Heute in elf Tagen endet der Aktionszeitraum der Ende Mai von ProfiFoto gestarteten Online-Petition gegen die drohende Wiedereinführung des Meisterzwangs im Fotografenhandwerk. Mit aktuell rund 7.400 Unterstützern hat die Petition die ursprüngliche Erwartung weit übertroffen. ProfiFoto Chefredakteur Thomas Gerwers fasst die Reaktionen aus der Politik und der Fotoszene zusammen.
Erst durch die ProfiFoto Online-Petition sind breitere Kreise der Profiszene überhaupt auf das Thema aufmerksam geworden. Der große Erfolg der Petition geht nicht zuletzt auf die breite Unterstützung führender Fotografenverbände und die breite Berichterstattung in einschlägigen Medien der Fotoszene zurück.
Die Situation
Die Bundesregierung beschloss 2004 die sogenannte Deregulierung von 53 Handwerksberufen, zu denen der des Fotografen gehörte, in denen die Meisterpflicht komplett entfiel.
Am 8. April 2019 hat die Koalitionsarbeitsgruppe „Meisterbrief“ der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD Eckpunkte für eine Novellierung der Handwerksordnung beschlossen. In dem von Abgeordneten beider Parteien unterzeichneten Papier heißt es: „Wir sind davon überzeugt, dass der Meisterbrief im deutschen Handwerk die beste Garantie für Qualitätsarbeit, Verbraucherschutz, Leistungsfähigkeit, Innovationskraft und hochwertige berufliche Aus- und Weiterbildung liefert. Wir haben deshalb im Koalitionsvertrag vereinbart, zu prüfen, wie wir den Meisterbrief für einzelne Berufsbilder EU-konform einführen können.“
Bereits kurz nach dem Start der ProfiFoto Online-Petition gegen die Wiedereinführung der Meisterpflicht fanden dazu am 4. und 5. Juni im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) Anhörungen statt. Dabei wurden Verbände der zulassungsfreien Handwerke oder handwerksähnlicher Gewerbe der Anlage B1/ B2 der Handwerksordnung, die Gewerkschaften sowie den Berufsverband unabhängiger Handwerkerinnen und Handwerker e.V., IFHandwerk e.V. und die Monopolkommission angehört. Die CDU Abgeordnete Astrid Grotelüschen, zuständig für Handwerk und Mittelstand: „Bis zum Herbst soll das BMWi die Stellungnahmen und die Ergebnisse der Anhörung auswerten und einen Gesetzentwurf erarbeiten.“
Neue Gutachten im Auftrag des Zentralverbands des Deutschen Handwerks liefern eine Reihe von Argumenten für die Wiedereinführung der Meisterpflicht. Auch im federführenden BWMi sieht man Möglichkeiten, im verfassungs- und europarechtlich vorgegebenen Rahmen die Meisterpflicht wieder auszudehnen. Das vom Ministerium durchgeführte Konsultationsverfahren soll ausloten, welche Gewerke rechtssicher wieder in die Meisterpflicht überführt werden können. Dabei spielt das Kriterium der Gefahrgeneigtheit und des Schutzes von Leben und Gesundheit eine entscheidende Rolle. Zusätzlich sollen alle relevanten rechtlichen und ökonomischen Aspekte der Meisterpflicht Berücksichtigung finden und sowohl aktuelle wissenschaftliche Analysen als auch, soweit verfügbar, Daten und Statistiken aus den einzelnen Gewerken zu Rate gezogen werden. Ziel ist, bei der Auswahl der Gewerke angewandte Kriterien wie insbesondere die Gefahrgeneigtheit transparent darzustellen und verbindlich anzuwenden. Schon in der Sommerpause wird an einem Gesetzentwurf gearbeitet, der im Herbst 2019 im Deutschen Bundestag beraten werden soll. Das entsprechende Gesetz soll zum 1. Januar 2020 in Kraft treten.
