Dieser Praxisratgeber von Josef Stark bietet eine umfassende Übersicht darüber, wie Dias und Negative gescannt werden können. Dabei liegen die Schwerpunkte auf profirelevanten Punkten wie Produktivitäts- und Qualitätssteigerung, Monitorkalibrierung, die praktische Arbeit mit VueScan sowie die Nachbearbeitung mit IrfanView.
Scannen muss man lernen
Schön wäre es, wenn Sie sich hinsetzen könnten, den Scanner einschalten, Dia oder Negativ einlegen, auf eine Taste drücken und schon wird gescannt. Das ist leider nicht so. Scannen muss man lernen – wenn man gute Ergebnisse erzielen möchte.
Das Ausgangsmaterial
Ein Hauptkriterium zur Auswahl eines geeigneten Scanners ist das Material, das gescannt werden soll. Die meisten Scanner sind »Spezialisten« für Dias oder Negative. Hier gehe ich daher zunächst nur kurz auf das mögliche Ausgangsmaterial ein, detaillierte Informationen dazu erhalten Sie im nächsten Kapitel.
Im Wesentlichen unterstützen die Scanner:
• Dias im Kleinbildformat (24 x 36 mm)
• Negative im Kleinbildformat (24 x 36 mm)
• Einige Scanner unterstützen zusätzlich das Mittelformat (120er-Filme, gängige Formate sind hier 56 x 56 mm und 56 x 89 mm).
Andere Formate werden, je nach Scanner, leider nur teilweise oder gar nicht unterstützt! Wenn Sie andere Formate haben, sollten Sie daher vor dem Kauf eines Scanners unbedingt prüfen, ob diese Formate unterstützt werden.
Flachbettscanner mit Durchlichteinheit haben den Vorteil, dass Sie mit diesen auch Aufsichtsvorlagen, also Fotos und Dokumente, scannen können.
Vorlagen mit hohem Silberanteil
Problematisch sind Vorlagen mit hohem Silberanteil: Der hohe Silberanteil kann die Infrarot-Abtastung der Staub- und Kratzerentfernung stören.
Zu diesen Vorlagen zählen Koda-chrome-Dias, aber auch viele SW-Negativfilme.
Wenn Sie beim Scannen solcher Vorlagen Störungen im gescannten Bild haben, wie Artefakt-Bildung und Ähnliches, dann sollten Sie die Staub- und Kratzerentfernung ausschalten.
Ansprüche an das Scannen
Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Auswahl des Scanners sind Ihre Ansprüche an die Ergebnisse:
• Möchten Sie die gesamte Dia-Sammlung scannen, um die Ergebnisse anschließend am Flachbild-TV zu präsentieren?
• Möchten Sie ausgewählte Dias später ausdrucken, womöglich in gro-ßen Formaten wie A3 oder größer?
• Soll die Sammlung für die Ewigkeit archiviert werden?
• Möchten Sie das Quellmaterial vernichten oder weiter lagern?
• Spielen die Kosten keine Rolle?
• Haben Sie genug Zeit, sich dem Scannen intensiv zu widmen?
Hierzu ein kleines Beispiel aus der Praxis: Ein Bekannter kam erst vor ein paar Tagen auf mich zu und fragte mich: »Du, ich möchte meine alte Dia-Sammlung einscannen. Das sind wertvolle Erinnerungen, ich habe ungefähr 20.000 Dias.« Ich habe ihn gefragt, was er dann mit den Ergebnissen vorhabe. Diese sollten »für die Nachwelt erhalten« bleiben. Es sollten alle Dias gescannt werden. Überrascht war mein Bekannter, als ich ihm gesagt habe, dass man da ca. drei Stunden für ein Magazin von 50 Dias benötigt. Er hatte sich nämlich überlegt, einen DigitDia-Scanner zu leihen. Dabei war er davon ausgegangen, dass bei der heutigen Technik so ein Magazin doch in »so zehn Minuten« gescannt sein sollte.
Wir haben uns dann etwas intensiver mit der Thematik auseinandergesetzt. Mit dem Ergebnis, dass er nun mal überlegen wollte, ob er alles scannen möchte oder doch nur ausgewählte Dias. Ebenso wie hoch seine Ansprüche an die Qualität sind.
Bei wenigen Dias, die am TV gezeigt werden sollen, reicht ein Canon CanoScan 9000F oder ein vergleichbares Gerät aus. Die Scans müssen dann auch nicht unbedingt im RAW-Format gespeichert werden.
Wenn alle Dias gescannt werden sollen, führt kein Weg an einem Reflecta
DigitDia vorbei. Aber Achtung! Das Ausgangsmaterial muss auch dafür geeignet sein, also die richtigen Diarahmen im richtigen Magazin.
Die Kosten für eine große Festplatte, um auch die RAW-Dateien zu archivieren, spielen dann schon eher eine untergeordnete Rolle.
Alternativen zum Scannen
Das Scannen bedeutet für Sie also unter Umständen einen großen Zeitaufwand und hohe Investitionen. Daher sollten Sie natürlich überlegen, welche Alternativen es hierzu eventuell gibt.
