Freelens und der Female Photoclub haben vier der fünf aktuell im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien zu ihren Vorhaben im Zusammenhang mit Themen befragt, die für Kreative, Künstler, Freiberufler und somit auch für Fotografen von Bedeutung sind. Hier die wichtigsten Aussagen zu Fragen der sozialen Absicherung Kreativer in der Zusammenfassung.
Freelens und der Female Photoclub haben acht Fragen an CDU, SPD, Grüne, Linke und die FDP gestellt, unter anderem zum für viele Fotografen wichtigsten Thema: den Schwächen und Lücken im sozialen System, die durch Corona für viele schmerzhaft deutlich wurden. Keine oder nur eine unzureichende soziale und wirtschaftliche Absicherung brachte viele Kultur- und Medienschaffende an den Rand ihrer Existenz.
Aufgrund dieser Erfahrungen steht für sie vor allem die Frage im Fokus, was die Parteien in dieser Hinsicht zukünftig besser regeln wollen.
Kreative in der Krise
Um Kreative in dieser und künftigen Krisen besser als bisher unterstützen zu können, schlagen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Unternehmerlohn in Höhe der Pfändungsfreigrenze (ca. 1.200 Euro) plus eine Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge – ein sogenanntes Existenzgeld vor. Außerdem wollen die GRÜNEN Mindesthonorare für Selbstständige und einen leichteren Zugang zu den Versicherungssystemen.
Auch die CDU/CSU gibt an, dass die soziale Absicherung von Künstlern ihr sehr wichtig ist. Die Union will deshalb die Künstlersozialversicherung stärken und Künstler und Kreative besser absichern, indem sie den Schutz in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bei selbstständiger nicht-künstlerischer Nebentätigkeit dauerhaft ausbauen will. Zudem soll geprüft werden, wie die Arbeitslosenversicherung für Beschäftigte in der Kulturbranche weiterentwickelt werden kann.
Verbesserungsbedarf bei Wirtschaftshilfen und Hilfen für Selbstständige sieht auch die FDP.
Ihr Vorschlag setzt für Krisenfälle auf eine negative Gewinnsteuer, bei der Verluste aus dem aktuellen Jahr mit Gewinnen der Vorjahre verrechnet werden können. Kreative und nichttechnische Innovationen sollen nach Willen der FDP zukünftig durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert werden.
Ein grundlegendes Umdenken in Bezug auf unsere Sozialsysteme fordert dagegen DIE LINKE, die grundsätzliche alle – also auch Freiberufler – in die gesetzlichen Sozialsicherungssysteme (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) einbeziehen will. Unabhängig davon will sie die Künstlersozialversicherung erhalten und stärken, für weitere Berufsgruppen öffnen und die Verdienstobergrenze für nicht-künstlerische oder publizistische Tätigkeiten dauerhaft anheben. Um einen niedrigen KSK-Abgabesatz zu stabilisieren, soll nach Willen der LINKEN darüber hinaus der Bundeszuschuss auf mindestens 25 Prozent erhöht werden. Außerdem will DIE LINKE die Verhandlungsposition von Kreativen im Urhebervertragsrecht stärken und ihre Mitbestimmungsrechte gegenüber Verwertungsgesellschaften ausbauen. Gefordert werden verbindliche Mindeststandards der Honorierung in der freien Kunst- und Kulturarbeit, branchenspezifische Honoraruntergrenzen und eine rechtlich abgesicherte Ausstellungsvergütung.
Auch die SPD will ein beitragsfinanziertes Sicherungsgeld bei zeitweilig unverschuldeter Einkommenslosigkeit für alle Soloselbständigen einführen. Für selbständige Künstlerinnen und Künstler sollen die Versicherung und die Beitragserhebung über die KSK erfolgen.
