In Frankreich gibt es jetzt eine Kennzeichnungspflicht für Model-Fotos, die retuschiert worden sind. Seit dem 1. Oktober 2017 müssen die Fotografen angeben, ob sie die Körper der Models gestreckt, die Haut reiner und faltenfrei gemacht haben. Wer dies nicht tut, der riskiert hohe Geldstrafen!
Wir haben uns in der Branche umgehört, wie sinnvoll diese Maßnahme ist und ob diese auch in Deutschland angebracht wäre. Zwei „Meinungen“ veröffentlichen wir an dieser Stelle. Weitere lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der ProfiFoto 1-2/2018 jetzt am Kiosk.
Das wollten wir wissen:
1) Brauchen wir neue Standards zur Kennzeichnung bearbeiteter Modelfotos wie in Frankreich? Um Models u.a. vor Magerwahn zu schützen? Halten Sie eine deutsche Kennzeichnungspflicht für bearbeitete Model-Fotos für sinnvoll?
2) Wie könnte so ein Pflicht in Deutschland durchgesetzt werden?
3) Fotografie schafft Vorbilder. Aber brauchen wir nicht eine Ethik-Debatte über die Modefotografie hinaus?
Dr. Wally Wünsch-Leitzeritz
Fachärztin für innere Medizin, Psychotherapie, Ernährungsmedizin
Vorstandsmitglied des Bundesfachverbands für Essstörungen (BFE)
Leitende Oberärztin der Klinik Lüneburger Heide und Mitbegründerin der Wohneinrichtung Amidon
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Der Bundesfachverband Essstörungen e. V. spricht sich für die Kennzeichnungspflicht von Modelfotos aus. Ein solches Label ist überfällig und nicht nur ein Schutz für Models selbst, sondern auch für die vor allem jugendliche Bevölkerung, die zu viel mit falschen und nicht erreichbaren „Idealen“ konfrontiert und dadurch ungünstig beeinflusst werden kann.
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Hochsensible und besonders beeindruckbare Menschen können durch falsche Vorbilder und Vorgaben Belastungen mit vermehrten Selbstwertproblemen erfahren. Standards für Model- und auch Modefotographie sollten erarbeitet werden, die sowohl das Bearbeiten/Retouschieren von Fotos kennzeichnen als sich auch an einem gesunden Körpergewicht (BMI > 18,5 kg/m² für Erwachsene und > 25. Alters-PZ bei den unter 16-Jährigen) orientieren.
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Eine Kennzeichnungspflicht wird unserer Einschätzung nach bereits eine ethische Diskussion über das Ausmaß und den Sinn und Unsinn von Fotobearbeitung und Retouschierungen in der Modefotographie anstoßen.
Mike Fritsche
Fotoredakteur, Studio X / Paris
www.studiox.fr
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Vollkommener Quatsch und nur dazu gedacht, alles noch komplizierter zu machen. Das finden auch Menschen sehr gut, die immer nur über andere meckern wollen. Im Ernst, wollen wir dann Bildunterschriften an den Fotos in den Magazinen lesen, die besagen, dass das Model in Wirklichkeit ganz anders aussieht. Kaum ein Fotograf arbeitet heute noch ohne Filter. Wo soll da, bitte schön, die Grenze gezogen werden.
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Ach, das mit dem Durchsetzen schaffen die Deutschen schon. Die sind doch so clever mit den verrücktesten Gesetzesideen. Überhaupt gestalten sie gerne alles so kompliziert, dass niemand mehr so richtig weiß, wohin mit seiner Zeit.
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Wie auch die Malerei Vorbilder schaffte. Und haben wir nicht auch all diese Vorbilder überlebt? Die Gesellschaft kann sicher eine Ethik-Debatte gebrauchen, aber ist dieses Thema wirklich so wichtig? Es geht doch um das Ganze. Wir sollten doch eher Menschen heranerziehen, die selbstständig und erwachsen für sich selbst denken können. Stattdessen lassen wir uns von dieser hyperseltsamen Gesellschaft einlullen. Es geht darum, Menschen zu kreativ denkenden Individuen zu formen, die keinem noch so lächerlichen Trend hinterher eifern und nachlaufen. Menschen, die Unterschiede zu schätzen wissen. Die das reale Leben der Gleichheit und Uniformität einer von der Werbung dominierten Gesellschaft vorziehen. Nie werde ich einer Werbung aus dem Internet folgen und daraufhin ein Geschäft besuchen. Ich selbst hasse Werbung, die mich in den Newsmedien dazu zwingt, den Adblocker zu deaktivieren. Wir werden von der Werbung im Netz verfolgt und diese Art und Weise stellt eine Garantie dafür dar, dass ich diese Angebote niemals wahrnehmen werde. Das gilt auch für Facebook und all diese Netzwerke. Ich „liebe“ auch die Art von Modeproduktionen in den Magazinen, die Models in Kunstfoto-Strecken präsentieren. Fotos, auf denen so gut wie nichts zu erkennen ist. In den Bildunterschriften wird aber dann fein fleissig und ausführlich vermerkt, welche Klamotten und Marken das Model bei den Aufnahmen getragen hat. Der Witz ist, wir sehen eigentlich gar nicht mehr auf den Bildern, was dort promotet werden soll. Selbst Marken werden nur noch über die Illusion verkauft. So kommt Geld in die Kassen der Magazine und macht Umsatz für die Verlage. Der schöne Schein… Nur, das ist unsere heutige Leitkultur, diese bestimmt die langweilige Yellow Press bis zum ZEIT Magazin, und diese Magazine bekommen dann auch noch Lead Awards oder andere Auszeichnungen. Und wenn man dann die Angestellten der Magazine darauf anspricht, ist die Antwort: Das machen doch alle so.
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