Proimageeditors in Bombay ist der größte Hochzeitsbild-Bearbeiter der Welt. ProfiFoto war vor Ort.
Wenn Hezikiah de Souza, 37, morgens ins Büro kommt, sind auf seinen Servern schon die ersten Aufträge aus Australien aufgelaufen. Am Nachmittag folgt Europa und am Abend setzt der Bilderstrom aus Amerika ein. „Die Amerikaner sind den Europäern beim Outsourcing von Bildbearbeitung etwa zwei bis drei Jahre voraus“, so der Managing Director von Proimageeditors (www.proimageeditors.de). Er ist der Herr über 220 Bildbearbeiter, die in seinen Räumen in Bombay Bilder aus aller Welt bearbeiten.
Begonnen hat Proimageeditors vor 12 Jahren in den USA als Gründung dreier dort lebender Inder, die den Bedarf der Stockfotoindustrie erkannten, Mengen von Bildern zu bearbeiten. Als Aufgabenfelder kamen dann die Retusche von Produkt-, Porträt- und Immobilienfotos hinzu. Den größten Umsatz macht Proimageeditors heute jedoch mit Hochzeitsfotografen.
„Ein typischer Hochzeitsfotograf hat in der Hochsaison mehr als eine Hochzeit pro Woche. Da bleibt keine Zeit für die Bildbearbeitung, ohne dass man Nachtschichten fährt.“ De Souza weiß von Fotografen zu berichten, die bearbeitete Bilder oft erst Wochen nach der Hochzeit liefern konnten und sich derart an der Bildbearbeitung aufgerieben hatten, dass sie den Job wechseln wollten. „Wir machen eigentlich mehr als Bildbeabeitung – wir geben den Fotografen Zeit für den Kundenkontakt, die Akquise neuer Kunden und nicht zuletzt auch für ihr Privatleben.“ Bei Bearbeitungszeiten von wenigen Tagen im Outsourcing sieht de Souza einen weiteren Vorteil: Kunden, die eine Woche nach ihrer Hochzeit die Bilder in den Händen halten, sind nicht nur sehr positiv überrascht – sie zahlen auch früher.
Mittlerweile gehört das Outsourcing der Bildbearbeitung in der amerikanischen ‚Wedding-Industry‘ zum guten Ton. Wenn sich zwischen August und Oktober in den USA die Hochzeitspaare die Klinke in die Hand geben, dann arbeiten in Bombay die Bildbearbeiter in drei Schichten an sieben Tagen pro Woche. „Letzten Oktober haben wir in einem Monat 1,6 Millionen Bilder bearbeitet.“
Den Grund, warum Europa dem Trend aus den USA noch hinterher hängt, sieht de Souza darin, dass jeder Fotograf anfangs Angst hat, die Kontrolle über seine Bilder abzugeben. Schließlich werden Hochzeitsfotografen mehr und mehr für ihren spezifischen Bildstil gebucht. Dieser macht sie einzigartig und ist ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Daran will auch de Souza nicht rütteln. 95 Prozent der Bildbearbeitung sind seiner Meinung nach kompletter Standard: Belichtungskorrekturen, Beschnitt, Farben. Erst auf den letzten fünf Prozent entsteht der individuelle Stil des Fotografen. Diesen Stil können seine Bildbearbeiter, gebrieft durch Fotos und Anweisungen des Fotografen, weitestgehend imitieren. Für das, was dann noch übrigbleibt, hat das Outsourcing der ersten 95 Prozent dem Fotografen so viel Zeit gespart, dass er diesen Schritt in der Hand behalten kann.
Neben der Zeitersparnis sind auch die Kosten ein Grund für Outsourcing. Elf Cent pro Bild sind fällig, wenn Proimageeditors die kompletten Bilder einer Hochzeit durchschaut, davon einen definierten Prozentsatz der besten Bilder selektiert und diese dann bearbeitet. Selektiert der Fotograf selbst, dann kostet das 14 Cent pro Bild. Typischerweise liefern Fotografen um die 500-600 Fotos an ihr Brautpaar, wofür die Kosten knapp 100 Euro betragen.
Bei solchen Preisen flackern vor dem kritischen europäischen Auge sofort Bilder von eingestürzten Textilfirmen und unterernährten Kindern auf. Solche Klischees sind fern der Realität: ein Bildbearbeiter bei Proimageeditors verdient vergleichbar wie ein Lehrer, die meisten haben einen Abschluss in Kunst und eine Fortbildung in Photoshop. In der ‚Peak Season‘ kann sich dieses Gehalt verdreifachen, wenn das vereinbarte Soll durch Schnelligkeit und Überstunden übertroffen wird. Im Kundenkontakt arbeiten Frauen wie Dhanshree – sie hat Deutsch an der Uni und am Goethe-Institut gelernt und beantwortet die Fragen von deutschsprachigen Kunden mit einem Charme und einem Deutsch, das die wenigsten erwarten, wenn sie eine indische Firma kontaktieren.
An Bewerbern mangelt es bei den Arbeits- und Lohnbedingungen nicht, aber nicht jeder hat das Zeug zum Bildbearbeiter – jeder Kandidat für die Bildbearbeitung wird zum Beispiel auf seine Fähigkeiten hin getestet, Farben zu sehen.
Der günstige Preis für die Bildbearbeitung kommt laut de Souza auch nur zum Teil über die günstigeren Löhne in Indien zustande. Effizienz ist es, die ihn umtreibt: Seine Bildbearbeiter werden drei Monate geschult, bevor sie echte Jobs bearbeiten und schaffen dann bis zu 3.000 Bilder pro Tag.
