Als Karriereeinstieg in die Fotografie wählen viele Nachwuchsfotografen die Ausbildung oder das Studium, aber dank unzähliger Online-Tutorials, privater Workshop-Anbieter und Assistenz-Möglichkeiten behaupten sich auch zahlreiche Autodidakten auf dem Markt. Was empfehlen Sie?
1. Welche fotografische Ausbildung haben Sie?
2. Würden Sie Schulabgängern heute den gleichen Weg empfehlen?
3. Was haben Sie in Ihrem Ausbildungsweg vermisst und was ist bis heute wichtig für Sie?
4. Kann man Anbetracht einer immer größer werdenden Konkurrenz und sinkender Einnahme-Quellen überhaupt noch den Beruf Fotograf empfehlen?
Natalya Reznik, Fotografin und Autorin, natalyareznik.com
1.
Ich habe Design in Perm (Russland) studiert und dann meine Doktorarbeit in Philosophie der Kultur in Sankt Petersburg abgeschlossen. Während meines Design-Studiums habe ich sowohl vieles über formale Komposition, Farbe und Bildgestaltung gelernt als auch Fotografie-Kurse gehabt und in der Dunkelkammer gearbeitet. Damals gab es noch keine Digitalkameras. Seit dem bin ich als Fotografin tätig – meistens im Kunstbereich, aber auch als Auftragsfotografin. Mein Design-Studium ermöglicht es mir, gestalterisch mit Fotografie effektiv zu arbeiten und meine Erfahrung beim Schreiben über Kunst und Philosophie gibt mir zusätzlich die Möglichkeit, konzeptionell zu denken, was heutzutage für Fotoprojekte sehr wichtig ist. Ich habe auch an zahlreichen Fotografie-Workshops teilgenommen, in denen weltbekannte Fotografen unterrichtet haben (zum Beispiel an der Nikon-NOOR Academy in Berlin) und ich habe an der privaten Schule der Fotografie Fotodepartment in Sankt Petersburg studiert. 2020 habe ich mein Meisterstudium bei Ute Mahler und Ingo Taubhorn an der Ostkreuzschule in Berlin absolviert.
2.
Das hängt davon ab, in welchem Bereich man sich spezialisieren will. Mein Weg wäre wohl für die künstlerische Fotografie bzw Lens-based Art zu empfehlen. Vielleicht sind einige Bereiche für den Einstieg einfacher – zum Beispiel Familienfotografie und/oder Hochzeitfotografie, weil man erste Kunden sofort aus dem Bekanntenkreis bekommt. Ob eine professionelle Ausbildung oder ein Studium nötig sind kann ich nicht sagen. Ich kenne Leute mit einer abgeschlossenen fotografischen Ausbildung, die überhaupt nicht fotografieren können und Autodidakten, die sehr talentiert und hochprofessionell sind. In Russland fehlt es zum Beispiel noch immer an einem zeitgenössischen Studium für Fotografen auf Universitäts-Niveau, aber es gibt viele talentierte Fotografen, die als Autodidakten arbeiten und die Ausstellungen auf der ganzen Welt haben.
3.
Mir fehlt manchmal technisches Wissen (mit Studio-Ausrüstung habe ich nur eingeschränkte Erfahrung), aber wenn ich etwas brauche, gehe ich zu einem privaten Workshop von einem Fotografen und lerne es dort.
4.
Klar, mit der Fotografie Geld zu verdienen ist heutzutage sehr schwer. Aber die professionelle Fotografie ist wie eine Pyramide: Auf der unteren Ebene befindet sich der Großteil der Fotografen – darunter auch Newcomer, die gerade erst ihre erste Kamera gekauft haben, sogenannte Wannabe-Fotografen (aber waren wir nicht einmal alle so?). Dann gibt es nicht mehr ganz so vielemittelständische Fotografen und dann – ganz oben – nur noch sehr wenige und unter ihnen gibt es auch kaum Konkurrenz. Sie haben es geschafft, aus ihrem Namen und ihrem Stil eine Marke zu machen. Und genau danach müssen wir streben – dort ist dieser Beruf gefragt, egal in welcher Branche – sei es die Hochzeit-, die Mode oder die künstlerische Fotografie. Auf anderen Ebenen wird es ein Kampf ums Überleben bleiben.
