Gerade als ich überlegte, welchem Thema ich mich mit diesem Artikel widmen möchte, erreicht mich eine Mail, in der ich darum gebeten wurde, mich dazu zu äußern, ob nun der Bundesgerichtshof (BGH) tatsächlich die MFM Honorarempfehlung für die Schadensbemessung „abgeschafft“ hätte. Zudem erinnere ich mich noch an einen Vortrag, den ich für einen Verband halten sollte, der sich ebenfalls mit der Frage befasst hat, ob man überhaupt vor irgendeinem Gericht noch die Möglichkeit hätte, aufgrund ungerechtfertigter Bildverwendungen Schadensersatz nach MFM Honorarempfehlung herauszubekommen.
In beiden Fällen und übrigens immer, wenn ich die Geschichte vom Ende ordentlicher Schadensersatzsummen höre, ist mein erster Gedanke: What?
First things first: Die Honorarempfehlung der MFM? Wenn Ihr das zwar schonmal gehört habt, aber nicht genau wisst, was das sein soll, hier die kurze Selbstbeschreibung aus dem Netz:
„Die Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) ermittelt jährlich die aktuellen Honorare für Fotonutzungen in Deutschland und gibt diese unter dem Titel Bildhonorare als Broschüre heraus. Diese Broschüre dient seit vielen Jahren Bildlieferanten und Bildnutzern als wichtiges Informations- und Planungsinstrument. Die MFM ist ein Arbeitskreis des Bundesverbandes professioneller Bildanbieter e.V. (BVPA). Im Arbeitskreis sind neben Bildagenturen auch die Organisationen der Fotojournalisten (DJV, DJU/verdi, Freelens) vertreten.“
(Quelle: http://bvpa.org/mfm/)
Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass die Köpfe, die hier einmal jährlich zusammengesteckt werden, unzweifelhaft kompetent sind, was die Preisgestaltung für Nutzungsrechte angeht. Und wie kommt die MFM Honorarempfehlung denn nun überhaupt zum BGH und wieso soll der über deren Anwendbarkeit entscheiden können?
Hierzu müssen wir einen kurzen Ausflug zur Schadensberechnung für geklaute Bilder machen. Die hier üblicherweise angewandte Methode ist die der sogenannten Lizenzanalogie. Das bedeutet, dass derjenige, der Bilder von einem Fotografen klaut, wenn er ertappt wird, das zahlen muss, was er gezahlt hätte, wenn er die Bilder von vornherein beim Fotografen gekauft hätte. Das ist nicht nur unfair, sondern wäre aller Wahrscheinlichkeit nach auch völlig unkalkulierbar, gäbe es hier nicht die MFM Honorarempfehlung. Diese wird von vielen Gerichten daher nach wie vor als Bemessungsgrundlage herangezogen. Zugegeben: Teilweise gibt es Abschläge – oftmals aber auch Zuschläge, wie zum Beispiel bei unterlassener Urhebernennung.
Naturgemäß prallen beim Thema Schadensberechnung zwei Welten aufeinander und die Fotografen seufzen über die allgemeine Ungerechtigkeit der Lizenzanalogie:
„Warum soll bitte jemand, der mich beklaut, das Selbe zahlen, als wäre er mein Kunde?“, wohingegen die Bilderdiebe nicht müde werden, die Klassiker: „Das verkauft der doch niemals zu diesem Preis!“, „Hätte ich gewusst, dass das so teuer ist, hätte ich sowieso niemals das Bild bei dem Fotografen gekauft“, zu bemühen.
Doch nun weg vom Populismus und zurück zur Überschrift: Hat nun der BGH tatsächlich der Anwendung der MFM Honorarempfehlung im gerichtlichen Bereich eine generelle Absage erteilt? Kurzum: Quatsch! Die Rechtsprechung bis hinauf zum BGH bringt immer wieder Entscheidungen zur Lizenzanalogie im Bereich Bilderdiebstahl zutage. Diese fallen – wer hätte das von Gerichten erwartet – meist nicht einheitlich aus, was aber viele meiner Berufskollegen nicht davon abhält, bei jeder einzelnen Gerichtsentscheidung, die nicht zu 100 % MFM Sätze bestätigt, vom Aussterben dieser ohnehin längst nicht mehr zeitgemäßen Honorarempfehlung im gerichtlichen Verkehr und ähnlichem Kokolores zu schreiben.
Es ist, denke ich, keine rechtliche Besonderheit, dass selten ein Gericht die Entscheidung eines anderen Gerichts absolut deckungsgleich reproduziert, auch wenn der Fall recht ähnlich ist, sodass ich gerade bei der Frage der Lizenzhöhe bei Bilderklau nicht ganz verstehe, wieso gerade hier beinahe jeder Entscheidung eine gewisse Endgültigkeit angeheftet werden soll.
Fassen wir mal zusammen, wie zumindest meine Erfahrung mit der Durchsetzbarkeit der MFM Honorarempfehlung vor Gericht aussieht:
Gerade in Bereichen, in denen nicht hauptberufliche Fotografen Rechtsverletzungen gegenüber Privatpersonen verfolgen, tut man sich mit der MFM Honorarempfehlung einigermaßen schwer. Produktfotos, die in eBay-Auktionen verwendet werden, sind hier der Paradefall. Nachdem die MFM Honorarempfehlung dazu da ist, um professionellen Lizenzgebern eine Richtlinie für die Bemessung von Bildhonoraren zu geben, ist es, denke ich, nicht schwer nachvollziehbar, dass, wenn auch noch der Bilderdieb privater Natur ist, rasch Ende ist mit der MFM. (Hier spreche ich übrigens nicht wirklich aus Erfahrung, da ich Fälle, die sich gegen private Rechtsverletzungen richten, in meiner Kanzlei grundsätzlich nicht bearbeite. Ergänzend: Die Definition von „privaten Rechtsverletzungen“ behalte ich mir hier übrigens selbst vor und überlasse diese nicht der Gegenseite. Neulich wollte mir ein Mitarbeiter einer Aktiengesellschaft erklären, dass die Bildnutzung auf deren Website rein privater Natur sei.)
Anders sieht die Sache aber aus, wenn Berufsfotografen auf gewerbliche Bildverwender treffen. Hier ist es meiner Erfahrung nach durchaus üblich, die MFM Honorarempfehlung als Grundlage für die Schadensberechnung vor Gericht heranzuziehen. Auffällig ist allerdings, dass manche Gerichte davon absehen, nicht mehr großzügig durchzuwinken, sobald Sie in der Klage etwas von MFM lesen, sondern durchaus häufiger den Finger in die Wunde legen und nachbohren, ob denn der Fotograf auch im Tagesgeschäft Honorare in dieser Höhe abrechnet. Der Nachweis ist hier in der Regel aber durch die Vorlage von vergleichbaren Rechnungen oder auch durch eine informatorische Anhörung des klagenden Fotografen im Gerichtstermin zu führen.
Abschließend möchte ich mal mit einem Satz aufräumen, den ich immer wieder von der moralkeuleschwingenden und bilderklauenden Gegenseite höre:
„Sie versuchen hier doch bewusst, die Schadensersatzansprüche so hoch anzusetzen, wie möglich, um einen möglichst hohen Schadensersatz für den Fotografen zu bekommen.“
Richtig! Denn auch, wenn wir in den juristischen Kommentaren immer wieder davon lesen, dass Schadensersatz in Deutschland keinen Strafcharakter haben soll, bin ich der Auffassung, dass zumindest ein klein wenig Strafe durchaus mal sein darf.
Dieser Artikel ist in der in der aktuellen ProfiFoto 5/17 zu finden.