Im vergangenen Jahr sorgte Düsseldorf für Wirbel, weil der Bund mehr als 40 Millionen Euro für ein „Deutsches Fotoinstitut“ bewilligt hatte, obwohl die von Kulturstaatsministerin Monika Grütters einberufene Expertenkommission weder ein Konzept vorgelegt noch einen Standort vorgeschlagen hatte. Im März kam dann schließlich das Konzept für ein „Bundesinstitut für Fotografie“ – und schlug Essen als Standort vor. Seit dem wird mehr über das Wo als über das Wie einer solchen Institution gestritten.
1. Wie wichtig ist für Sie die Standortfrage eines Bundesinstituts für Fotografie?
2. Sollte sich ein Fotoinstitut auf einzelne Genres wie die Kunst oder journalistische Fotografie konzentrieren oder sich breiter aufstellen?
3. Ungeachtet der vorliegenden Konzepte: Was wünschen Sie sich ganz persönlich von einem solchen Fotoinstitut?
Rolf Sachsse, Autor, Kurator, Berater, rolfsachsse.de
1.
Prinzipiell halte ich das ganze Institut in der vorgeschlagenen Form für entbehrlich, da wir in Deutschland schon hervorragende Institute zur Erforschung der Geschichte der Fotografie haben, etwa die Deutsche Photothek in Dresden, das Deutsche Dokumentationszentrum Kunstgeschichte (Foto-Marburg) in Marburg, das Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München oder gar die Fotoabteilung des Deutschen Kunsthistorischen Instituts in Florenz. Dazu kommen regionale Forschungsinstitute, Museen und Archive, die ganz hervorragende Arbeit leisten – allerdings alles eher unkoordiniert und oft ohne Wissen voneinander. Wenn überhaupt, dann würde ich mir ein Forschungsinstitut wünschen, das als Koordinierungsstelle dient – so etwas ist aber nicht besonders attraktiv. Als Standorte kommen die Städte in Frage, an deren Universitäten wissenschaftlich institutionell passend geforscht wird, also derzeit (in alphabetischer Reihenfolge) Berlin, Essen, Köln und Marburg. Düsseldorf ist insofern ein Witz, als die entsprechenden Professoren an der Akademie Wert darauf legen, keine Fotografie, sondern Kunst zu unterrichten.
2.
Fotografie ist ein Medium, das alle Lebensbereiche umfasst. Ein Forschungsinstitut, das diesen Namen verdient, muss sich der gesamten Breite fotografischer Medialität widmen – kurz gesagt, vom Instagram- und Knipserbild über das Design, den Journalismus und die Dokumentation der Zeitgeschichte bis zur Kunst mit Fotografie (wie das Rolf H. Krauss formuliert hat). Das derzeitige Beratungs-Gremium bietet dafür leider keine Gewähr, sondern schielt einäugig auf einen sehr verengten, neoliberal marktkonformen Kunstbegriff.
3.
Den ersten Satz meiner ersten Antwort vorausgesetzt, wünsche ich mir eine Koordinierungs- und Förderstelle für eine verantwortliche, gern auch staatlich oder privat geförderte Forschung zum medialen Umgang mit Bildern, gleich aus welcher technischen Quelle sie stammen.
Peter Bialobrzeski, Fotograf und Hochschullehrer, bialobrzeski.net
1.
Für mich persönlich ist die Standortfrage zunächst unwichtig. Als Zeichen bevorzuge ich Essen, da das Folkwang-Museum mit einer der wichtigsten fotografischen Sammlungen, das Ruhrlandmuseum und die Folkwang Universität in unmittelbarer Nachbarschaft, Synergien erzeugen werden. Darüber ist die fotografische Tradition in Essen vielfältiger als die künstlerisch orientierte in der benachbarten Landeshauptstadt.
2.
Da die Genregrenzen ständig in Bewegung sind, ist natürlich eine Beschränkung nicht sehr klug und könnte in Zukunft bitter bereut werden.
3.
Die Erforschung, Aufarbeitung, Konservierung wichtiger fotografischer Nachlässe. Die Vermittlung fotografie–immanenter Konzepte anhand der daraus entstehenden Sammlung.
