Nachwuchs fördern und ihm eine erste Chance für die Zukunft geben, das ist der Hintergrund von Talents. Mit ihm schafft C/O Berlin einen kreativen Campus für junge internationale Gegenwartsfotografie und Kunstkritik und fördert mit der Ausstellungsreihe angehende Fotografen und Kritiker, die sich an der Schwelle zwischen Ausbildung und Beruf befinden.
Diesmal setzt C/O Berlin im Berliner Amerika Haus bis 25. September 2016 die Serie Talents unter dem Titel Method mit Arbeiten von Sasha Kurmaz und Texten von Svea Bräunert fort.
„I like mixing photography and public intervention,“ nimmt Sasha Kurmaz zu seiner Arbeit Stellung. Regeln aushebeln, Irritation erzeugen. Sichtbar machen, was im Alltag permanent untergeht, das ist sein Ding. Die nonkonformistischen Aktionen von Sasha Kurmaz finden immer im öffentlichen Raum statt und unterbrechen fast beiläufig die Monotonie vertrauter Wahrnehmungsweisen. Die fotografischen Situationen und illegalen Interventionen des ukrainischen Künstlers sind der Sand im Getriebe. Seine Haltung ist Guerilla oder Punk.
Sasha Kurmaz platziert seine Bilder bewusst und willkürlich zwischen die Seiten von Büchern in Buchhandlungen. Er bricht Werbe-Displays an öffentlichen Orten auf und ersetzt die ursprünglichen Plakate durch Bilder von Obdachlosen. An Metro-Ausgängen verteilt er an Passanten Zettel mit Fotografien, die den denselben Ort nur einen Tag vorher abbilden. Er steckt unbemerkt Fremden seine Abzüge in deren Jackentaschen. Er schneidet Teile aus Werbebannern, löscht somit jede kommerzielle Information und erzeugt einen neuen Kontext. Durch all diese erratischen Aktionen und Zweckentfremdungen verschiebt er seine fotografisch-künstlerische Praxis in Richtung sozialer Interaktion und persönlicher Begegnung. Der Betrachter bleibt unsicher, was das Ganze bedeuten soll – was genau hat das mit ihm zu tun? So wird er für einen kurzen Moment für seine Umgebung sensibilisiert – wie ein Stolpern, das erst den Akt des Gehens bewußt macht.
Bei all diesem Situationismus sind nicht das einzelne Bild und dessen Motiv wichtig, sondern deren Wirkung in einem spezifischen Kontext. Für Sasha Kurmaz ist es nicht der fertig gerahmte Print an der Ausstellungswand, welcher zählt, sondern die künstlerische Aktion selbst.
Sasha Kurmaz kommt aus der Grafitti-Kunst und verwendet Fotografie wie eine Sprühdose. Wenn jemand in einer Stadt seinen Tag auf eine Wand sprayt, wird diese Geste den Raum sofort symbolisch zerstören, erobern und ihn sich aneignen. Diese Logik im Verständnis des öffentlichen Raums, bei der man sich auf diesen einlässt und zwischen Menschen und Orten Beziehungen herstellt, lässt er auch in seine fotografische Praxis einfließen.
Für die von Ann-Christin Bertrand kuratierte Ausstellung bei C/O Berlin wird Sasha Kurmaz Aktionen und Interventionen nicht nur auf das gesamte Amerika Haus, sondern auch auf den öffentlichen Raum erweitern.
Sasha Kurmaz wurde 1986 in Kiew geboren, studierte an der Nationalen Akademie der Bildenden Künste und Architektur in Kiew und hat 2008 seinen Bachelor in Design gemacht. Er war an zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen und Festivals beteiligt. Sasha Kurmaz lebt und arbeitet in Kiew.
Svea Bräunert, geboren 1980, studierte Neuere deutsche Literatur, Kulturwissenschaft und Neuere/Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, der Washington University in St. Louis und der Cornell University, New York. Zurzeit ist sie Postdoktorandin am Brandenburgischen Zentrum für Medienwissenschaften und designierte DAAD Gastprofessorin an der University of Cincinnati. Bräuert lebt und arbeitet in Berlin.
Begleitet wird jede Talents Einzelausstellung von einer Publikation, in der Bild und Text einen Dialog eingehen. Talents ist ein internationaler Wettbewerb, der jährlich ausgeschrieben wird. Aus den eingereichten Bewerbungen wählt eine Fachjury jeweils vier Fotografen für einen Jahrgang aus.
Bild oben: Selbstporträt Sasha Kurmaz Bild rechts: ohne Titel Sasha Kurmaz