Am Sonntag, 3. Juli 2016 um 11:15 Uhr steht beim „Talk Fotografie“, einer Veranstaltung des Forums Internationale Photographie Mannheim, das Thema „Städte der Utopie“ mit Florian Merdes auf dem Programm. Im Museum Zeughaus in Mannheim stellt Florian Merdes in seinem fotografischen „Projekt Visitenkarte“ städtebauliche Konzepte zu Ludwigshafen am Rhein damals und heute gegenüber.
„Projekt Visitenkarte“, ein in den 60er Jahren angestoßenes städtebauliches Konzept, sollte die Entwicklung der einst gesichtslosen Arbeiterstadt Ludwigshafen am Rhein für die kommenden Jahrzehnte prägen. Durch den zweiten Weltkrieg schwer zerstört, sollte ganz im Geist der damaligen architektonischen und städtebaulichen Avantgarde, eine neue, moderne Idealstadt mit sichtbarer Identität entstehen. Die Diskrepanz zwischen den ambitionierten Plänen der Nachkriegszeit, dem Versuch, neue, „zukunftsoffene“ Heimat zu schaffen und der jetzigen Leere in der Stadt durch verwaiste Gebäude und Plätze ist groß. Heute wie gestern haftet Ludwigshafen etwas Unfertiges – ein Drängen und Warten auf die Zukunft an.
Die Fotoarbeit „Projekt Visitenkarte“ untersucht anhand von Archivmaterial und einer heutigen Bestandsaufnahme Verwirklichung und Verwerfung der städtebaulichen Pläne. Es wird der Versuch unternommen, die Identität, das Gesicht der Stadt, in einer neuen Visitenkarte greifbar zu machen und den „Geist der Utopie“, der spürbar über diesem Ort liegt, zu fassen. Heutzutage herrscht Leere in der Stadt.
Ernst Bloch konstatierte zu seiner Geburtsstadt: „Ludwigshafen als ein Ausdruck für die ‘Bahnhofhaftigkeit’ unseres modernen Lebens, für das ‘Nichtzuhause’ im ‘Noch-Nicht’.“
Florian Merdes stellt auch seine soeben neu entstandene Bildserie zu Astana, Hauptstadt Kasachstans, vor. Diese Stadt ist aus dem Nichts geboren. Zwischen Europa und Asien entsteht eine neue Idealstadt. Auch wenn im Moment etwa 800.000 Einwohner leben, ist die Stadt für drei oder vier Millionen Menschen für die kommenden 50 oder 100 Jahren konzipiert. Aber auch hier zeigt sich eine Leere angesichts der verwaisten Hochhäuser und Plätze ähnlich wie bei Ludwigshafen.
Der Beton der Hochhäuser bekommt jetzt schon sichtbare Risse, Marmorplatten fallen ab, die Prunkbauten sind bei näherer Betrachtung wohl viel zu schnell gebaut worden. Das Stadtbild ist in seiner Kahlheit Sinnbild des Rationalen, das heute oft als zu kalt und uniformierend wahrgenommen wird. Jenes Gefühl der Kälte wird durch die Leere der Stadt, den Leerraum als Raum des Denkbaren und Möglichen, des Unwirklichen, da Unstetigen, noch befördert. Astana, die Stadt in der nächstes Jahr die Expo stattfinden wird und die vom autokratischen Präsidenten Kasachstans als „Werkzeug zur Versöhnung der verschiedenen Ethnien des Landes“ benutzt wird, zeigt wie Architektur als sozialutopisches „Werkzeug“ instrumentalisiert wird.
Der Eintritt kostete 3 Euro
Moderation: Dr. Claude W. Sui und Stephanie Herrmann M.A.
Bild: © Florian Merdes