Dr. Carsten Linnemann, Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Bei der Rückführung von Gewerken in die Meisterpflicht werden wir sicherstellen, dass bestehende Betriebe in diesen Gewerken, die nicht über einen Meisterbrief verfügen, dauerhaft Bestandsschutz genießen.“
Sören Bartol, Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion zu den Gründen des Koalitionsbeschlusses: „Mit der Abschaffung der Meisterpflicht für 53 Gewerke im Jahr 2004 haben wir uns einen Wachstumsschub für das Handwerk und nachhaltig mehr Beschäftigung erhofft. Diese positiven Effekte blieben jedoch aus. Hinzu kommt, dass die Qualität der Arbeit in einigen Gewerken zu wünschen übrig lässt. Viele der neu gegründeten Betriebe sind Ein-Mann-Betriebe und verdingen sich als Scheinselbstständige zum Beispiel auf deutschen Baustellen. Aufgrund ihrer Dumpingpreise und des damit verbundenen Wettbewerbsdrucks sind viele Arbeitsplätze verloren gegangen und alteingesessene Betriebe vom Markt verschwunden“, so Bartol. „All dies waren für uns Argumente darüber nachzudenken, wie dieser Zustand abgestellt werden kann.“
Am Mittwoch, dem 26. Juni 2019 hat zur Thematik eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie mit geladenen Sachverständigen stattgefunden, die sich noch einmal grundsätzlich zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen einer möglichen Wiedereinführung der Meisterpflicht geäußert haben. Die Positionen werden jetzt von Seiten des Ministeriums aufgearbeitet, um im September einen Vorschlag für die weitere Diskussion vorzulegen.
Sören Bartol: „Die Diskussion über die Auswahl der Gewerke werden wir sehr intensiv im Herbst diesen Jahres führen. Dabei werden wir transparent Kriterien anwenden, die für alle Beteiligten nachvollziehbar sind. Ich persönlich bin nicht der Ansicht, dass jedes Gewerk, das einmal der Meisterpflicht unterlag, wieder der Meisterpflicht unterliegen sollte. Allein schon aus verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Gründen wird dies nicht möglich sein“, so der Abgeordnete.
Die Fotografen
Als einziger Fotografenverband war bei der Anhörung im BWMi der „Centralverband deutscher Berufsfotografen“ (CV) als Bundesinnungsverband geladen. Nach seinem Selbstverständnis versteht sich der CV als Dach der Innungen und Arbeitgebervertretung der Fotografen im Handwerk.
Bundesinnungsmeister Hans Starosta (der in seiner E-Mail-Signatur den Begriff „Fotodesign“ für sich verwendet) stellt klar: „Der Centralverband Deutscher Berufsfotografen unterstützt die Wiedereinführung der Meisterpflicht. Unsere Mitgliedsbetriebe und -innungen stehen nach einer Umfrage zu 100 % dahinter.“
Offen bleibt dabei die Frage, wieviele Mitglieder in totalen Zahlen diesen 100 % entsprechen. So sieht der CV sich zwar nach eigener Definition als Sprachrohr für mehr als 20.000 im Handwerk tätiger Berufsfotografen. Auf die Frage, wieviele Fotografen denn tatsächlich in Innungen organisiert und wieviele davon Mitglieder des CVs sind, bleibt die Antwort von Hans Starosta allerdings vage: Er könne keine Zahlen nennen, „da wir die nicht kennen und auch nicht abfragen. Aber natürlich kennen wir die Verhältnisse in unseren Mitgliedsinnungen“, so der Handwerks-Funktionär. Laut Beschluss des Vorstandes gäbe der CV keine Informationen über Mitgliederzahlen im Detail heraus. Aber, so Starosta, die Organisationsquote der Berufsfotografen gehe bekanntlich gegen Null …
Dem widerspricht unter anderem FreeLens Geschäftsführer Lutz Fischmann: „Leider wurde unser Verband nicht zu einer Stellungnahme zur Wiedereinführung der Meisterpflicht im Bereich Fotografie eingeladen, obwohl wir mit über 2.400 Mitgliedern der größte Berufsverband für Fotografen in Deutschland sind.“
Für ihn ist klar: „ Die Wiedereinführung des Meisterzwangs in der Fotografie wird auch wegen der Aufrechterhaltung der fotografischen Produkt- und Dienstleistungsqualität von nur einem Verband, dem „Centralverband Deutscher Berufsfotografen“ (CV) gefordert. Das ist nicht weiter verwunderlich, versucht er doch, die handwerklichen Fotografen zu organisieren.“
Ein Ziel, von dem der CV tatsächlich weit entfernt zu sein scheint, wie vom Bund professioneller Berufsfotografen 2015 publizierte Zahlen nahelegen. Demnach hatten bereits zu diesem Zeitpunkt viele der 53 Handwerkskammern in Deutschland überhaupt keine eigenständige Fotografeninnung mehr. Nur bei etwa 20 von 105 Kreishandwerkerschaften waren Berufsfotografen noch als eigenständige Innung registriert. Die Mitgliederzahl bei solchen Innungen war 2015 demnach selten größer als 15 bis 20 Personen. Viele einzelne Fotografeninnungen haben sich aufgelöst oder zu teilweise überregionalen Gemeinschaftsinnungen zusammengeschlossen, um überhaupt noch existent zu sein.