Scan-Service
Es gibt einige Scan-Services, die relativ kostengünstig eine gute Qualität bieten. Sie sollten aber Folgendes bedenken:
• Der Scan-Service sieht das Motiv mit eigenen Augen. Sie würden eventuell vollkommen andere Einstellungen beim Scannen vornehmen und ein visuell ganz anderes Ergebnis erzeugen. Nach meinen Erfahrungen wird beim Scan-Service auch durchweg mit Standard-Einstellungen gearbeitet. Es gibt auch Scan-Services, die einen komplett individuellen Service anbieten. Dann entstehen allerdings hohe Kosten, so um die 5 Euro – wohlgemerkt je Dia oder Negativ!
• Sollen viele Dias oder Negative gescannt werden, können die Kosten sehr hoch sein – zumindest wenn man gute Qualität möchte und vielleicht neben dem JPG auch noch eine TIFF-Datei möchte.
Mein Tipp daher: Wenn Sie einen Scan-Service gefunden haben, erst mal so zehn Dias/Negative scannen lassen und dann entscheiden, ob Sie mit der Qualität zufrieden sind!
Abfotografieren
Hier gibt es mittlerweile einige vielversprechende Ansätze. Ich habe Ergebnisse gesehen, die auf den ersten Blick überraschend gut waren. Auf dem Gebiet habe ich auch selbst schon einige Experimente gemacht. Aber trotz guter Ausrüstung (Sony Alpha 55 DSLR, Makro-Objektiv, Polaroid-Halterung für die Dias) ist es mir nicht gelungen, Ergebnisse zu erzielen, die auch nur einigermaßen an das Scannen heranreichten. Von der fehlenden Staub und Kratzerentfernung mal abgesehen.
• Wenn Sie bereits eine digitale Spiegelreflexkamera (DSLR) und ein entsprechendes Objektiv haben, können Sie entsprechende Gehversuche machen. Berücksichtigen Sie hierbei aber auch die Zeit zur Nachbearbeitung!
• Wer neu in das Thema einsteigt, sollte sich überlegen, ob die Gesamtkosten unter denen für einen Scanner liegen. Hierbei sollten Sie bedenken, dass Sie auch geeignete Software für die Staub- und Kratzerentfernung anschaffen müssen. Auch hier sollten Sie berücksichtigen, dass Sie viel Zeit zur Nachbearbeitung einplanen müssen!
Scanner leihen
Mittlerweile gibt es einige Anbieter, die auch Magazinscanner verleihen. Bei einer überschaubaren Menge Dias eine Alternative, die sich rechnen kann. Allerdings sollten Sie bei der Planung der Zeit auch die Zeit zum Einarbeiten in das Thema Scannen berücksichtigen! Wenn Sie mit der Materie bisher noch gar nichts zu tun hatten und auch allgemein eher ein Laie am PC sind, sollten Sie hier drei bis fünf Tage einplanen. PC-Kenner kommen sicher mit ein bis drei Tagen aus.
Bei der Planung der Dauer für das Ausleihen des Scanners sollten Sie auch bedenken, ob Sie die Möglichkeit haben, den Scanner rund um die Uhr laufen zu lassen, oder ob es hier Probleme gibt, wenn so ein Gerät die ganze Nacht vor sich hin rattert. Denn »Schlafzimmer-geeignet« ist ein Magazinscanner nicht.
Billig-Scanner, die im Prinzip abfotografieren
Fast jede Woche sieht man Angebote für billige »Scanner«, die das Motiv abfotografieren.
In einer Produktbeschreibung habe ich mal gelesen: »Um sich einen schnellen Überblick über das Archiv zu verschaffen«. Damit wird umschrieben, dass die Qualität nicht ausreichend ist. Die versprochene Geschwindigkeit relativiert sich etwas, da die Geräte alle eine manuelle Bedienung haben. Sie müssen also die ganze Zeit am Gerät sitzen, zur nächsten Vorlage transportieren und diese abfotografieren. Ein Magazinscanner hingegen kann das, ohne dass Sie dabei noch eingreifen müssen. Auch Flachbettscanner mit Durchlichteinheit können meist mehrere Vorlagen im Batch scannen. Die Geräte haben zudem keine automatische Staub- und Kratzerentfernung.
DIE EDITION PROFIFOTO
Die Experten der Redaktion ProfiFoto und aus dem mitp-Verlag bündeln ihr Know-how und publizieren in Zusammenarbeit mit erfahrenen Autoren, die unmittelbar aus der Foto-Praxis kommen, eine einmalige Fachbuchreihe „made for professionals“: Ergänzend und flankierend zum Magazin ProfiFoto bieten die mitp-Bücher der Edition professionelles Wissen zum richtigen Umgang und zur effizienten Nutzung digitaler Fototechnik und Bildbearbeitung.
Dias und Negative Scannen – mit VueScan zu schönen Digitalfotos
von Josef Stark, mitp Verlag 2015, 1. Auflage, 336 Seiten, Softcover, Format 17 x 24 cm, ISBN 978-3-8266-9692-3, 25,99 Euro