Jens Erbeck, Fotograf, jenserbeck.de
1.
Ich habe Fotodesign an der FH Dortmund mit dem Abschluss Dipl. (FH) studiert. Heute wäre das der Master.
2.
Uneingeschränkt ja – mit Master-Abschluß, denn es lässt einem Zeit, sich und seinen Weg zu finden. Weiß man jedoch von Beginn an, dass man in die Mode, Journalist oder Künstler werden möchte, gibt es auch andere, direkte Wege. Arbeitet man später an komplexeren Werbeprojekten, hilft eine Grundausbildung in Kunstgeschichte, Grafik und Konzeption erheblich. Inzwischen übernehmen die Fotografen immer mehr Aufgaben, die früher eine Agentur ausgeführt hat. Hier muss man inhaltlich auf Augenhöhe mit Kreativen und Geschäftsführern diskutieren. Wenn man es nicht im Blut hat, wird das als Autodidakt vielleicht schwierig. Ich habe es im Studium gelernt.
3.
Ich vermisse nichts. Technisch, digital und Theorie – 5 Sterne. In den 90ern hieß das Fotodesign-Studium auch Visuelle Kommunikation. Ein passender Begriff für die heutigen Aufgaben des Fotografen.
4.
Die Behauptung in der Frage sehe ich komplett anders. Vergleichen wir die Fotografie mit Restaurants. Nur weil es immer mehr Dönerbuden gibt, hat mein kleines, feines, italienisches Restaurant nicht mehr Konkurrenz. Leute, die schnell für 2 Euro satt werden möchten, kommen eh nicht zu mir um Nudeln für 16 Euro zu essen. Trotzdem werden die Einnahmen, die ich mit Nudeln erziele, immer weniger. Da muss ich dann auch mal vegan oder Internationales kochen oder auf Erlebnisgastronomie umstellen. Vielleicht auch Catering. Über den Tellerrand hinaus etwas anbieten. Ja, das reine Werbestudio mit exaktem Handwerk ist tot. Der kreative Fotograf, der als Persönlichkeit seinen Weg geht, arbeitet nach wie vor. Das waren und sind jedoch wenige. Auch Fotografen, die mehr als nur reine Fotografie anbieten, sind erfolgreich. Es hilft, sich mit Partnern zusammenzuschließen und komplette Pakete mit unterschiedlichen Dienstleistungen von Webseiten über Filme, 3D bis Layout und das vor allem international anzubieten. Das hilft einem dann auch mal durch ein Auftragstief (Corona). Als Fotograf kann man auf der ganzen Welt arbeiten. Wenn nicht hier, dann vielleicht in Finnland, der Schweiz oder den USA.
Und ja, ich empfehle diesen Beruf mit unfassbar flexiblen, uneingeschränkten Möglichkeiten. Man kann gut davon leben. Millionär wird man aber nicht mehr. Und: liefert man Mittelmaß oder Austauschbares, wird man früher oder später durchs Raster fallen. Am Ende entscheidet der Wille und das Engagement. Tägliche Evolution halt. Versucht man nur den Status Quo zu halten, ist man bereits pleite – aber das ist in jedem anderen Business auch so.
Anna Logue, Fotografin, annalogue.de
1.
Zur Fotografie bin ich als Quereinsteigerin gekommen und arbeite heute in den Bereichen Werbung und Editorial. Technik und Kunst haben mich begeistert, aber ich habe mich nach der Schule zu einem Studium der Soziologie und Ethnologie entschlossen. Nebenher habe ich als
Fotomodell gearbeitet und konnte mit vielen Fotografen arbeiten. So hatte ich über Jahre Einblick in ganz unterschiedliche Arbeitsweisen. Als Fotografin habe ich zunächst im Nebenerwerb und nach dem Ende des Studiums in Vollzeit gearbeitet. Vom Typ her war ich schon immer autodidaktisch und habe mir gerne selbst Fähigkeiten angeeignet. Ich wollte frei meinen eigenen Stil entwickeln.