Dies steht im krassen Gegensatz zu der extrem angestiegen Zahl neuer Handwerksfotografen und dokumentiert das Desinteresse der allermeisten Handwerksfotografen an einer Innungsmitgliedschaft. Die tatsächliche Zahl der Fotografen, die in Deutschland einer Innung angehören, liegt nach Schätzung des BPP bei unter 750. Und: Nur sehr wenige Fotografeninnungen sind noch Mitglied im „Centralverband deutscher Berufsfotografen“. Die Aussagekraft der Stellungnahme des CV für die Handwerksfotografen erscheint daher auch dem Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter e.V. (BFF) mit aktuell 530 Mitgliedern mehr als fraglich.
BFF Vorstandsprecher Frank Stöckel: „Wir als Verband haben 2004 die Deregulierung der Meisterpflicht von 53 Handwerksberufen sehr begrüßt. Seit 50 Jahren Jahren setzt sich der BFF dafür ein, dass seine Mitglieder – die zu den herausragendsten und angesehensten Berufsfotografen Deutschlands zählen – als freie Fotodesigner tätig sein können, ohne zwangsweise einer handwerklichen Organisation anzugehören oder gar Fotografenmeister zu sein. Wir feierten am 6. Juni 2019 im Stuttgarter Haus der Wirtschaft unter der Schirmherrschaft der Staatsministerin für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters, unser 50-jähriges Verbands-Jubiläum und können mit Recht behaupten, dass wir einer der relevantesten und agilsten Vertreter der angewandten Fotografie in Deutschland sind. Daher würden wir es sehr begrüßen, wenn sich das BMWi vor einer diesbezüglichen Entscheidung der Expertise verschiedener Vertreter der professionellen Fotografie bedient. Als der maßgebliche Berufsverband für professionelle Fotodesigner stehen wir dazu gerne zur Verfügung
Auch Lutz Fischmann stellt für FreeLens klar: „Seit der Abschaffung der Meisterpflicht in der Fotografie stieg die Zahl der gewerblich tätigen (freien) Fotografen auf aktuell 29.000. Warum man diese Erfolgsgeschichte zurückdrehen will, erschließt sich uns nicht.“
Ein Blick in die Daten der Handwerkskammer unterstreicht: Die Anzahl der Betriebe im Fotografenhandwerk ist von 4.779 (1998) auf 29.547 (2018) geradezu explodiert. Einen dramatischen Rückgang gab es in Folge des Wegfalls des Meisterzwangs logischerweise bei den Meisterprüfungen.
„Kamen 1998 auf 665 bestandene Gesellenprüfungen 140 Meisterprüfungen, waren es 2018 nur noch 33 bestandene Meisterprüfungen bei 440 Gesellenprüfungen. Machte also vor 20 Jahren noch knapp jeder fünfte Geselle den Meister, sind es jetzt weniger als 10 %“, so Stephan Gast von berufsfotografen.de. Negativ von dieser Entwicklung der letzten Jahre betroffen sind vor allem die Handwerkskammern, die daher dringend Handlungsbedarf sehen, denn, so Gast: „Einerseits sind die hohen Mitgliederzahlen in der Fotografie wegen der sprudelnden Beiträge eine gute Sache, auch wenn etliche nur den geringsten Kammerbeitrag zahlen, andererseits ist die große Anzahl der An- und Abmeldungen bedenklich und zeigt, dass viele Neueinsteiger kaum von ihrer Fotografie leben können.“
Dazu Hans Starosta: „Der Anteil der Soloselbständigen in unserem Gewerk ist außerordentlich hoch. 94 % dieser Betriebe haben einen Gewerbeertrag von weniger als 24.500 Euro (Angabe HWK Hamburg). Diese Betriebe werden Probleme haben, ihre Alterssicherung zu finanzieren. Wir gehen davon aus, dass sich nach Wiedereinführung der Meisterprüfung die Ertragssituation erheblich bessert.“ Dabei lässt er außer acht, dass viele Quereinsteiger in der Fotografie ihr Gewerbe nur nebenberuflich betreiben. Wer zum Beispiel nebenbei nur in der relativ kurzen Hochzeitssaison an Wochenenden Hochzeitsreportagen anbietet, wird schwerlich auf höhere Umsätze kommen. Als Nebeneinkunft kann die Tätigkeit aber durchaus lohnen.
