Die bislang beschlossenen, umfangreichen Konjunkturpakete im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und ihrer Folgen gehen nach Auffassung vieler Solo-Selbständiger, Freischaffender, Künstler und Kunstschaffender an ihrer Arbeits- und Lebensrealität vorbei. Die für Kultur zuständige Staatsministerin Monika Grütters verteidigt die Maßnahmen dagegen als ausreichend.
Während Monika Grütters für die Bundesregierung wiederholt betont hat wie wichtig die Kultur ist, vermissen viele freie Kreative und Medienschaffende wie Fotografen bislang echte finanzielle Unterstützung. Auch das im Juni beschlossene Programm `Neustart Kultur´ mit einem Budget von einer Milliarde Euro kommt als Infrastrukturfonds nicht so bei Kreativen an, wie von ihnen erhofft und benötigt.
Monika Grütters in einem aktuellen Interview*: „Die Krise wird sich sehr unterschiedlich auf den Kulturbereich auswirken“. Vor allem für überwiegend privatwirtschaftlich organisierte Kultureinrichtungen sei „diese Krise eine sehr schwierige Zeit. Genau hier setzt unser Konjunkturprogramm an“, so Grütters. „Wir möchten mit unserem Programm `Neustart Kultur´ vor allem die privatwirtschaftlichen und gemeinnützigen Kultureinrichtungen erreichen, die nicht überwiegend staatliche Gelder bekommen … Dafür steht uns eine sehr große Summe zur Verfügung, die rund die Hälfte meines jährlichen Etats ausmacht“, so die Staatsministerin, die dabei übersieht, dass viele Soloselbständige – wie unter anderem freiberufliche Fotografen – ihre Tätigkeit noch immer nicht oder nur sehr eingeschränkt ausüben können, solange geltende Hygienevorschriften zum Schutz der Gesamtbevölkerung ein wirtschaftliches Arbeiten für sie kaum möglich machen. Um die daraus resultierenden Einnahmeausfälle auszugleichen, forderte zuletzt selbst der Bundesrat von der Bundesregierung eine Lösung, die „für den begrenzten Zeitraum der Pandemie die Möglichkeit eines pauschalen monatlichen Zuschusses zur Abfederung von Einnahmeverlusten“ sicherstellt.
Der Koalitionsausschuss hat bislang lediglich beschlossen, die Regelung zum erleichterten Zugang zur Grundsicherung bis zum 30. September zu verlängern. Monika Grütters verteidigt diese Verlängerung als ausreichend, „um die weiterhin schwierige Situation vieler Soloselbstständiger abzufedern … Ich weiß, dass es Vorbehalte gibt, die Leistungen des Sozialschutzpakets in Anspruch zu nehmen. Niemand geht gerne zum Jobcenter. Zum Glück hat unser aktueller Sozialschutz bereits tausenden Menschen aus der Kreativszene geholfen. Denn hier gibt es Hilfe zur Finanzierung des persönlichen und familiären Lebensunterhaltes, die deutlich über die mit dem Stichwort „Hartz IV“ bezeichneten Leistungen hinausgeht.“
Die Grundsicherung (ALG II) zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten erscheint vielen Kreativen entgegen dieser Aussage nicht ausreichend, zumal der vereinfachte Zugang durch die Jobcenter oft nur eingeschränkt umgesetzt wird. Im Gegensatz dazu erleben viele Kreative bei der Antragstellung, dass die Überprüfung der Bedarfsgemeinschaft, Vermögensprüfung ab 60.000 Euro sowie minimale Zuverdienstgrenzen eine Lebenshaltung auf dieser Basis fast unmöglich machen.
Monika Grütters stellt dazu klar: „Mit der vollen Übernahme der Wohnkosten, dem erleichterten Zugang zum Kinderzuschlag und dem Verzicht auf eine Vermögensprüfung ist die aktuelle Form der Grundsicherung für viele Solo-Selbständige ein sehr faires Angebot, um die finanziellen Einbußen infolge der Corona-Krise zu verkraften. Es muss auch niemand seine Altersversorgung antasten, denn in dem vereinfachten Antrag auf Grundsicherung steht ausdrücklich: `Selbstgenutztes Wohneigentum sowie Vermögen, das der Alterssicherung dient, sind nicht zu berücksichtigen´. Man verlangt jetzt ja auch nicht von einem Grafikdesigner, seinen Computer zu verkaufen“, so Grütters, die dazu auffordert, nicht hinzunehmen, sollte es tatsächlich eine solche Aufforderung in einem Jobcenter gegeben haben, sondern dagegen vorzugehen. Demnach zählen Arbeitsinstrumente, die dem Lebensunterhalt dienen, zum Betriebsvermögen, das derzeit geschützt ist.
Auch die Definition der Betriebsausgaben beim Soforthilfeprogramm des Bundes bereiten vielen Antragstellern Kopfzerbrechen, denn nach wie vor ist unklar, welche Betriebsausgaben von der Soforthilfe abgerechnet werden dürfen. „Zur Grundsicherung bietet die Arbeitsagentur eine kostenfreie Hotline an mit der Nummer 0800 4555523. Ich kann nur jeder und jedem Soloselbständigen empfehlen, sich bei Zweifelsfällen direkt an die Arbeitsagentur zu wenden“, so Grütters. „Auch das Bundeswirtschaftsministerium hat eine Reihe von Hotlines eingerichtet, die auf der Webseite leicht zu finden sind“, rät die Staatsministerin.
*Das Interview mit Monika Grütters führte Andreas Kolb für die „neue musikzeitung“
https://www.nmz.de/node/106867