Im Nachhinein bin ich sehr dankbar über mein sozialwissenschaftliches Studium: Ich kann meine freien Arbeiten konzeptionell einbetten und für meine Kunden Kampagnen zielgruppengerecht erarbeiten. Visuelle Medien kamen in meinem Studium als Forschungsmethode vor: Fragen zu subjektiver Bildwirkung, Nutzung und Kontext von visuellem Material, Bildethik, kulturelle Unterschiede in der Rezeption von Bildern. Durch meinen sehr breit aufgestellten Background bin ich nicht „nur Handwerker“, sondern kann Themen mit einem ganz anderen Blick angehen.
2.
Schulabgängern würde ich empfehlen, im Vorfeld herauszufinden, welche fotografischen Themen sie interessieren und welche Art der Arbeitsorganisation ihnen liegt: Fühle ich mich in einem Porträtstudio mit festen Arbeitszeiten wohl, will ich ein Team bei Werbeproduktionen leiten oder möchte ich flexibel journalistisch/künstlerisch arbeiten? Es geht nicht nur um die Technik: Nicht jeder kann gut mit Menschen umgehen. Manche Fotografen sind brillante Künstler, scheitern aber an Selbstvermarktung und unternehmerischem Denken. Praktikumsplätze sind oft schwer zu finden, aber sie sind ein wichtiger Schritt bevor man sich festlegt. Außerdem ist es eine gute Idee, sich privat mit Gleichgesinnten zusammen zu tun, um in freien Projekten verschiedene Richtungen auszuprobieren.
3.
In meinem Ausbildungsweg hat mir der Bereich BWL/Buchhaltung gefehlt. Das habe ich mir
erst spät mit Hilfe von Steuerberatung und mit Kursen im Gründerinnenzentrum angeeignet.
Hätte ich früher meine Zahlen besser im Blick gehabt, hätte ich bessere unternehmerische
Entscheidungen treffen können.
4.
Den Beruf Fotograf kann ich auf jeden Fall empfehlen! Vielleicht nicht als „Allrounder“, sondern auf bestimmte Themen spezialisiert mit einer klaren fotografischen Handschrift. Wenn sich die Zeiten ändern, kann man noch andere visuelle Bereiche dazunehmen, wie CGI, Film, Social Media, etc. Wir haben heute historisch betrachtet mehr Bilder denn je und es braucht Profis, die ihr Handwerk verstehen.
Heinrich Mehring, Fotograf, mehringfotografie.de
1.
Mit 10 erste Kamera, mit 12 erste Dunkelkammer, daraus folgend intensive Beschäftigung mit dem Medium über Zeitschriften und Bücher. Abitur, verschiedenen Studiengänge, nichts abgeschlossen. Mit 22 neues Berufsziel Fotograf, gemerkt: Bisherige Kenntnisse reichen nicht – also Bayerische Staatslehranstalt für Fotografie, parallel Assistenz und Labor bei Klaus Hager (BFF). Anschließend gelernt, dass Selbständigkeit für mich nicht funktioniert: Rechnungsschreibschwäche. Dann Anstellung bei einem forschenden und entwickelnden Unternehmen der Großindustrie. Viel völlig neues gelernt. 1972 Meisterkurs in Köln, 1974 Meisterprüfung. Verschiedene Seminare und Kurse.
2.