De Souza plant jetzt schon für das Geschäft mit Europa: „In zwei bis drei Jahren müssen wir unsere Mitarbeiterzahl verdoppelt haben.“ Schon jetzt wächst Proimageeditors mit großem Tempo – eine Etage nach der nächsten übernimmt er in dem Geschäftshaus in Bombay.
Bombay ist für ihn ein überlegt ausgesuchter Standort – hier gibt es keine Stromausfälle, wie in anderen indischen Städten. Auch die Arbeitsmoral ist eine andere – Bombay ist das indische New York. Hierher kommt, wer unbedingten Leistungswillen hat und Karriere machen will. In anderen Bundesstaaten gäbe es zwar geringere Löhne, aber die Arbeitsleistungen seien auch deutlich geringer. Ein weiterer Standortfaktor, der für Bombay spricht: die Netzwerkinfrastruktur.
Glasfaserkabel verbinden die Standorte und eine 300-Mbit-Leitung führt ins Internet. „Wenn ich morgen doppelt so viel Kapazität brauche, hab ich die in drei Tagen. In anderen Städten kann das auch mal drei Monate dauern“, so de Souza.
Die zu bearbeitenden Bilder gelangen auf verschiedenen Wegen nach Indien: Deutsche Kunden können Festplatten an ein Rechenzentrum in Hallstadt schicken, von wo aus die Daten nach Indien übertragen werden. Wer eine Internetleitung mit hoher Datenrate hat, lädt die Bilder selbst auf die Server in Indien.
Eine elegante Lösung basiert auf den sogenannten SmartPreviews von Lightroom: Hier werden verkleinerte Versionen der Bilder übertragen und die im Lightroom-Katalog hinterlegten Bearbeitungen später auf die originalen RAW-Dateien des Fotografen angewandt.
Sobald die Bilder auf dem Server der Firma eingegangen sind, setzt ein digitaler Workflow ein, der sicherstellt, dass der Auftrag zeitgerecht abgearbeitet wird. Dafür hat Proimageeditors rund eine Million Dollar in eine eigene ERP-Software investiert. Sie dokumentiert den Eingang der Bilder, verknüpft diese mit den Wünschen des Fotografen und leitet sie an die Bearbeitung weiter. Sobald diese abgeschlossen ist, transportiert sie den Auftrag zurück zum Kunden und sorgt für die Rechnungsstellung. Allein 24 Mitarbeiter kümmern sich rund um die Uhr um die technische Infrastruktur.
Beeindruckend ist auch das Sicherheitssystem. Da Proimageeditors mit Stockfotos groß geworden ist, musste von Anfang an auf die Sicherheit der Daten geachtet werden. „Würden Bilder unserer Kunden auf anderen Seiten auftauchen, dann wären im Zweifelsfall nur wir und der Kunde eine Quelle dafür“, gibt de Souza zu bedenken. Dementsprechend ausgefeilt sind die Vorkehrungen vor Ort: Kein Arbeitsrechner hängt am Internet, USB-Sticks sind an allen Rechnern gesperrt und die Zugangskontrollen mit speziellen Kartensystemen sind so rigide, wie man es sonst nur in Hochsicherheitslaboren erwartet.
Trotz der hohen Sicherheitsstandards herrscht in den Räumen eine entspann-
te Atmosphäre: Rund 40 Prozent der Mitarbeiter sind Frauen und auch der Mix durch die zahlreichen Konfessionen Indiens ist deutlich sichtbar: Hier sitzen Hindus neben Christen und Muslimen und bearbeiten Bilder westlicher Hochzeiten.
Einen weiteren Blick in die Zukunft erlaubt der Besuch in einem anderen Bürotrakt: Videobearbeitung ist der nächste Wachstumsmarkt für Proimageeditors. Hochzeitsfotografen filmen mehr und mehr die Hochzeiten, für die sie gebucht werden. Wer schon einmal Videos geschnitten hat, weiß, dass auch hier enorme Zeit in die Nachbearbeitung geht. Für de Souza ist klar: „Wir entwickeln uns mit den Fotografen.“ Diese bieten nach seiner Beobachtung mehr und mehr Produkte rund um das Thema Hochzeit an. So bietet Proimageeditors seit kurzem auch die Erstellung kompletter Fotobücher für Hochzeiten.
Eine letzte Station des Besuchs in der Bilderfabrik führt uns etwas von den Hochzeiten weg in die dritte Dimension. Eine neue Abteilung kümmert sich nur um das Thema 3D. Hier werden Animationen für Pharmafirmen gebaut und Charaktere für Videospiele animiert. Und: Bodyscans aus Europa, aus denen Miniaturversionen der Auftraggeber mit 3D-Druckern geprinted werden, werden hier nachbearbeitet und mit Texturdaten belegt. Hier kommt selbst der indische Jobmarkt derzeit an seine Grenzen. „Ich kann gar nicht so schnell die dafür nötigen Spezialisten rekrutieren und weiterbilden, wie ich möchte“, gesteht de Souza.
Angst davor, dass die Löhne in Indien von Ländern wie China unterboten werden, hat er nicht. Der Preis sei nicht das entscheidende Kriterium, sondern die Qualität und das Mitwachsen mit dem Kunden. „Wer outsourced, will das Thema loswerden und es nicht gegen Qualitätsprobleme tauschen.“
Zum Abschied gibt de Souza noch einen Ausblick für Europa: die Bedenken der Fotografen bezüglich Outsourcing scheinen auch hier überwunden – Europa ist sein am schnellsten wachsender Markt – auch wenn die amerikanischen Volumen noch nicht erreicht werden.
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