Boris Becker, Fotograf, boris-becker.com
1.
Entscheidend ist doch, ob sich in der Nähe des zukünftigen Standortes des Fotoinstituts hochrangige Museen, Hochschulen und weitere Sammlungen befinden, um ein funktionierendes Netzwerk aufzubauen. Neben Düsseldorf und Essen hätte das auch Köln sein können mit dem Agfa Foto Historama im Museum Ludwig, der Photographischen Sammlung, der Kunsthochschule für Medien und weiteren bedeutenden Sammlungen und Initiativen wie der Internationalen Photoszene. Unverständlicherweise sind aus Köln keine Vorschläge in dieser Hinsicht formuliert worden.
2.
Meines Erachtens sollte ein Fotoinstitut zwar breit aufgestellt sein, sich aber durch die Konzentration in der Arbeit auf bedeutende Konvolute der Fotografie der ausufernden digitalen Bilderflut gegenüber eindeutig positionieren.
3.
Das ist eigentlich ein Kaleidoskop an Wünschen und Vorstellungen, das sich erst einmal auf die Forschung, die Konservierung und die Betreuung von Archiven und Vor- und Nachlässen zeitgenössischer Fotokünstler konzentriert. Durch ein Fotoinstitut verspreche ich mir eine bessere professionelle Betreuung und Vernetzung der bundesweit ansässigen privaten und öffentlichen Sammlungen und Stiftungen der Fotografie. Nicht zuletzt erhoffe ich mir auch eine noch höhere gesellschaftliche Akzeptanz der künstlerischen Fotografie.
Dr. Anja Schürmann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kulturwissenschaftliches Institut Essen, kulturwissenschaften.de
1.
Wenn Fußball als kompetitive Ersatzreligion pausiert, werden andere Medien zum städtischen Armdrücken aktiviert. Die Konzepte, die Essen und Düsseldorf vorgelegt haben, sind sehr interessant, aber auch sehr abstrakt. Daher finde ich auch die Initiative der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) so wichtig, auf ihrer Internetseite netzwerk-fotoarchive.de inhaltlichen Input zu sammeln und die zahlreichen Expertisen zusammen zu führen, die es im Bereich Fotografie hierzulande gibt (das ist ein Aufruf). Ähnliches wünsche ich mir auch in der Standortfrage: Kollaboration statt Kampf. Wenn ich zwischen Düsseldorf und Essen pendeln kann, kann ein Fotoinstitut das auch.
2.
Welches Archivmaterial wo zu finden sein wird, muss den Institutionen überlassen werden. Aber natürlich ist es wichtig, Fotografie im Plural zu denken. Fotografie war nie ‚nur‘ Kunst, ebenso wenig wie journalistische oder angewandte Fotografie nichts mit künstlerischer Gestaltung zu tun hätten. Die Kölner Professorin für Kunstgeschichte, Herta Wolf, hat geschrieben, dass es DIE Fotografie gar nicht gebe, sondern DAS Fotografische und meinte damit, dass wir Fotografie nicht nur als Medium, sondern auch als Verfahren betrachten sollten. Was sind wir, wenn nicht das, was das Licht von uns behauptet?
3.
Wichtig finde ich, dass ein living archive geschaffen wird, welches sich neben der Wahrung und Entwicklung des visuellen Gedächtnisses auch Fragen der visual literacy widmet. Inzwischen ist die Metapher der visuellen Kultur so alltäglich, dass es an der Zeit ist, sie ernst zu nehmen. Wenn wir unsere Informationen durch Bilder erhalten, sollten wir lernen, sie zu ‚lesen’. Bildung – egal auf welcher Stufe – darf nicht ausschließlich textbasiert sein. Als Fotobuchforscherin wünsche ich mir auch, dass das Fotobuch als eigenständiges künstlerisches Medium mehr als in anderen fotografischen Sammlungen präsent ist, da es nicht nur auf diesem Gebiet sehr innovativ ist und immer schon war. Die Wand des Museums ist noch ein recht junger Ort, um Fotografie zu betrachten. Die Seite des Buches ist so alt wie das Medium selbst.