Jein. Abitur oder gleichwertiger Abschluss auf jeden Fall, Englisch unerlässlich, weitere Fremdsprache nützlicher, als man glaubt. Ich würde abraten von einem zu geraden Weg in die Fotografie. Alle meine Umwege und Beschäftigungen mit Themen, die überhaupt nicht mit Fotografie zu tun hatten, haben mir vielfältige Möglichkeiten und Fähigkeiten eröffnet und vor allem die Bereitschaft geweckt, mich auf andere Denkweisen und jedes Problem einzulassen – überaus hilfreich in der Kommunikation mit unterschiedlichen Kunden. Eher formale Dinge wie die Meisterprüfung – in den 1970er Jahren noch ein Thema – würde ich heute nicht mehr machen. Eine Ausbildungsstätte wie die Bayerische Staatslehranstalt für Fotografie gibt es nach meinem Kenntnisstand nicht mehr. Schade – wer die mit Erfolg hinter sich gebracht hatte, war auf jeden Fall in der Lage, auf handwerklich und gestalterisch hohem Niveau zu arbeiten. Bei vielen Arbeiten, die ich von Hochschulabsolventen in meiner Zeit als Bildredakteur gesehen habe, war das nicht der Fall. Zuviele denken und wollen, setzen es aber nicht in überzeugende Bilder um.
3.
• Das, was den Kreativen zunächst überhaupt nicht interessiert: Wirtschaft und Finanzen (als Selbständiger ist man Unternehmer, auch wenn’s nicht gefällt)
• Rhetorik (man muss einfach einen geraden Satz formulieren können und zwar mit verständlicher Aussprache)
• Verhandlungstaktik (die Einkäufer können das meist ziemlich perfekt und über den Tisch gezogen ist man schnell)
• Die Vermittlung der Erkenntnis, dass man nie ausgelernt hat und dass Fehler oder auch Scheitern Lernanlässe sind und kein Grund zum Jammern.
4.
Ich glaube, wenn man jemanden diesen Beruf empfehlen muss, ist er ohnehin nicht der richtige dafür. Mir hat sich auch als Ausbilder immer wieder eher die Frage gestellt, wie halte ich jemanden davon ab, Fotograf zu werden, vor allem dann, wenn ich gemerkt habe, dass es so ein Modewunsch („Irgendwas mit Medien“) war. Meine eigene Erfahrung und das, was ich von jüngeren Kollegen und meinen unterschiedlich erfolgreichen Auszubildenden erfahren habe, ist: Man braucht Biss, Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz in einem Grad, (Vorsicht: alter, weißer Mann) der in der aktuellen Spaßgesellschaft eher selten vorhanden ist. Nein, lasst es, wenn ihr nicht zu leiden bereit seid. Fotografie ist auch ein sehr ausfüllendes Hobby und da kann man Großes leisten und berühmt werden.
Alexandra Klapperich, Künstlerin, Fotografin und Mediengestalterin, alexandra-klapperich.photos
1.
Ich habe an der Fotoakademie-Koeln studiert. Die Lehre dort dauert zweieinhalb Jahre: vier Semester Grundausbildung sowie die anschließende Diplomarbeit und Mappenausarbeitung. In den ersten Semestern lernt man Lichtgestaltung, Studiotechnik und Farbmanagement. Danach folgt das Studium der Bildkomposition, der Akzentsetzung und der „Blickrichtung im Bild!. Das Spannendste sind jedoch die unterschiedlichsten „Jobs“ in den Semestern. Am besten gefielen mir die freien Aufträge, aber auch die Reportage. Man lernt wie ein Fotograf zu denken. Hier geht es darum, „wie“ man etwas erzählen kann, also ein Thema ins Bild übersetzt und sich als Fotograf ausdrückt. „Wie visualisiere ich Kundenwünsche?“ ist zum Beispiel eine andere Frage.
2.
Obwohldie Fotoakademie-Koeln keine akkreditierte Hochschule ist, finde ich, dass dies die beste Ausbildung ist, die ich persönlich machen durfte. Nur bedingt kann ich diese Ausbildung Schulabgängern empfehlen. Durch die doch recht (emotional) intensive Zeit dort, aber auch aufgrund des hohen Arbeits- und Organisationsaufwand, würde ich sagen, dass es meist besser ist, wenn man bereits etwas älter ist. Dies hängt aber auch wiederum von der eigenen Persönlichkeit ab, kann also nicht pauschalisiert werden. Man studiert dort halt nicht einfach nebenher Fotografie, auch wenn auf der Website „nebenberuflich“ steht. Zudem ist es natürlich förderlich, wenn man Lebenserfahrung mitbringt, da man dann schlichtweg mehr zu erzählen hat.
3.
Nichts habe ich vermisst. Ich habe „viel mehr bekommen“, als ich jemals erwartet hätte. Ich habe mich dort nicht bloß „als Fotografin gefunden“, sondern vielmehr als Mensch. Dies reicht bis in die Gegenwart hinein.
4.
So ganz ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, kann ich diesen Beruf nicht empfehlen. Es ist für mich auch mehr eine Berufung als ein Beruf. Ausschließlich auf die Fotografie als Annahmequelle zu setzen, erachte ich als schwierig. Man kann „grob gesagt“ zwischen künstlerischen und Auftragsarbeiten unterscheiden. Und je nachdem in welche Richtung man tendiert, ist es natürlich mal schwerer und mal leichter als Fotograf zu arbeiten. Insgesamt würde ich jedoch sagen, dass es hier wie bei allen nicht geschützten Berufsbezeichnungen ist: Der Erfolg hängt ausschließlich vom eigenen Engagement und der intrinsischen Motivation ab.
Und selbstverständlich auch etwas vom Glück.
Patrick Lambertz, Fotograf, patricklambertz.com
1.
Ich habe mit 14 begonnen zu fotografieren, was unter anderem darin wurzelte, dass mein Vater in den 70ern Mitbegründer von Audiophil, einem Fotofachgeschäft in Aachen war. Ich bin aufgewachsen inmitten von Kameras und dem Thema Fotografie. So kam es, dass ich schon früh eine Leidenschaft fürs Bildermachen entwickelte und das Fotografieren zunächst autodidaktisch lernte. Ich habe damals schon Ausstellungen gemacht und ein paar Auszeichnungen bekommen. Anfang der 90er zog es mich nach Berlin, wo ich zur Vorbereitung auf ein angestrebtes Filmstudium ein einjähriges Praktikum beim Geyer Filmkopierwerk machte. So lernte ich den analogen fotografischen Prozess noch einmal von der Pike auf. Künstlerisch beeinflussten mich u.a. die damals aufstrebenden Becher-Schüler und Wim Wenders als fotografierender und philosophischer Filmemacher, bei dem ich dann ein paar Jahre in Kreuzberg arbeitete. Das Filmstudium an der Filmuniversität in Potsdam rundete die Ausbildung dann kunsthistorisch ab.
2.
Mein Weg ist sehr persönlich und einerseits von der Leidenschaft und dem Schaffensdrang geprägt, aber andererseits auch von dem Drang nach Unabhängigkeit. Ich habe immer vermieden kommerziell von der Fotografie abhängig zu sein. Die Vorstellung Fotos machen zu müssen, um damit meine Miete zu bezahlen, schien mir mein Verhältnis zur Fotografie zu entzaubern. Und jetzt, wo ich das schreibe, merke ich, dass «Zauber» das richtige Wort für das ist, was mich mit der Fotografie verbindet: Ich empfinde das Bildermachen noch immer als magisch. Der professionelle Weg zum Fotografen/Künstler über eine Ausbildung hat seine Berechtigung, hilft sie den Einstieg in den Beruf zu finden. Ich denke allerdings, dass heute eine Karriere nicht mehr direkt von A über B nach C führt. Viel wichtiger scheint es mir Lebenserfahrung zu sammeln, damit man etwas zu erzählen hat. Mit dem heutigen Equipment ist es auch viel einfacher geworden hochwertige Bilder herzustellen. Man kann nicht mehr wirklich mit technischem Know-How punkten, wie damals, als man mit dem Wissen über Cross- oder Push-Entwicklung visuell hervorstechen konnte. Heute hat man mit einem Klick alle erdenklichen visuellen Presets an der Hand.
3.
Im fotografischen Bereich war meine Ausbildung größtenteils selbst zusammengestellt. Insofern würde ich sie sogar als hocheffizient bezeichnen, weil direkt an meinen Bedürfnissen orientiert und gleich in die Praxis umgesetzt. Ich glaube nicht, dass ich hier fachlich etwas verpasst habe. Und man findet heute hervorragende Tutorials auf Youtube, wenn man etwas Neues dazulernen möchte. Bei meinem Weg in die professionelle Fotografie hat eher das Netzwerken gefehlt. Eine Ausbildung hat sicher den Vorteil, je nach Engagement und Vernetzung der Professoren, direkte Kontakte zu Museen, Redakteuren, Sammlern, Kuratoren usw. aufzubauen. Da ist der Weg, den ich gegangen bin, vermutlich mühsamer. Aber auch ein Studium garantiert ja keinen Erfolg.
4.
Ich liebe die Fotografie und würde jedem, der diese Leidenschaft teilt und einen langen Atem mitbringt, empfehlen, sich ernsthaft mit ihr zu befassen. Ich erziele mit meinen Arbeiten inzwischen hohe Preise, aber es war ein langer Weg dorthin. Letztendlich ist es in der Fotografie wie in anderen kreativen Bereichen: Sehr viele streben dem Idealbild des Fotografen nach und es gibt nur begrenzten Platz. Man muss sich auf jeden Fall auf harten Wettbewerb einstellen. Andererseits eröffnen Plattformen wie Youtube und Instagram völlig neue Wege, um erfolgreich zu werden. Allerdings braucht man dazu dann schon die Eigenschaften eines Straßenmusikanten, der sechs Instrumente gleichzeitig spielt, und dazu noch entertaint, um hier die unabdingbare Reichweite zu erzielen. Hier gibt es großartige Beispiele wie Peter McKinnon oder Thomas Heaton, die ich sehr für ihre Arbeit schätze.
Claudia Masur, Fotografin und Leaderin Female Photoclub Ost, claudiamasur.com
1.
Begonnen habe ich meinen Werdegang als Fotografin mit einer Ausbildung in einem kleinen Porträtstudio. Die Bedingungen waren aus heutiger Sicht übel. Nicht nur war die Bezahlung von damals 400 Mark im ersten Lehrjahr unterirdisch und ich wäre ohne eine zusätzliche Ausbildungsbeihilfe niemals über die Runden gekommen – die gesamte Ausbildung war eher ein Ausnutzen einer billigen Arbeitskraft. Mein Chef, der das Studio ausschließlich mit Auszubildenden führte, überließ uns im Grunde den ganzen Tag selbst. Damals konnte ich mit Stolz behauten, dass ich mir alles, was ich konnte, selbst beigebracht hatte. Um Fotograf zu werden, braucht es ein hohes Maß an Willen und den hatte ich sehr schnell entwickelt. Mir war klar, dass ich bei dem Ausbilder nichts lernen konnte, ich aber viele Möglichkeiten hatte, alles auszuprobieren, was mich interessierte. So nutzte ich das Studio oft in meiner Freizeit und fotografierte, wer gerade Lust und Zeit hatte. Ich las viele Fachmagazine wie die ProfiFoto und Bücher, um auch mal eine so tolle Fotografin zu sein wie die Arbeiten, von denen ich mich ständig inspirieren ließ. Zu den Highlights meiner Ausbildung gehörten meine Fototechniklehrer, von denen ich viel mit auf den Weg bekommen habe. Und die mir immer gesagt haben, wenn du was werden willst in der Fotografie, dann musst du gut hingucken und härter arbeiten als alle anderen. Das tat ich. So hatte ich nach meiner Ausbildung das Glück, mir aussuchen zu können, wo ich weiterarbeiten wollte. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits viele aus meiner Berufsschulklasse aus dem Job ausgestiegen, weil ihnen die Motivation ausgegangen war. Ich jedoch wollte mehr lernen und mehr wissen über einen Job, der für mich wurde wie die Luft zum Atmen und entschied mich für ein Studium an der FH Dortmund.
