Viele selbständige Fotografen sind Einzelkämpfer, die ihre Expertise und ihre Erfahrungen gerne für sich behalten. Das hat unterschiedliche Gründe und ist manchmal auch eine Charaktereigenschaft von Kreativen. In der Regel ist es aber die Angst davor, eigene Geschäftsbeziehungen und aufgebaute Kontakte preiszugeben. Dabei hat es gravierende Vorteile für Fotografen, sich zu organisieren.
Was ist ein visionäres Portfolio und wie sieht wegweisende Bildsprache aus? Vermutlich gibt es dazu unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen. Kunden aus der Werbung zum Bei-spiel beurteilen viele Fotografen-Portfolios, sie arbeiten täglich an kreativen Ideen für den nächsten Coup einer Kundenkampagne. Sie fordern von sich und ihren Teams viel und sind es gewohnt, Ideen, Bildsprache und Design sehr kritisch zu betrachten. Deshalb gelingt es ihnen auch immer wieder, witzige und intelligente Werbung zu kreieren. Natürlich beurteilen sie mit diesen Maßstäben auch die Arbeiten von Fotografen und sind schnell enttäuscht, wenn ein Portfolio „nur“ solides Handwerk oder Auftragsarbeiten aufweist. Sie wollen freie Arbeiten sehen und schätzen Fotografen, die neben gutem Handwerk auch Ideen in den Bildern zeigen.
Damit Fotografen darauf vorbereitet sind und ihren Markt besser einschätzen können, lohnt es, sich einem guten Netzwerk anzuschließen. Denn der erste Mappen-Termin muss sitzen. Ein neuer Kunde hat wenig Interesse, mit dem Fotografen in Kontakt zu bleiben und seine Arbeit zu verfolgen, wenn er nicht von Anfang an überzeugt ist.
Im BFF (Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter) zum Beispiel wird darauf geachtet, wie visionär die Bilder sind und wie inhaltsstark das Portfolio des Fotografen ist. Hier werden schon junge Fotografen darauf vorbereitet, eine anspruchsvolle Mappe zu zeigen um sich in Agenturen vorzustellen. Das erfolgt zum Beispiel durch Bildbesprechungen und Diskussionen in großer Fotografenrunde.
Neben dem BFF gibt es weitere Verbände in Deutschland für unterschiedliche Märkte. Freelens für die Fotojournalisten, den BPP für Studio- und Portrait- oder Hochzeitsfotografen. Der Professional Imagers Club vergibt jährlich Stipendien für Nachwuchsfotografen, denen unter anderem Workshops und Seminare ermöglicht werden, die einen nützlichen Mehrwert für die Jobpraxis darstellen. Innerhalb eines Netzwerks bilden sich „Kooperationen“, Assistenzjobs werden vermittelt und mancher Job wird großzügig weitergereicht, wenn ein Fotograf keine Zeit hat. Mit jeweils unterschiedlicher Ausrichtung im Markt vertreten alle die Interessen ihrer Mitglieder und des Berufes. Sie engagieren sich unter anderem für rechtliche Fragen, Honorargestaltung, gute Geschäftsbedingungen, Nutzungsrechte oder vertragliche Formulierungen. Themen, die Nachwuchsfotografen in Ausbildung oder Studium oft nicht lernen. Zumal dafür Erfahrungswerte aus der Praxis und aktuellen Marktgegebenheiten relevant sind.
Aus meinen Gesprächen mit Fotografen weiß ich, dass viele Fragestellungen im Joballtag sich leichter und schneller klären ließen, wenn Fotografen besser vernetzt wären. Organisierte Fotografen teilen ihre Erfahrungen und Meinungen, sie unterstützen sich gegenseitig, die Profis übernehmen oft eine Art Mentor-Rolle für den Nachwuchs. Dabei werden auch Fragen zur Honorargestaltung und Verhandlung mit Kunden hilfreich beantwortet, wo Einzelkämpfer lange grübeln und letztlich zu günstig oder zu teuer sind. Natürlich liegt es im Ermessen jedes Fotografen, ob organisiert oder nicht, wie offen er seine Erfahrungen teilen möchte und niemand fordert die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen. Mittlerweile arbeiten zunehmend mehr Fotografen in kleinen Teams anstatt als Einzelkämpfer. Dabei bilden sie Dienstleistungs-Netzwerke und bieten damit ihren Kunden übergreifende Leistungen an, wie zum Beispiel Fotografie, Film und Text. Sie werden zu Multimediadienstleistern, die kundenspezifische Pakete schnüren.
Mehrwert ist mehr Wert! Fotografen können aus meiner Sicht nur profitieren, wenn sie sich organisieren oder sich zusammentun. Damit stärken sie ihren Beruf und fördern Qualität und Wertschätzung auf Kundenseite. Außerdem spornt der Austausch mit Kollegen und Kolleginnen an und macht schlauer. Guter Wettbewerb zeigt sich auch in einer hochwertigen und visionären Bildsprache im Portfolio.
Und wer beantwortet Ihre Fragen?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative bei der richtigen Positionierung und Präsentation.