Dr. des. Allan Gretzki, Kurator Medien in der Stiftung Historische Museen Hamburg, shmh.de
1.
Eine Standortfrage ähnlich wie eine geographische Ortsbestimmung anzugehen, ist in Bezug auf die allgegenwärtige Digitalisierung meines Erachtens eine rückständige Herangehensweise. Bevor der Versuch unternommen wird die Standortfrage des geplanten Bundesinstituts alleinig über Prestige oder kulturelle Vorlieben zu klären, müsste geklärt werden wie die Inhalte, in diesem Falle analoge und digitale Fotografie, in Zukunft verwaltet und abgerufen werden. Die Standortfrage sollte also über technische und logistische Faktoren entschieden werden. Das zukünftige Handlungsszenario des Bundesinstituts für Fotografie müsste dafür grundlegend in zwei Kategorien aufgeteilt werden. Eine wenig originelle Einteilung in Analog und Digital könnte an dieser Stelle weiterhelfen, denn selbstverständlich werden ganze Konvolute mal in digitaler Form, sowie auch in analoger Form in sämtlichen Formaten und Dateiformaten vom Institut angenommen und verwaltet werden. Von daher sollte Pragmatismus in der Verwaltung und in der alltäglichen Handhabung des Institutsguts an erster Stelle stehen. Für die Aufnahme von Sammlungsgut wäre es von Vorteil, nicht an einen einzigen Standort zu denken, sondern an eine Art Zentraldepot, dessen Außenwirkung und Arbeit über viele verschiedene Dependancen erledigt wird. Die einzelnen Dependancen könnten mit verschiedenen Themenschwerpunkten arbeiten und würden die Idee eines bundesweiten Instituts verkörpern. Wenn das Bundesinstituts für Fotografie kein Museum sein soll, dann steht eine repräsentative Monomentalarchitektur an einem einzigen Standort sowieso in Frage. Aber ich kann es persönlich nachvollziehen, dass ein schöner Architekturkomplex eine große Idee besser verkörpert und greifbarer macht als ein dezentral agierendes Institut. Ob ein schöner Architekturkomplex in Düsseldorf oder Essen steht ist letzten Endes dann auch egal.
2.
Die Aufgabe eines Deutschen Fotoinstituts sollte nicht nur darin bestehen akademisch geadelte Fotokunst oder preisgekrönte journalistische Fotografie zu archivieren und zu zeigen. Dies wird bereits von Archiven, Sammlungen und Galerien zu Genüge getätigt. Die anspruchsvollere Aufgabe besteht vielmehr darin eine Diversität abzubilden, die es selbstverständlich auch in der Fotografie gibt. Dazu gehört vorrangig das Erfassen der gesamten Fotografie aller Fotografieschaffenden. Gemeint ist das Erfassen eines Gesamt- oder besser gesagt eines Stimmungsbildes einer deutschen Fotografiekultur. Mit einem Anspruch auf Vollständigkeit kann dies natürlich nicht bewältigt werden, aber es muss die Möglichkeit bestehen, dass gewisse Trends auch ohne spezifische Genrebezeichnung erfasst werden. So hat zum Beispiel die Corona-Krise selbstverständlich die gesamte Fotografie beeinflusst. Wie nennt man nun dieses Zeitfenster, in dem die leeren Einkaufspassagen, Fußgängerzonen, Strände, Bahnhöfe und Flughäfen fotografisch dokumentiert wurden. Ein abgeschlossenes Ereignis und damit eine Namensgebung für ein Genre ist hier noch nicht auszumachen. Spannend und aufschlussreich wird ein zukünftiger Bestand des Instituts erst, wenn durch das Sammeln neuer unbenannter Genres neue Cluster zu erkennen sind, welche die Veränderungen der Bildkultur in der Fotografie widerspiegeln. Allein dieser Sachverhalt zeigt die Schwierigkeit auf, wenn ein Deutsches Fotoinstitut nur mit den klassischen Genres oder nur nach Fotokünstlern aufgestellt, beziehungsweise sortiert wäre. Das Etablieren neuer Genres durch eine logische Verschlagwortung müsste also selbstverständlich sein.
3.
Ich bin kein Fotograf, aber ich arbeite als Künstler und Wissenschaftler viel mit Bildmedien, die fotografisch erzeugt wurden. Daher würde ich mir eine komfortable und unkomplizierte digitale Plattform wünschen, auf welcher der Sammlungsbestand abgerufen werden kann. Also ein einfaches Front-End für die Öffentlichkeit ohne eine formale Vergabe von Zugriffsrechten.
Klaus Honnef, Publizist, Kurator und Prof. em. für Theorie der Fotografie, klaushonnef.de
1.
Nicht besonders. Entscheidender ist die Frage, ob der Standort auf die Aufgabe durch entsprechende Vor-Leistungen in punkto Bewahrung und Erschließung fotografischer Materialien grundsätzlich vorbereitet ist. Dresden hätte deshalb die besten Chancen haben müssen. Andererseits ist Essen auch keine schlechte Wahl, weil hier bereits eine intensive Erforschung des Mediums Fotografie in Theorie und Praxis stattgefunden hat.
2.
Ein Bundesinstitut der Fotografie muss, wenn es seinen Ansprüchen gerecht werden will, das gesamte „Spektrum Fotografie“ umfassen. Die künstlerische Fotografie besetzt nur einen winzigen Teil der fotografischen Bandbreite. Gegenstand der Sammlungs- und Forschungstätigkeiten des geplanten Instituts darf demnach nicht allein die künstlerische Fotografie sein, sondern die Kunst der Fotografie in allen ihren Varianten und Möglichkeiten. Dazu bedarf es aber zunächst einer wenigstens rudimentär schlüssigen, aber eigenständigen fotografischen Ästhetik. In anderen Worten: einer Maßgabe von ästhetischen (nicht primär künstlerischen) und in erster Linie aus den technischen, sozialen und kulturellen Bedingungen des Mediums entwickelten Kriterien, die das Erhaltenswerte vom Vernachlässigbaren trennen. In praxi existiert eine solche zwar, verkörpert aber fast ausschließlich durch die Bilder, die sich ungeachtet sträflicher öffentlicher Vernachlässigung bewahrt haben. Theoretisch umrissen ist diese Vorstellung jedoch allenfalls in auch noch weithin verstreuten Bruchstücken und Ansätzen, wovon viele neueren Datums fotografiefeindlich sind. Die künstlerische Fotografie gehört im Gegensatz zu den übrigen Spielarten des Fotografischen – journalistische Fotografie, Werbefotografie, einst eine Inspirationsquelle für die Fotografie der Avantgarde, Modefotografie, wissenschaftliche und dokumentarische Fotografie, auch in exemplarischer Form Amateurfotografie – in den Beritt der Galerie- und Museumskunst. Sie bedarf eigentlich keines speziellen Instituts zur Aufbewahrung, weil sie in den Kunstmuseen bereits ihren legitimen Sammlungsort hat.
3.
Dass es endlich die so lange überfällige Aufarbeitung der deutschen Fotografie in Angriff nimmt, dass es ihre Rolle und ihren Einfluss nicht nur im kulturellen, sondern ebenso im sozialen und politischen Feld erarbeitet und vergegenwärtigt, und vor allem unter dem Gesichtspunkt, wie tief das Medium den kollektiven Blick und unser aller Verhältnis zur (deutschen) Realität bestimmt hat und bestimmt. Nur zwei Beispiele: Ist es nicht symptomatisch, dass zwischen 1933 und 1945 die deutsche Fotografie oder Fotografie in Deutschland im Bewusstsein der Geschichte der Fotografie nicht existiert oder auf die Riefenstahl reduziert wird? Ein schwarzes Loch sozusagen. Mittlerweile ist so viel von den Zeugnissen der Nazi-Zeit schon verschütt gegangen, dass kaum noch etwas vorhanden ist. Dabei verstanden die Nazis von der Wirkung und der Macht der Bilder (auch der fotografischen) mehr als die meisten unserer Bild- und Medienwissenschaftler. Fast niemanden hat‘s gekümmert. Ich betrachte das als politischen Skandal ohne gleichen. In diesem Zusammenhang wird auch gerade das kaum erforschte Spannungsverhältnis von fotografischer Avantgarde und Werbefotografie, den Extrempositionen der Fotografie „politisch“ relevant: Die eine vernachlässigt das Publikum, die andere ist ohne öffentlichen Zuspruch nichtig.
Simone Klein, Art Advisor und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Photographie, simoneklein.de
1.
Grundsätzlich könnte ich mich nicht zwischen Essen oder Düsseldorf entscheiden. Beide Standorte haben viele Vor- und wenige Nachteile. Dass sich das Institut in Nordrhein-Westfalen befinden soll, finde ich absolut begrüßenswert.
2.
Eindeutig sollte sich das Institut inhaltlich so breit wie möglich aufstellen und genre- und epochenübergreifend arbeiten. Wichtig wäre für mich auch die Erhaltung, Pflege, Erschließung, Digitalisierung und Vermittlung von relevanten analogen Archiven und Nachlässen – neben den Fragestellungen, die die Sicherung und Bestandspflege von jüngeren fotografischen Techniken und Materialien sowie der Umgang mit zeitgenössischen Meta-Daten mit sich bringt. Ein weiterer Aspekt, der bisher in der Diskussion kaum aufkam, ist das Fotobuch. Hier könnte Pionierarbeit geleistet werden.
3.
In einer idealen Welt wäre ein solches Institut eine Über-Institution, die die Anforderungen und Möglichkeiten eines Archives, eines digitalen Gedächtnisses, einer kulturhistorischen sowie medientechnischen Forschungs- und Bewahrungsstätte, einer Bibliothek, eines print studios, einer Akademie/Ausbildungsstätte und auch einer Ausstellungshalle verbindet und Kommunikation schafft – sozusagen eine Akropolis der Fotografie. Dabei ist auch die Vernetzung und Kommunikation mit und unter den bereits bestehenden Archiven, Sammlungen, Museen und Institutionen im deutschsprachigen Raum und auf internationaler Ebene extrem wichtig.
Außerdem wäre dies eine Gelegenheit, auch den Foto-Kunstmarkt mit einzubeziehen, der ja in Deutschland schon seit den 1970er Jahren existiert und innerhalb der internationalen Fotoszene von größter Bedeutung ist. Dies könnte ein Archiv des deutschen Foto-Marktes sein sowie eine Position, die über aktuelle Fragen des Marktes informiert und bei Fragen zum Sammeln von Fotografien beraten kann.
Bernd Fechner, Gründer der Agentur Photomarketing, photomarketing.de
1.
Die Standortfrage ist zentral. Ich erinnere die Diskussion um das Deutsche Centrum für Photographie (DCP) in Berlin vor 20 Jahren. Mein Weggang von Köln hing damit zusammen. Manfred Heiting war Projektleiter dieser Idee. Ich kannte ihn über meine Arbeit beim Taschen Verlag, die DGPh und Kölner Zusammenhänge. Heiting hatte für das DCP bereits Leute als Schattenteam zusammengetrommelt, doch es kam alles anders. Beim Symposium „Fotografie im Zentrum – Centrum für Photographie“ im Oktober 1999 knallte es. Der Reihe nach ergriffen die Leiterinnen und Leiter der wichtigen deutschen Fotoinstitutionen das Wort: Köln und Essen und Hamburg und München und Leipzig. Sie sagten das Gleiche: „Berlin? Wieso? Nein! Das Zentrum der deutschen Fotografie sind doch wir!“ Recht hatten sie! Was folgte, war der langsame Tod der Idee des Berliner Centrums. Und das war gut so.
Dass exakt 20 Jahre später die Diskussion erneut aufflackert, nun allerdings mit Düsseldorf als Hauptakteuer der ersten Stunde, lässt uns ungläubig die Augen reiben. Besonders bitter: Dass es den fotografischen Institutionen und Verbänden Deutschlands vor der Initiative der Kulturstaatsministerin nicht gelang, die Idee der föderalen Struktur eines Bundesinstituts für die Fotografie weiter zu entwickeln. Genau das war die Aufgabe. Wir müssen über ein Scheitern sprechen, dessen Ursachen, Strukturen und ja, Namen. Es geht keinesfalls in erster Linie um Standortfragen wie Düsseldorf oder Essen, Berlin, Leipzig, Dresden oder Hamburg, sondern dass die hergebrachten Institutionen der Fotografie hierzulande dauerhaft auf der Stelle treten – und zwar scheinbar ausschließlich auf der jeweils eigenen.
Stefanie Kleinsorge, Kaufmännische Leiterin Port 25, port25-mannheim.de
1.
Eine zentrale Institution, die sich ausschließlich dem Medium der Fotografie von ihrer Historie bis zu den zukunftsweisenden Diskursen widmet, halte ich für überfällig. Der Standort spielt dabei meines Erachtens eine untergeordnete Rolle. Es gab verschiedene Bewerber, die über unterschiedliche Infrastrukturen und Bezüge zur Fotografie verfügen. Dass sich nun eine Konkurrenz zwischen Düsseldorf und Essen entwickelt, halte ich für wenig zielführend. Meiner Ansicht nach wären beispielsweise auch Mannheim oder Berlin geeignete Kandidatinnen für ein gesamtdeutsches Institut der Fotografie gewesen. Nachdem sich der Bund und das Land NRW gemeinsam für die Umsetzung entschieden haben, kommt es nun darauf an die notwendigen Mittel in die Hand zu nehmen und mit der Arbeit zu beginnen. Ob dies nun in Düsseldorf oder in Essen passieren wird, sollte auf die Qualität der zu verrichtenden Diskurs- und Netzwerkarbeit, den Aufbau einer Sammlung sowie angemessener Präsentationen keinen Einfluss haben.
2.
Ein Bundesdeutsches Institut muss sich ohne Zweifel der Aufgabe stellen für alle Bereiche der Fotografie zuständig zu sein. Diese reichen von der Funktion als bildgebendes Verfahren wissenschaftlicher Erkenntnis, über kommerzielle Interessen im Bereich der Produktvermarktung bis zur künstlerischen Verwendung des Mediums oder seiner wissenschaftlichen Erforschung. Eine solch weitreichende Aufgabenstellung kann sich nicht auf die Einrichtung eines Archivs und thematischer Präsentationen beschränken, sondern sollte übergeordnete Funktionen übernehmen und bereits bestehende Institutionen für Fotografie, Bildschaffende, Bildtheoretiker, -forscher, Restauratoren und Verfahrenstechniker durch fachliche Expertise unterstützen sowie sich als Denkfabrik, also als ein Ort exzellenten Wissens im Zentrum eines Netzwerks etablieren. Zu diesem besonderen Wissen gehören meines Erachtens auch die Alltagsaspekte des Fotografischen, wie Handyfotografie, digitale Fotoplattformen oder historische Bildwerke, die keinem Autoren zuzuschreiben und dennoch für unser Bildwissen und Bildgedächtnis von Bedeutung sind. Um diese komplexen Aufgaben auf höchstem Niveau umsetzen zu können, bedarf es eines Netzwerkes, in dessen Nukleus, dem Bundesinstitut für Fotografie, alle Fäden zusammenlaufen.
3.
Zunächst einmal verdeutlicht die Einrichtung des Instituts, dass dem Medium Fotografie mittlerweile eine nicht unerhebliche Relevanz für unsere Kultur beigemessen wird. Dies freut mich sowohl als Akteurin der Kulturverwaltung, als auch insbesondere als Mitglied des Vorstands der Biennale für aktuelle Fotografie. Neben innovativen Debatten wünsche ich mir eine starke Vernetzung von Einzelaspekten und einzelnen Akteuren sowie einen genreübergreifenden Blick auf virulente Themen. Spartenbezogene Betrachtungen bringen uns nicht weiter. In diesem Sinne bietet die Neugründung eine Chance Haltungen und Positionen zum fotografischen Medium im 21. Jahrhundert zu reflektieren sowie dazu neue Sichtweisen einzubeziehen und zu erproben.
Foto oben: Petra Gerwers