der Edition ProfiFoto. Der erste Teil dieses Arbeitsbuchs erläutert, welche persönlichen, technischen und organisatorischen Voraussetzungen helfen, um zu interessanten Lösungen zu kommen. Im zweiten Teil geht’s um Kreativdinge, von denen jeder zu wissen glaubt, wie sie funktionieren: Brainstorming zum Beispiel. Der dritte Teil stellt visuelle Inspirationsbooster vor, die dem eigenen Denken einen richtigen Schub verpassen.
Systematisch kreativ werden
Kreativität organisieren – geht das überhaupt? Ideen kommen doch beim Joggen oder Duschen oder sind einfach da – warum sollte man also Kreativität organisieren? Bei Kreativität denken viele: „Die hat man oder die hat man nicht“. Menschen aus klassisch „unkreativen“ Berufen schauen entweder neidisch oder kopfschüttelnd auf die „Kreativen“ – je nachdem, ob sie selber auch gern so einen Berufsweg gewählt hätten oder uns sowieso für Spinner halten. Kreative sind, wenn man die herkömmliche Meinung befragt, chaotische Gelegenheitsarbeiter: verzettelt, verplant, konfus. Und woran liegt das? Vielleicht, weil das für nicht wenige unserer Spezies tatsächlich auch zutrifft. Wer etwas anderes als den Standard für seine Arbeit – sein Tagewerk – will, der muss selbst auch anders als der Standard sein.
Und weil die meisten von uns nicht fünf Tage die Woche je acht Stunden kreativ am Stück arbeiten, sich dazwischen zu Inspiration und Reflexion in Café, Biergarten, Strand oder sonst wohin verdrücken und eben nicht in Atelier oder Studio anzutreffen sind, ergibt die Frage, „Was machen die eigentlich den ganzen Tag?“, schnell ein verzerrtes Bild. Aber kreative Konzeption kann ja überall stattfinden.
Zurück zur Frage, ob sich Kreativität organisieren lässt. Denken wir mal an bildende Künstler – da wird unheimlich viel nachgedacht, skizziert, probiert, ent- und verworfen. Maler und Bildhauer arbeiten fast immer allein, das heißt, sie müssen schon sich und ihre Zeit selbst gut organisieren, um irgendwann ein nennenswertes Werk geschaffen zu haben. Da findet man irgendwann hoffentlich auch heraus, zu welcher Tages-, Wochen- oder Jahreszeit man gut arbeitet, ob dies in einem kleinen oder großen Raum besser flutscht oder welches Material die nach eigenen Maßstäben optimalen Ergebnisse liefert. Darstellende Künstler, also Schauspieler, Musiker, Sänger und Tänzer an Theater, Oper und Ballett, sind häufig in Ensembles organisiert. Da finden gemeinsame Vorspiele, Anspiel-, Kostüm-, Haupt- und Generalproben statt und jeder übt zu Hause, was das Zeug hält. Der Tag der Premiere steht viele Monate, vielleicht sogar Jahre im Voraus fest – wenn die sich nicht organisieren (lassen) würden, gäb’s nie eine Premiere. Wenn also Künstler ihre kreative Arbeit organisieren, warum dann nicht wir anderen?
Noch ein Beispiel: gute Werbeagenturen. Hier muss das kreative Schaffen systematisch organisiert sein. Denn welcher Werber geht schon so lange joggen oder duschen, bis endlich eine Idee in der gewünschten Qualität aufpoppt – und wie lange soll das dauern, wenn man 20 braucht? Welcher Kunde würde akzeptieren, dass die Kreation einer guten Idee separat und nach Aufwand berechnet wird – in Form von Kilometer-Pauschale oder Warmwasserverbrauch? Und warum eigentlich nicht?
Kreativität verträgt also ganz gut ein bisschen Ordnung und Systematik.