Unbestreitbar ist: Seit 1998 hat sich die Anzahl der Auszubildenden im Fotografenhandwerk von 2.581 aus 1.248 im Jahr 2018 halbiert, die Anzahl der Gesellenprüfungen ging von 665 auf 440 zurück. „Ein genauerer Blick in die Statistik zeigt jedoch, dass dies nicht erst seit 2004 der Fall ist“, so Gast. „Die Anzahl der bestandenen Meisterprüfungen begann schon im Jahr 1998 (140) deutlich nachzulassen. Im Jahr 2000 lag die Zahl bei unter 100 und erreichte den bisherigen Tiefstand im Jahr 2007 mit nur noch acht bestandenen Meisterprüfungen. Dem standen im selben Jahr 558 bestandene Gesellenprüfungen und 1722 Betriebszugänge gegenüber. Es scheint für Fotografen derzeit kaum einen Anreiz zu geben, die Meisterprüfung abzulegen“, steht für den Insider fest.
Die vom Centralverband vorgetragenen Argumente für die Wiedereinführung der Meisterpflicht für Fotografen lesen sich zumindest teilweise humoresk: „Für eine ordentliche Ausbildung spricht auch heute noch die Gefahrengeneigtheit in unserem Beruf, wie zum Beispiel der Umgang mit Hochspannung in billigem Blitzequipment aus China oder auch jetzt, wo erstaunlich viele wieder mit zum Teil richtig ungesunden Prozessen analog arbeiten (C41 Prozess, nasses Kollodiumverfahren, Ambrotypie etc.)“, so der CV in einer auf berufsfotografen.de veröffentlichten Stellungnahme. Was den damit adressierten Politikern vom CV wohlweißlich vorenthalten wurde: Ambrotypie ist ein fotografisches Verfahren, dass zwischen 1852 und 1890 als preiswerter Ersatz für die Daguerreotypie galt …
Dazu Lutz Fischmann: „Seit der Jahrtausendwende und der Etablierung der digitalen Fotografie wird nicht mehr mit Chemikalien hantiert – mit denen eh nur die Angestellten im Fotolabor in Berührung kamen. Von weiteren Arbeitsgeräten wie Kameras, Stativen, Blitzen etc. geht für den Endverbraucher und Mitarbeiter auch keine Gefahr aus. Eine Gefahr für die Gesundheit oder das Leben Dritter durch die Fotografie ist in der Praxis nicht vorstellbar.“
Auch die übrigen verfassungs- und europarechtlichen Regeln für eine Rückvermeisterung sind vom Fotografenhandwerk tatsächlich kaum zu erfüllen.
