Am 9. März starb der Fotograf Gerhard Vormwald in seinem Studio in Paris. Viel zu früh, viel zu plötzlich. Ein visueller Freigeist und Künstler, wie es nicht viele gibt, ist von uns gegangen. Aber seine unzähligen Fotos, die jahrzehntelang auf Titelbildern europäischer Zeitungen seinen Stil spiegelten oder in berühmten Sammlungen von Galerien und Museen hängen, sind eine Metapher auf das Leben.
„Wo viel Licht ist, da ist auch viel Schatten“ – das war ein Spruch, den Gerhard Vormwald gerne sagte. Vor den Schatten hatte er keine Angst. Werden und Vergehen, Leben und Sterben war ein Thema, das ihm am Herzen lag. Gerhard Vormwald, geboren 1948 in Heidelberg, war 8 Jahre alt, als sein Vater starb. Friedhöfe jagten ihm keinen Schrecken ein, im Gegenteil. Die Stätten des Todes verarbeitete er in Fotografien, eine Ausstellung im Heidelberg Kunstverein zeigte seine zwischen 1971-1977 entstandenen Werke.
Schon früh war für Gerhard Vormwald klar, dass er seine Priorität im künstlerischen Bereich suchen wollte. Nach einer Offsetdruckerlehre hat er in Mannheim Kunst studiert, schon 1971 eröffnete er sein erstes Fotostudio in der Mannheimer Tullastrasse. Damals prägte sich sein ureigener Stil, seine typische Fotografenhandschrift. Das Studio in der Tullastrasse war aber auch ein Ort des Experimentierens und Sich-Findens einer Gruppe junger Leute, die die Welt der Fotografie verändern wollten. Wenn Gerhard Vormwald zur Tür herein kam, bekam er Aufmerksamkeit, er war schlaksig, jungenhaft, energiegeladen. Nie langweilig, immer neugierig.
1983 zog es ihn nach Paris, damals wie heute die „Stadt der Fotografie“. Er eröffnete ein Studio und siedelte mit seiner Familie nach Frankreich um. Er stellte sich den Herausforderungen als freier Fotograf, den Anforderungen eines knallharten Konkurrenzkampfes und konnte sich durchsetzen, weil er gut war und Dinge machte, die dort niemand machte. Gerhard Vormwald war ein Fotograf, der die Perspektive auf die Welt wendete. Der uns die Welt auf den Kopf stellen konnte und unsere eingeschliffenen Sehgewohnheiten bewusst verwirrte. Fotografie als bloßes Abbild der Realität hat ihn nicht interessiert. Er war ein Meister der Inszenierung, nicht nur in seinen Fotos, auch in seinen Collagen, Assemblagen und Zeichnungen. Mit untrüglichem Gespür hat er erkannt, dass darin ein neuer Ausgangspunkt für die Fotografie liegt. Er hatte die Fähigkeit, sich seine Bildvorstellungen zu erdenken, Bildwelten zu imaginieren und sie dann fotografisch umzusetzen.
Unzählige Werbe- und Modefotografien, mehr als 100 Titelfotos für den Stern, Hunderte von herausragenden redaktionellen Fotos entstanden in seinem Pariser Studio. Alle waren eigenwillig, surreal, unkonventionell, unverkennbar Vormwald. Er brannte für seine Ideen, nichts war ihm zu kompliziert. Auf vielen Bildern hat er Menschen zum Fliegen gebracht, Gegenstände zum Schweben. Er ließ Wasser und Wein in entgegengesetzte Richtung zur Erdanziehung fließen, aber nicht als Labortrick oder nachträglich im Computer montierte Arbeit. Was auf seinen Bildern zu sehen ist, das befand sich genau so vorher vor der Kamera. Es waren von ihm erdachte Welten, gebaut und konstruiert, oft mit großem Mitarbeiterteam, zu dem Stylisten, Make-Up-Artists ebenso gehörten wie Fachleute, die einen Raum aufbauen konnten. Die Kunsthalle Mannheim hat ihm 2001 eine große Ausstellung gewidmet, Werke von Vormwald befinden sich Sammlungen des Museum Ludwig, im Rheinischen Landesmuseum Bonn, im Pariser Centre Pompidou, in Lausanne und Amsterdam oder im Kodak Eastman House in Rochester. Nach langen Jahren selbständiger Arbeit wurde Gerhard Vormwald Lehrer, 1999 Professor für Fotografie an der Fachhochschule Düsseldorf, 2011 wurde er an die Deutsche Fotografische Akademie berufen. Wir hätten uns gewünscht, dass ihm noch viel Zeit bleibt für neue Bilder, neue Erkenntnisse, neue Experimente. Er wird uns furchtbar fehlen.
Text: Elke Werry
Bild: Vormwald, privat