Und jeder, der malt, komponiert, schreibt, designt oder eben fotografiert, wünscht sich so manches Mal ein paar Tricks, mit denen man nicht nur schneller, intensiver und zielführender arbeitet, sondern damit vielleicht auch noch ein bisschen mehr aus sich herausholt.
Und genau da kann ein Kreativprozess helfen.
Denn bei der Organisation von Kreativität geht es nicht um Terminkalender, Ablagesysteme und Aktenordner, sondern um das Erkennen und Reflektieren der eigenen Arbeitsweisen und Denkstrategien. Und um ein paar elementare Regeln, mit denen man jeden schöpferischen Prozess, egal ob intuitiv oder geleitet, beschleunigt und intensiviert.
Vereinfacht ausgedrückt: Wer erkennt, dass man bestimmte Dinge besser nacheinander tut, kann schon kreativer sein.
Kreativität organisieren – und wie nützlich ist das?
Dass Berufs-Kreative regelmäßig, ja quasi täglich, neue Ideen bringen müssten, um diesem Titel gerecht zu werden, haben die meisten nicht auf dem Zettel. Viele Kreative übrigens auch nicht. Und das sieht man vielen Arbeiten irgendwann leider auch an. Eine mehr oder weniger geniale Basis-Idee wird vom Prinzip her wiederholt, vielleicht ein wenig variiert, mal etwas dunkler, mal etwa heller ausgestaltet, mal mit anderen Leuten, mal mit einer anderen Kamera. Aber sonst? Never change a running system. Das mag für einen gewissen Zeitraum durchaus okay sein, aber auf Dauer und für ein ganzes Leben sowieso ist das einfach zu wenig. Da geht deutlich mehr!
Wer gelegentlich eine neue Idee benötigt, muss nur einigermaßen umtriebig sein. Wer häufig neue Ideen braucht, kann noch umtriebiger sein oder: seine Ideenfindung optimieren. Und wenn man nun noch berücksichtigt, dass nicht jede Idee gut ist, kann man bei der Ideenproduktion schon fast industrielle Maßstäbe ansetzen. „Wenn man eine gute Idee haben will, muss man viele Ideen haben“, stellte Linus Pauling, ein zweifacher Nobelpreisträger, fest.
Welche der in den folgenden Kapiteln vorgestellten Kreativ-Hilfsmittel man an welchem Punkt der Ideenfindung nutzen möchte, ist egal. Wichtig ist die Erkenntnis:
Mit einem organisierten Kreativprozess produziert man ganz einfach viel mehr Ideen und Inspirationen in viel kürzerer Zeit.
Kreativprozess
Der Begriff Kreativprozess kann auf mindestens zweierlei Art verstanden werden: als nebulöser Schöpfungsakt, bei dem zum Beispiel – zumindest in meinem Kopfkino – ein esoterischer Maler nackt und schrill kreischend durchs Atelier springt und mit Farbe und Kot um sich wirft. Oder als definierte Abfolge von Einzelschritten zur Entwicklung eines Gedanken. Hier ist Letzteres gemeint.
Der Kreativprozess enthält neben der eigentlichen Ideenfindung, der Ideation, noch weitere Schritte und beginnt immer mit dem ersten Impuls, etwas zu tun. Häufig ist das ein Kunde, der mit einem Auftrag droht. Von dem bekommt man im Idealfall ein Briefing, das heißt, er erläutert, wofür er eine fotografische Lösung braucht. Nach der daran anschließenden intensiven Informationsphase folgt so eine Art Bedenkzeit, die Inkubationsphase. Erst danach startet man mit der eigentlichen Suche nach Ideen – das ist die Ideation. Sie ist, genau wie das Kundengespräch oder die Informationsphase, richtige Arbeit. Ideenfindung kann nebenbei und zufällig geschehen – darauf kann man sich als Auftragskreativer allerdings nicht verlassen. Also muss man sich Zeit dafür nehmen und die Sache systematisch und gezielt angehen: mit Kreativmethoden und Kreativtechniken. Worin der Unterschied besteht, wird gleich erklärt.
Wenn im Folgenden von Ideation oder Kreativrunde die Rede ist, meine ich immer diesen konkreten Zeitraum, in dem man aktiv und produktiv Ideen ausschließlich generiert und sammelt.
Erst nach der Ideation, also wenn man richtig viele Ideen generiert hat, werden sie bewertet. Nur mit einer Handvoll ausgewählter Ideen geht’s in die Ausarbeitung. Denn viele Roh-ideen lassen sich so, wie sie auf die Welt kamen, praktisch nicht umsetzen und müssen noch verfeinert, modifiziert, eben ausgearbeitet werden. Erst ganz am Ende des Kreativprozesses erfolgt die Realisation von einer oder zwei Ideen, die das Ausarbeitungsverfahren überstanden haben.
Um alle Schritte sinnvoll miteinander zu verbinden und aufeinander aufzubauen, ist es ungemein nützlich, alle Gedanken aufzuschreiben, zu protokollieren und zu Bildern im Kopf Notizen und Skizzen zu machen. Das hilft vor allem dabei, den Faden zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen. Und nicht nur auf das mehr oder weniger löchrige Kreativengedächtnis angewiesen zu sein.
Briefing oder erster Impuls
Am Anfang steht entweder das Briefing oder der Impuls, zu einem bestimmten Thema „etwas zu machen“ – je nachdem, ob Sie im Auftrag eines Kunden oder aus Eigeninitiative aktiv werden.
Beim Briefing durch den Kunden holen Sie sich alle Informationen ab, die er Ihnen geben kann oder will. Das sind zum Beispiel Erläuterungen zum Unternehmen, falls Sie es noch nicht kennen oder aktuelle Entwicklungen, falls Sie es schon einigermaßen gut kennen. Das sind Informationen zum Produkt, zur Person oder zur Dienstleistung, Hinweise zum Marktumfeld, wer sind die Mitbewerber, wie, wo und wann wird es angeboten, Informationen zur Zielgruppe und zur Verwendungssituation, Hinweise zur Bedürfnisbefriedigung, gibt es relevante Trends und schließlich die wichtigste Frage: Welches Problem oder welche Aufgabe(n) soll das Foto lösen.
Wichtig: Hier viele Fragen stellen, die einem später als Filter zur Eingrenzung des kreativen Ergebnisraums dienen: zum Beispiel zu Tonalität, Genre, Personen, Styling, Location und natürlich zum Budget.
Auch gut zu wissen: Überall dort, wo der Kunde keine Meinung hat, entsteht Freiraum für Ihre Arbeit.
Da Eigeninitiative bei Fotografen eine enorm wichtige Rolle spielt – wie soll man sonst sein Können und seine Visionen kommunizieren –, braucht man permanent Impulse. Manchmal treffen sie uns einfach so, ein anderes Mal muss man sich auf die Suche danach machen. Wie das geht, wurde in Kapitel 1, „Basics“, beschrieben. Jedenfalls hat man also
plötzlich so einen Impuls, eine Inspi-
ration oder auch fixe Idee, wie „Ich sollte Sport mal so fotografieren“, „Das ist ja ein interessantes Detail!“, „Wenn man hier das Licht weglassen würde …“ oder „Wenn da jetzt ein Huhn säße …“. Dann bitte: Sofort Skizze oder Foto, und sei es mit dem Smartphone, machen und eine kleine Notiz dazu aufschreiben: „Sport aus Sicht der Turnhose“, „sexy Schraubverschluss“, „ohne Licht fahrende Autos in der Nacht (aber innen drin alles ganz hell)“ und „Huhn statt Mensch“. Dazu eignet sich zum Beispiel die App Evernote hervorragend.
Nicht selten ist so eine Inspiration schon sehr konkret, dann könnte man gleich in die Umsetzungsphasen Ausarbeitung oder gar Realisation springen. Allerdings lohnt es sich, immer auch über Varianten, Weiterentwicklungen, Verfeinerungen, Übertreibungen und andere Anwendungsfelder nachzudenken und auf diese Art eine spontane Inspiration noch etwas zu bebrüten.
Das Bessere ist der Feind des Guten.
Ist der Impuls eher vage wie „Ich muss mal irgendwie andere Porträts machen“, „Sonnenuntergänge sind schön, aber langweilig“, „mehr Bewegung ins Bild“, „irgendwas mit klassischer Malerei“ oder „ich müsste irgendwo Insider sein“, geht’s einfach weiter mit dem nächsten Prozessschritt Information.
Informationsphase
Nach dem ersten Impuls oder dem Briefing folgt eine intensive Informationsphase. Die kann man auch Recherche nennen. Hier verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick über alle möglichen Informationsquellen und -arten, die von Bedeutung sein könnten: Medien und Themen, Zeitungen und Zeitschriften, Technik und Kunst, Internet und Bibliotheken, Museen und Ausstellungen, Personen und Interviews, Locations und Epochen, Zahlen, Daten, Fakten, Trends und Nachrichten. Machen Sie dazu eine To-do-Liste, damit nichts vergessen wird, und arbeiten Sie sie gründlich ab.
Aufgaben und Probleme löst man, indem man sie analysiert und so lange auseinandernimmt, bis man versteht, worin das eigentliche Problem besteht beziehungsweise wofür man eine Lösung sucht.
Denken und suchen Sie in alle Richtungen: zeitlich, räumlich, inhaltlich, medial. Wie, wann, wo, durch wen und warum wurde etwas früher, heute und in Zukunft in Zusammenhang mit der Aufgabe oder dem Impuls gemacht? Notieren Sie alle Ergebnisse, zum Beispiel in Form einer Mindmap.
Allein diese intensive Auseinandersetzung sorgt schon für weitere Inspiration, die nicht selten direkt zur finalen Idee führen. Außerdem erfahren Sie alles, was Ihr Kunde nicht erwähnt hat, und viele Details, die noch mal interessant werden können.
Der Zeitraum für die Recherche variiert mit jedem Projekt. Manchmal hat man nur wenige bis 24 Stunden, um sich aufzuschlauen, ein anderes Mal sind es Tage bis Wochen. Wie viel Zeit auch immer zur Verfügung steht: Versuchen Sie, einzelne Info-Sessions möglichst intensiv zu halten. Denn sobald man voll in das Thema eintaucht und sich konzentriert auseinandersetzt, sind alle Fakten und Einzelheiten parat und können auch hier schon sehr gut miteinander in Beziehung treten. Zum Beispiel im Kopfkino.
Jede Information – und mag sie noch so belanglos scheinen – kann Ausgangspunkt für eine fantastische Idee sein.
Inkubation
Nach der intensiven Informationsphase darf man sich ein wenig entspannen. Alles, was man eben via Druckbetankung gelernt und erfahren hat, bekommt nun Zeit, sich zu entwickeln, miteinander und mit weiteren zufälligen Begegnungen in Beziehung zu treten. Alles, was wir sehen und tun, unterliegt von nun an der selektiven Wahrnehmung. Bei den einfachsten Alltagstätigkeiten bilden sich Assoziationen: Beim Tanken – „Wie passt der Zapfhahn in die Ideenwelt?“, beim Einkaufen – „ein Kostüm aus Cornflakes?“, beim Radfahren – „Blitzlicht durch Muskelkraft“, beim Essen oder Reifenwechsel – „Bratensoße mit Metallic-Effekt“ oder beim Musikhören – „Diese Musik würde meine Models auf die Palme bringen“.
Weil man sich dagegen nicht mal wehren kann und diese Assoziationen einfach da sind, nutzt man die Tage zwischen Informationsphase und Ideation für die ganz zwanglose, automatische Verknüpfung von Aufgabe beziehungsweise erstem Impuls mit den zusätzlichen Informationen und den zufälligen Alltagsbegegnungen.
Der Begriff Inkubation bedeutet „Ausbrüten“ und beschreibt in der Medizin den Zeitraum der Keimvermehrung zwischen Ansteckung und Ausbruch einer Infektionskrankheit. Und so soll es hier auch sein: Impulse vermehren sich. Gratis und von allein. Und im Kopfkino.
Ideation
Der Kern des Kreativprozesses ist die „Ideation“, die eigentliche Ideenfindung. Es ist der Zeitraum, den man sich nimmt, um gezielt und konzentriert an der Lösung einer Aufgabe herumzudenken oder den ersten Impuls gezielt weiterzuentwickeln. In dieser Zeit kommt DIE Idee, geht die berühmte Glühbirne an, der Funke zündet, es ist die Zeit der Heureka!-Momente. Das funktioniert allein, aber auch besonders gut mit einer kleinen Gruppe.
Meistens merkt man es sofort, wenn eine Idee Klasse hat: Sie trifft den Nagel auf den Kopf und bringt das Briefing auf den Punkt, sie inspiriert sofort zum Weiterdenken: Die anderen springen gleich auf den Zug auf, spinnen sie in alle Richtungen weiter und schmücken sie aus.
Manchmal merkt man aber nicht gleich, wie gut eine Idee ist, denn nicht jede ist sofort als Spitzenidee
erkennbar. Häufig, weil irgendein Detail oder Parameter noch nicht so ganz stimmig ist. Um dieses Potenzial nicht zu verschenken, gibt’s ein paar kleine, nützliche Rahmenbedingungen – an erster Stelle: ein Stichwort-Protokoll, doch dazu gleich mehr.
Außerdem: Damit die Ideenfindung gut und zuverlässig funktioniert, gibt’s eine Handvoll Spielregeln, deren Einhaltung sich positiv bis entscheidend auf die Ergebnisse auswirkt. Als aller-allerwichtigster Punkt: Bei der Ideation gibt es keine Kritik.
Muss man immer alle Schritte absolvieren? Eindeutig: Nein. Direkt im Anschluss an ein Kundenbriefing oder den ersten Impuls in die Ideation zu gehen, funktioniert auch sehr gut. Die ersten Schritte Information und Inkubation sind optional. Allerdings startet man so mit einem deutlich kleinen Inspirationsraum. Für die kleine Idee schnell mal zwischendurch ist das aber völlig okay.
Die anschließende Bewertung ist dagegen unverzichtbar, es sei denn, man hatte nur eine (gute) Idee. Auch die Ausarbeitung kann wegfallen, sofern die Idee(n) in der Ideation schon realisationsreif ausformuliert wurde(n). Häufig benötigt man für die Ausarbeitung und Realisation noch mal eine eigene Ideation, um unerwartet aufgetauchte Probleme zu lösen oder zu umschiffen. Die Präsentation schließlich ist Ziel des Ganzen, richtig?
Um Verwirrung vorzubeugen: In der amerikanischen Fachliteratur ist mit Ideation meist der gesamte Kreativprozess gemeint, der Generierung, Entwicklung und Umsetzung von Innovationen beinhaltet. Ich und ein paar andere, auch amerikanische, Autoren verwenden ihn jedoch synonym nur mit der Frage, wie und auf welche Art und Weise neue Ideen generiert werden.
Rahmenbedingungen
Ruhige, ungestörte Atmosphäre: Um gut und produktiv kreativ arbeiten zu können, benötigt man eine ruhige, ungestörte Atmosphäre. Man muss dafür nicht ins Kloster gehen, aber Handy und Telefon gehören auf jeden Fall ausgeschaltet. In der Agentur, in der ich arbeite, haben wir dafür drei Räume, in denen es keine Telefone gibt, und zwei davon liegen weit ab des Agenturtrubels. Draußen hängen wir ein „Synapsen at work“-Schild auf, sodass auch niemand reinstört, wenn man in Sitzsäcke gelümmelt im Flow herumspinnt, wild herumgestikuliert oder schauspielerisch gerade in die Rolle eines Huhns geschlüpft ist.
Gruppengröße
Besonders produktiv ist man in überschaubaren Gruppengrößen. Je nach Kreativmethode variiert das zwischen einem und ca. fünf Teilnehmern. Eine Mindmap bekommt man zum Beispiel ganz gut alleine hin, zu zweit macht man Ideen-Pingpong, zu fünft Brainstorming und mit noch mehr Personen geht man idealerweise zum Brainwriting über, da man still arbeitet. Ist die Gruppe größer, weil zum Beispiel von Kundenseite Teilnehmer mit eingebunden werden sollen, bildet man einfach mehrere kleine Gruppen und arbeitet schriftlich oder in zwei verschiedenen Räumen.
Die Gruppengröße ist ein nicht unerheblicher Einflussfaktor auf die Ergebnisqualität. Kleine Gruppen sorgen unter anderem dafür, dass jeder zu Wort kommt – auch eher Introvertierte und Besonnene, die ja trotzdem großartige Impulse liefern können. Kleine Gruppen bis fünf Personen sorgen für eine Kommunikation auf Augenhöhe. In größeren Gruppen, vor allem solchen, in denen eine gewisse berufsalltägliche Hierarchie gilt, kristallisieren sich immer die gleichen Alpha-Tiere und Vorgesetzten als Meinungsbildner heraus, sodass sich andere Teilnehmer schlicht nicht mehr trauen, auch unpopuläre, absurde oder tabubrechende Ideen in die Runde zu geben.
Festes Zeitbudget
Mit dem Team ein ganzes Wochenende im angemieteten Ferienhaus brainstormen – das hält doch keiner aus. Kreation ist hochkonzentrierte Facharbeit. Nehmen Sie sich daher je nach Methode und Aufgabe eine feste Zeitportion und nutzen Sie die voll aus. Für kleine Ideen zwischendurch eignet sich zum Beispiel Ideen-Pingpong mit einer Zehn-Minuten-Runde. Für anspruchsvolle Aufgaben eine bis mehrere intensive 60-bis-90-Minuten-Runden mit Brainstorming, Mindmapping, Brainwriting, morphologischer Matrix etc.
Falls am Ende doch noch keine überzeugende Menge Ideen entstanden ist, und Sie noch Lust haben, weiterzumachen: Prima, tun Sie das unbedingt! Drängt der nächste Termin, dann planen Sie einfach noch eine oder weitere Runde ein, je nach finanziellem Budget und Anspruch.
Protokoll
Damit keine Inspiration verloren geht, werden alle Ideen stichwortartig oder skizzenhaft mitgeschrieben. Bei den schriftlichen Methoden erübrigt sich das meist, aber bei Brainstorming, Synektik und Parameter-Kreuz muss einfach protokolliert werden, denn schon am nächsten Tag kriegt man häufig nicht mal mehr die fünf besten Ideen aus dem Gedächtnis rekonstruiert. Schade, denn diese eine Idee da, äh, die mit dem Dings, die war doch irgendwie gut, oder?
DIE EDITION PROFIFOTO
Die Experten der Redaktion ProfiFoto und aus dem mitp-Verlag bündeln ihr Know-how und publizieren in Zusammenarbeit mit erfahrenen Autoren, die unmittelbar aus der Foto-Praxis kommen, eine einmalige Fachbuchreihe „made for professionals“: Ergänzend und flankierend zum Magazin ProfiFoto bieten die mitp-Bücher der Edition professionelles Wissen zum richtigen Umgang und zur effizienten Nutzung digitaler Fototechnik und Bildbearbeitung.
Kreativität in der Fotografie von Lutz Lungershausen, mitp Verlag 2015, 1. Auflage 2015, 280 Seiten, Softcover, Format 22 x 22 cm, ISBN 978-3-8266-9650-3, 29,99 Euro.
Dieser Beitrag ist erschienen in ProfiFoto Ausgabe 12/2015.