Förderprogramme
Bei vielen kleinen Unternehmen und Solo-Selbständigen ist nach Monaten der Krise das Eigenkapital komplett weg. Der Eigenkapitalzuschuss in den Überbrückungshilfen des Bundes ist für die GRÜNEN nur ein erster Schritt, auch Solo-Selbständige müssen ihrer Meinung nach Zugang haben. So, wie die FDP, sind daher auch die GRÜNEN dafür, ihnen zu ermöglichen, ihre Corona-Verluste mit den Gewinnen der letzten vier Jahre (derzeit ist dieser Verlustrücktrag auf 1 Jahr begrenzt) zu verrechnen. Diese Unternehmen erhalten dann die in den Vorjahren gezahlten Steuern erstattet. Außerdem wollen die GRÜNEN ein einfaches Restrukturierungsverfahren für KMU vor der Insolvenz einführen, damit diese zum Beispiel langfristige Mietverträge neu aushandeln können. Bei diesem Neustart soll auch ein Gründungskapital von 25.000 Euro unterstützen.
Auch die CDU/CSU will ein umfangreiches „Entfesselungspaket“ auf den Weg bringen, um Soloselbständige nach der Krise zu unterstützen und von Steuern und Bürokratie entlastet, um so Freiräume zu schaffen.
Auch die FDP anerkennt die Kultur- und Kreativwirtschaft als wichtigen Wirtschaftszweig und will ebenfalls Förderprogramme auch für kleinere Unternehmen und Solo-Selbstständige öffnen. Förderanträge will sie vereinfachen. Online-Formate wie Livestreams will die FDP außerdem von der Rundfunklizenzpflicht befreien.
Wesentlicher als das: Die Freien Demokraten haben seit Beginn der Krise gefordert, die Lebensrealität von Soloselbstständigen der Kultur- und Kreativwirtschaft anzuerkennen und wertzuschätzen. Daher steht für die FDP fest: Die Hilfen hätten von Anfang an auch für Lebenshaltungskosten und damit einen Unternehmerlohn geöffnet werden müssen.
Selbst die LINKE hat einen umfassenderen Förderansatz für Selbstständige gefordert, setzt aber auf ein anderes Konzept, unter anderem mit einer Einkommenskomponente von 1.200 Euro pro Monat. Die eng definierte Förderung von Betriebskosten reicht ihr nicht und es braucht demnach mehr Mittel für die Wiederaufnahme alter oder neuer Tätigkeit. Die LINKEN setzen daher auf umfassende Beratungen und eine finanziell gut ausgestattetet Neustart-Hilfe, abgesenkte Beiträge für die Krankenversicherung für Selbstständige und die Abschaffung der privaten Krankenversicherung als Vollversicherung. Parallel sollen Selbstständige in die Renten- und Arbeitslosenversicherung integriert werden, um die Beiträge für alle zu senken, um das Problem der (Alters-)Armut von Selbstständigen lösen zu können. Statt prekärer Scheinselbstständigkeit, Eigenausbeutung und Rosienpickerei steht die LINKE für gute, sozial abgesicherte Möglichkeiten der Selbständigkeit.
Altersvorsorge
Tatsächlich ist bereits beschlossen worden, ab 2024 eine Altersvorsorgepflicht für alle künftig freiberuflich Tätigen inkrafttreten zu lassen. Die Bundesregierung hat es in dieser Legislaturperiode jedoch nicht geschafft, sich auf eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige zu verständigen und ein Gesetzgebungsverfahren auf den Weg zu bringen. Die GRÜNEN beabsichtigen in der kommenden Legislaturperiode einen neuen Anlauf zu starten, inklusive beitragsfreien Karenzzeiten bis zu zwei Jahren in der Gründungsphase und einer Altersgrenze, damit Selbstständige, die in vielfältiger Weise privat vorgesorgt haben, keine Nachteile haben. Außerdem wollen die GRÜNEN flexible Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung ermöglichen. Es soll darüber hinaus Möglichkeiten geben, zusätzlich zum Pflichtbeitrag freiwillige Zahlungen zu leisten, um in guten Zeiten Lücken aus schlechten Zeiten zu schließen. Außerdem denken die GRÜNEN über Möglichkeiten nach, Auftraggebende an diesen Kosten zu beteiligen.
Auch CDU und CSU wollen eine Altersvorsorgepflicht für alle Selbstständigen einführen, um deren sozialen Schutz zu verbessern, sofern die nicht bereits anderweitig abgesichert sind. Selbstständige sollen zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und anderen insolvenzsicheren und zugriffsgeschützten Vorsorgearten wählen können.
