Auf jedes Jahresende folgt ein Jahresanfang und wir blicken zurück auf ein Jahr voller Ereignisse und Bilder. Die Pandemie hat die Digitalisierung weiter beschleunigt und obwohl oder weil manche Fotografinnen und Fotografen weniger Aufträge hatten, sind im vergangenen Jahr viele spannende Bilder und Fotoprojekte von Fotografen realisiert worden. Bilder, die von gesellschaftlichen Themen motiviert sind. Geschichten, die sich emotional oder autobiografisch mit dem Zeitgeschehen beschäftigen. Und eine weiterhin steigende Anzahl an Bildern, die uns in den sozialen Medien, wie zum Beispiel in den Instagram-Stories, von den persönlichen Momenten und Orten der Bildautorinnen und Autoren berichten. Sie haben uns durch diese Zeit begleitet und inspiriert.
„Ein Bild ist dann vollständig, wenn es angesehen wird“, sagte Paolo Pellegrin, der italienische Fotograf. Damit meinte er nicht nur das Betrachten eines Bildes, sondern die Auseinandersetzung mit seiner Aussage und seiner Komposition. Ich würde hinzufügen, dass das Bild hinter dem Bild interessant ist.
Für viele Medien und Fotografen waren Themen wie „Sex, Drugs & Rock’n’roll“ lange Zeit ein bewährtes Rezept für die Bildkomposition und die Sujetwahl. Die Cover der Magazine waren voll mit halbnackten Frauen in seltsamen Posen. Das hat sich geändert. Die Geschichten hinter den Bildern haben viel mit den gegenwärtigen Trends und Themen zu tun, die sich in der Gesellschaft abbilden und über die in den Medien berichtet wird. Auch ein Grund, warum das alte Schema nicht mehr funktioniert. Themen wie Gender, Diversity
oder Klimawandel fordern eine andere Haltung und andere Konzepte der Bildautoren, Bildredakteure und Kreativdirektoren.
Was ist ein gutes Bild und was ist ein wertvolles Bild? Die Diskussionen über Bilder sind zahlreich. In Ausbildungen für Fotografen sind Bildbesprechungen ein zentrales Element. Dabei wird oft kontrovers diskutiert, ob das Bild oder die Serie „gut“ ist. Nicht selten wird dabei der Kontext, das Briefing oder das Ziel des Bildes zu wenig ins Blickfeld genommen. Aus meiner Sicht ein wesentlicher Faktor in der Bewertung eines Bildes im angewandten Bereich.
Fotografie wird oft nur als Dekoration gesehen. Dabei können starke Visuals ein Thema nicht nur begleiten, sondern prägen. Denn sie vermitteln neben den Fakten Atmosphäre und Stimmung des Themas, die mit Worten nur umständlich erzeugt werden können. In Printpublikationen werden für einen Artikel mehrere Bilder eingesetzt, in Online-Medien wird eine Meldung oft mit nur einem Bild versehen. Hier muss das Bild die Geschichte transportieren und ist in der Bildkomposition und der Bildsprache anders angelegt. Sie sind kontextbezogen. Bei journalistischen Bildern ist es wichtig, die Informationen mitzulesen und dementsprechend einzuordnen. In der Werbung verhält es sich etwas anders. Eine Caption, die das Bild erklärt, wäre kontraproduktiv, denn in der Werbung kommt es mehr auf die Kraft des einzelnen Visuals an. Es muss den Betrachter emotional erreichen und Fantasie, Appetit, Humor und letztlich den „haben wollen“ oder sonst gewünschten Impuls triggern. Diese Visuals sollen die Kraft der positiven Manipulation erzeugen und sind in der Produktion aufwändig angelegt und inszeniert. Die Rezeptur von Casting, Styling, Location und Requisiten entscheidet über Qualität und Aussage.
Eins ist sicher, die Bewertung von Bildern kann nicht ohne ihre wirtschaftliche Kontextualisierung erfolgen. Denn nur auf der emotionalen Ebene bleiben wir bei den subjektiven Kriterien der Bildsprache. Der Wert des Bildes und die Qualität hängt einerseits von objektiven Regeln, wie Bildkomposition, Handwerk und Technik ab. Wie beispielsweise die hartnäckige Weisheit „Vordergrund macht Bild gesund“. Andererseits von der Aufgabenstellung und dem Thema, welche zur Produktion des Bildes geführt haben.
Wie machtvoll ihr Bild wirklich ist, können Fotografen sich bewusst machen, wenn sie den Impact ermitteln, den ihr Bild für die Ziele ihrer Auftraggeber hat. Was kann das Unternehmen, das Magazin oder die Agentur mit Ihren Bildern erreichen?
Wie Kristian Schuller auf der Photopia in Hamburg sagte, „schwarzweiß ist die Rettung, um Ruhe und Klarheit reinzubringen“. Ich wünsche Ihnen eine kraftvolle Zeit mit Ruhe und Klarheit und inspirierenden Bildern im kommenden Jahr.
Und welche Sprache sprechen Ihre Bilder?
Silke Güldner coacht Fotografinnen und Fotografen dabei, ihr Potenzial und ihre Kompetenz im Foto-Business zu entwickeln, zu präsentieren und zu verkaufen.