2.
Mit dem, was ich als Erfahrung schon bei Frage 1 beantwortet habe, kann sich jeder sein eigenes Bild machen, ob es das ist, wie man in den Job einsteigen möchte. Für jemanden, der erst einmal eine solide Basis erhalten möchte, ist eine Ausbildung sicherlich zu empfehlen und bietet ein gutes Grundwissen – WENN man denn einen guten Ausbilder hat. Ebenso verhält sich allein das kunsthistorische Wissen im Studium. Allein dieses Know-how ist ein wichtiges Fundament, um Neues zu entwickeln und sich von alten Meistern inspirieren zu lassen. All das wird durch eine reine Assistenztätigkeit und Internet/Social Media wohl nicht zu erreichen sein.
3.
Das Studium brachte mir aus heutiger Sicht den Titel der Diplom-Designerin ein und damit alles, was ich wollte. Es gab Dozenten, bei denen ich einiges mitgenommen habe und meinen Blick weiter professionalisieren konnte, und es gab Dozenten, mit denen ich immer wieder aneckte, weil ich mich nie als „Künstlerin“ gesehen habe, sondern immer als kreativer Ideenumsetzer – als Macherin. Ich hätte in der Zeit gerne auch assistiert, aber ich habe immer wieder zu hören bekommen „Du bist eine Frau und dann habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn du meine Taschen tragen musst während ich mit dem Kunden einen Kaffee trinken gehe.“ Auch das „Netzwerk“, das ich mir durch das Studium erwünscht habee, kam erst viele viele Jahre später durch alte Bekannte. Ich hätte mir einen größeren Bezug zur Realität im Studium gewünscht, reelle Aufträge, Ausschreibungen, wie man Kunden gewinnt, wie man Preise gestaltet und wie man sich auf dem Markt positioniert und behauptet. Es hat mich viel Leergeld und viele Jahre gekostet, um mir all dieses Wissen selbst zu erarbeiten.
4.
Mit dem Wissen, das ich heute habe, und den Möglichkeiten, die es heute gibt, würde ich mir gut überlegen, den Beruf aufzugreifen. Es ist ein ständiger Kampf und ein Beweisen. Eine Pause gibt es eigentlich nicht. Die Fotografie ist auch heute noch nach mehr als 20 Jahren mein absoluter Traumberuf, aber er brachte auch viele Entbehrungen. Heute würde ich dem Nachwuchs raten, bei den „richtigen“ Fotografen anzuklopfen und ihnen über die Schulter zu gucken. Sich Netzwerken anzuschließen wie zum Beispiel dem Female Photo Clubund sich in einer Gruppe von Gleichgesinnter auszutauschen. Und auf jeden Fall zu gucken, was die Kollegen im Ausland machen und viele Sprachen zu lernen!
Die Ausbildungen und insbesondere die Studiengänge müssen mehr mit der Realität zu tun haben. Es kann nicht sein, dass man jahrelang studiert und sich dann fragt, wie man Anfragen, Rechnungen, Angebote und Steuerangelegenheiten klärt. Denn neben der ganzen Kreativität und dem Spaß wollen und müssen wir am Ende mit der Fotografie auch Geld verdienen und davon leben. Mit einem guten Paket an Wissen, Arbeitsstruktur statt kreativem Chaos und einer großen Portion an Disziplin und Durchhaltevermögen kann man aber auch heute noch den Fotografen-Job empfehlen. Der Beruf war immer im Wandel und mit der nötigen Flexibilität und Voraussicht, Visionen und Plänen und vor allem Struktur wird man immer der Konkurrenz eine Nasenlänge davonlaufen. Diesen Beruf wählt niemand um Millionär zu werden und dennoch ist er unser Leben und erfüllt uns. Das ist oft mehr wert.