Der FDP ist dagegen auch zukünftig die maximale Wahlfreiheit für Selbstständige bei der Altersvorsorge wichtig. Auch die Form der Vorsorge soll frei wählbar sein. Der Zugang zur gesamten geförderten privaten Altersvorsorge soll dabei künftig für alle Erwerbstätigen offen sein. So soll auch verhindert werden, dass Personen mit Zickzack-Lebensläufen beim Wechsel in die Selbstständigkeit ihre Direktversicherung oder ihre Riester-Förderung verlieren. Dennoch hält auch die FDP eine Pflicht zur Altersvorsorge wie bei der Krankenversicherung für angemessen. Die Wahlfreiheit soll für alle Selbstständigen ohne obligatorisches Alterssicherungssystem sowie für Selbstständige gelten, die bisher in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind.
Die LINKE dagegen will die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) schrittweise zu einer Erwerbstätigenversicherung umbauen, in die alle Menschen mit Erwerbseinkommen (Selbstständige, Freiberufler, Beamte, Politiker) einbezogen werden. Eine gesonderte Altersvorsorgepflicht für alle (künftig) freiberuflich Tätigen wäre dann nicht mehr notwendig.
Auch die SPD sieht das Problem, dass ehemals Selbständige auch nach langjähriger Erwerbstätigkeit im Alter überproportional auf die Grundsicherung angewiesen sind. Und will deswegen den sozialen Schutz von Selbständigen, die bisher in keinem Alterssicherungssystem abgesichert sind, verbessern. Ziel ist, dass eine langjährige Erwerbstätigkeit zu einer Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus führen muss. Dazu will die SPD für Selbstständige eine Altersvorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung auf den Weg bringen.
Grundeinkommen
Zu der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens, dass Sozialleistungen ersetzen und auch die Existenz der Soloselbstständigen sichern könnte, gibt es besonders weit auseinanderliegende Meinungen bei den Parteien.
Die GRÜNEN streben stattdessen an, die soziale Sicherung schrittweise weiter zu vereinfachen, indem sie die existenzsichernden Sozialleistungen zusammenlegen und ihre Auszahlung in das Steuersystem integrieren will. In Modellprojekten soll jedoch die Wirkung eines bedingungslosen Grundeinkommens erforscht werden, dass die CDU/CSU ebenso klar ablehnt wie die FDP.
Ihr alternatives Modell dafür ist das einkommens- und vermögensabhängige Liberale Bürgergeld, bei dem steuerfinanzierte Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II, die Grundsicherung im Alter, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder das Wohngeld in einer Leistung und an einer staatlichen Stelle zusammengefasst werden. Selbst verdientes Einkommen soll geringer als heute angerechnet werden und sich so das Steuer- und Sozialsystem verbinden. Daneben sollte nach Willen der FDP der Passiv-Aktiv-Tausch weiterentwickelt werden, bei dem Gelder, die eine Leistungsempfängerin oder ein Leistungsempfänger erhält, in Lohnkostenzuschüsse für einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz umgewandelt werden können.
Die LINKE will Hartz IV und die Sozialhilfe durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzen. Mit 1.200 Euro monatlich will sie diese armutsfest ausgestalten, mit einem Zuschuss bei lokal hohen Mieten. Die LINKE will Selbständigen, Freiberuflern und dem Kunst-, Kultur-, Medien- und Kreativbereich außerdem eine gute Wiederaufnahme ihrer Tätigkeiten ermöglichen, in dem sie für die Dauer der Corona-Pandemie den Zugang zu einer monatlichen Pauschale in Höhe von mindestens 1.200 Euro – auch rückwirkend ab März 2020 – ermöglicht will.
Auch die SPD will Schutzlücken bei kleinen Selbständigen und Kreativen beseitigen und deren soziale Absicherung verbessern. Dafür will sie die Absicherung in der Künstlersozialversicherung ebenso wie in der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung verbessern.
Alle hier zitierten Antworten der Parteien und mehr, unter anderem auch zu Hilfen für Alleinerziehende und zu Urheberrechtsverletzungen im Internet, finden sich ungekürzt in einer Gegenüberstellung unter dem u.g. Link: