Einen umfangreichen Einblick in das fotografische Œuvre von Claudia Andujar (*1931 in Neuchâtel, Schweiz) gibt die Ausstellung „Morgen darf nicht gestern sein“ im MMK Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main.
Claudia Andujar lebt seit 1955 in São Paulo in Brasilien. Anfänglich ohne Kenntnisse der portugiesischen Sprache bot ihr d
Die Fotokamera war für sie, mangels ihrer Kenntnisse der portugiesischen Sprache, eine Möglichkeit, durch Bilder zu kommunizieren. Ihre fotografische Praxis ist seit den 1960er-Jahren eng mit der jüngeren Zeitgeschichte Brasiliens sowie den Gegensätzen und Konflikten des Landes verknüpft.
In verschiedenen Werkreihen gelingt der Fotografin ein kontrastreiches Bild Brasiliens. „Immer wieder treten in Andujars fotografischen Serien die verschiedenen Lebensräume in Dialog miteinander. Aus einem Hubschrauber aufgenommen zeigt „Metrópole“ das modernistische Straßennetz São Paulos, „Urihi-a“ einen von Natur gesäumten Shapono, der Rundbau, in dem die Yanomami leben, und „Cemitério da Consolação“ den Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Friedhof in São Paulo, dessen Wegenetz rund um das zentrale Mausoleum angelegt ist. Das Straßennetz, die Natur und die Friedhofswege erscheinen endlos“, erläutert Carolin Köchling, Kuratorin der Ausstellung.
Im Jahr 1971 führte Claudia Andujar eine ihrer Reisen in das Amazonasgebiet zu dem indigenen Volk der Yanomami. Seither engagiert sich Andujar für den Schutz dieses durch die Invasion ihres Lebensraumes bedrohten Volkes. Im Rahmen ihres aktivistischen Engagements entstand in den frühen 1980er-Jahren ihre bis heute wichtigste Serie „Marcados“ (dt. Markiert).
Andujar selbst lebte über mehrere Jahre mit den Yanomami und gründete 1978 gemeinsam mit Bruce Albert und Carlo Zacquini die „Comissão pela Criação do Parque Yanomami“ (heute: „Comissão Pró-Yanomami“) zur Verteidigung des Lebens und Territoriums der Yanomami. Anfang der 1980er-Jahre startete die Kommission eine Impfkampagne, für die Andujar Porträtaufnahmen der Yanomami in verschiedenen Dörfern im Amazonasgebiet machte. Da die Yanomami traditionell keine Namen verwenden – sie sprechen sich mittels Familienrelationen an –, wurden ihnen zur Identifizierung für den Impfausweis Nummern um den Hals gehängt. Den Titel „Marcados“ erhielten die Fotografien erst über 20 Jahre später, als sie 2006 erstmals auf der Biennale von São Paulo gezeigt wurden.
Im Titel der Ausstellung „Morgen darf nicht gestern sein“ spiegelt sich angesichts wiederkehrender politischer Ereignisse und gesellschaftlicher Entwicklungen in Brasilien die Botschaft der Künstlerin an die Gegenwart wider.
Neben Andujars fotografischen Arbeiten werden in der Ausstellung Originalzeichnungen der Yanomami präsentiert, die im Rahmen eines von Andujar initiierten Projektes 1976 entstanden und in der Publikation „Mitopoemas Yãnomam“ (Mythische Gedichte der Yanomami) veröffentlicht wurden. Diese stellt Erzählungen und Zeichnungen der Yanomami in einen Dialog mit Andujars Fotografien.
Die Ausstellung wurde mit Unterstützung vom Brasilianischen Außenministeriums realisiert.
Ein Katalog zur Ausstellung ist im Kerber Verlag erschienen: Im Museum für 25 Euro erhältlich, im Buchhandel für 28 Euro.
Die Ausstellung läuft bis 25. Juni 2017
Bild oben: Claudia Andujar Ausstellungsansicht Bild links: Claudia Andujar – Através do Fusca 1976 5