Die Honorarentwicklung für Fotografen ist ein brisantes Thema. Seit Jahren sind die Arbeits- und Nutzungshonorare, die Fotografen für Aufträge erzielen können, in einer konsistenten Abwärtsbewegung. Was sowohl Fotografen als auch Kunden aus Unternehmen und Werbung bestätigen. Das liegt nicht nur daran, dass es einen (zu) großen Wettbewerb unter den Fotografen gibt und Kunden sich ihren Wunschfotografen aussuchen können. Etatdirektoren, Einkäufer und andere Budgetverantwortliche müssen Zahlen erzielen, die dem jeweiligen Unternehmen Wachstum sichern. Und dabei gehen sie aufs Ganze.
Normalerweise schreibe ich in dieser Kolumne über Themen für Fotografen. Dieses Mal ist es anders, sie richtet sich an die Kunden. Eine E-Mail an einen etablierten Profifotografen hat mich dazu bewogen. Sie offenbarte, wie ich finde, ein „unmoralisches Angebot“: einen Job für 100 Euro. Genauer gesagt einen Auftrag, der einen Tag Arbeit inkl. An- und Abfahrten und Locationwechsel umfasste. Die geplanten Nutzungsabsichten wurden nicht spezifiziert, bzw. sollen umfänglich eingeräumt werden. Und der Aufwand für das Projekthandling, die Abstimmung und Koordination waren ebenfalls nicht weiter berücksichtigt. Leider ist das kein Einzelfall, mehrere Fotografen berichten von „Angeboten“ dieser Art. Und dabei handelt es sich oft um Mitarbeiter mittelständischer Firmen, die diese Anfragen versenden. Die meisten hielten es für einen schlechten Witz. Der Absender war aber real. Die Reaktionen schwanken zwischen Ungläubigkeit über Wut biszur Hilflosigkeit: Wie soll man darauf reagieren, soll man überhaupt reagieren? Und wie kann man diesen Kunden klar machen, dass es sich bei diesem Angebot um eine Dreistigkeit handelt. Dass es unmöglich ist und dem Berufsethos widerspricht, Qualitätsarbeit und professionelle Fotografie in diesem Umfang und zu diesen Konditionen zu liefern!
100 Euro Honorar am Tag ergibt einen Stundensatz von 12,50 Euro. Jeder Fotografen-Assistent bekommt mindestens 200 Euro pro Tag. Und von 12,50 Euro pro Stunde müssen sich selbständige Fotografen versichern, in ihr Equipment investieren, ihre laufenden Kosten bezahlen und Rücklagen bilden für Tage ohne Auftrag. Sie tragen das Risiko der Selbständigkeit, um vielen Kunden und Auftraggebern ihr Know-how zur Verfügung zu stellen. Und selbst wenn ein Fotograf an jedem Werktag 100 Euro verdienen würde, das monatliche Einkommen liegt trotzdem weit unter dem, was ein selbständiger, professioneller Berufsfotograf verdienen muss und, vor allem, aufgrund seiner Expertise, WERT ist.
Der Fotografenverband Freelens e.V. hat bereits 2014 einen offenen Brief geschrieben, in dem er sich an Auftraggeber wendet, die glauben, dass Berufsfotografen kostenlos Bilder anfertigen oder abgeben. Der Titel „Warum Fotografen nicht umsonst arbeiten können“, nachzulesen auf freelens.com. Ich schließe mich dieser Argumentation an und alle Fotografen, die ich kenne, ebenfalls. Unklar bleibt, welchen Qualitätsanspruch diese Kunden haben. Und ob sie wissen, wie ein professionelles Bild entsteht, weiterverarbeitet wird und welches Equipment und Software ein Profifotograf dafür benötigt. Selbst wenn man gar keine Erwartungen an das Bildergebnis hat, erscheinen 100 Euro absurd.
Viele Kunden wissen nicht, wie gut die zielgerichtete Zusammenarbeit mit einem Profifotografen den Erfolg des Unternehmens und das Image in den Augen der Zielgruppe befördert. Professionelle Fotos setzen das Produkt oder die Mitarbeiter in Szene und können den Verkauf steigern. Gute Fotografen machen nicht nur Bilder, sondern denken im Sinne des Unternehmens, bringen ihre Erfahrungen ein und beraten Sie bei Ihrem Vorhaben. Mit einem Angebot von mindestens 1.000 Euro kommen Sie dem Wert der Fotoproduktion deutlich näher.
Überlegen Sie genau, was Sie wollen oder benötigen. Einen Fotografen, der die beschriebenen Qualitäten mitbringt, Erfahrung hat und Ihr Unternehmen in der Außendarstellung stärkt? Der Ihnen Bilder liefert, von denen Sie vorher nicht wussten, wie gut diese zu Ihren Zielen und Erwartungen passen? Der Ihre Bilder sorgfältig bearbeitet und für Sie archiviert, oft viele Jahre abrufbar?
Dann wird sich jeder Fotograf über Ihre Anfrage freuen und sie gerne beantworten. Ansonsten verschonen Sie Fotografen bitte mit diesen absurden E-Mails, nehmen Ihr Smartphone und machen kostengünstig Ihre Bilder am besten selbst!
Und wie lautet Ihr Angebot?
Silke Güldner berät Fotografen und Kreative bei der richtigen Positionierung, dem Auftritt und der digitalen Präsentation.
www.silkegueldner.de
Diese Kolumne ist in ProfiFoto 1-2/17 nachzulesen.