Die CDU/CSU-Abgeordnete Astrid Grotelüschen: „Um eine Wiedereinführung der Meisterpflicht durchzuführen, müssen nach der Vereinbarung der Koalitionspartner verfassungs- und europarechtliche Regeln erfüllt werden, da die Meisterpflicht als Berufszugangsschranke einen Eingriff in die Grundrechte darstellt. Für solche Maßnahmen gelten besonders hohe Anforderungen der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit und sie dürfen zugleich nur angewandt werden, um besonders wichtige Gemeinschaftsgüter zu verfolgen. Hierunter fallen etwa der Schutz von Leib und Leben bzw. die Abwehr von Gefahren, der Verbraucherschutz (auch Umwelt- und Kulturgüterschutz) aber auch die Sicherung der Ausbildungsleistung für die Gesamtwirtschaft, die handwerksbezogene Mittelstandsförderung, die Verbesserung der Markteffizienz oder auch die Stärkung der beruflichen Bildung in kleinbetrieblichen Strukturen.“
Lutz Fischmann: „Inwieweit der Meisterzwang ein geeignetes Instrument zur dauerhaften Qualitätssteigerung und/oder Sicherung ist, erschließt sich überhaupt nicht. Der Meisterzwang mit seiner formalen Qualifikation (die nur einmalig nachgewiesen werden muss) befähigt nur, einen Handwerksbetrieb zu gründen bzw. zu führen. Über die Qualität im fotografischen Bereich sagt sie gar nichts aus. Außerdem werden viele Arbeiten von Lehrlingen und Gesellen ausgeführt, und in vielen Betrieben arbeiten gar keine „Meister“ mehr, sondern fungieren lediglich als Konzessionsgeber.“
Auch gäbe es keinerlei Studien, die belegen, dass die Qualität der fotografischen Arbeiten im handwerklichen Bereich in den letzten 15 Jahren abgenommen hat. Fischmann: „Wie soll man das auch messen? Wer will, kann sich leicht selbst ein Bild machen, in dem er die Internetseiten der handwerklichen und der freien Fotografen durchforstet. Besonders seit der Popularisierung des Internets ist der Markt der Fotografen äußerst transparent. Jeder Verbraucher kann sich umfassend über die Qualität, die Bildsprache, Referenzen und die Preise informieren und damit seinen passenden Fotografen wählen.“
Einzig die Kriterien der Sicherung der Ausbildungsleistung oder die Stärkung der beruflichen Bildung in kleinbetrieblichen Strukturen könnte man als Argumente für eine Rückvermeisterung gelten lassen. Der Rückgang der Ausbildung im Fotografenhandwerk ist allerdings unter anderem darauf zurückzuführen, dass diese seit 2004 für die Ausübung des Berufs eben nicht mehr erforderlich ist und daher diverse berufsbildende Schulen wie der Lette Verein und andere auf die Gesellenprüfung ihrer Absolventen verzichten bzw. diese durch Diplome ersetzt haben. Die weitaus meisten Fotografen werden ohnehin an Fachhoch- oder Hochschulen ausgebildet.
Allein schon die niedrige, zweistellige Zahl der in den letzten Jahren durchschnittlich abgelegten Meisterprüfungen im Fotografenhandwerk macht deutlich, welch geringen Stellenwert eine Meisterausbildung heute in diesem Gewerbe noch hat. Und das, obwohl mit ihr die Prüfung als Vollkaufmann verbunden ist, also Kenntnisse in der Kalkulation von Aufträgen und ökonomische Fähigkeiten in der Führung eines Studios vermittelt.
BFF Vorstandsmitglied Klaus Mellenthin: „Im Unterschied zu einem handwerklichen Meisterbetrieb, der in der Regel als Hochzeits- und Passbildfotograf für Privatpersonen tätig ist und ein Ladengeschäft betreibt, kommen unsere Auftraggeber aus der Industrie und dem Verlagswesen. Für diese Vertreter der Werbe- und Kreativ-Wirtschaft realisieren wir umfassende, komplexe Fotoproduktionen. Um diese vom Markt gewünschte Professionalität und gestalterische Höhe zu bedienen, sind gänzlich unterschiedliche Ausbildungswege erforderlich, meist über ein Hochschulstudium. Zudem sind in diesem Segment der höchstwertigen Fotografie auch viele Quereinsteiger außerordentlich erfolgreich.
Der CV hält dagegen: „Selbstverständlich erkennt der CV andere Ausbildungsformen in der Fotografie an, wie Fotojournalisten und studierte Fotodesigner. Für diese Berufsgruppen gibt es gemäß Handwerksordnung (§§ 7, 7b, 8) trotz Meisterpflicht eine Marktzugangsberechtigung, wie bereits auch vor dem Fall der Meisterpflicht 2004. Ohne Zweifel sollte es das Interesse aller sein, eine staatlich anerkannte Ausbildung in der Fotografie zu erhalten. Das ist nur möglich, wenn eine ausreichende Anzahl an Betrieben hierfür über das erforderliche Know-how und über die erforderlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten verfügt.“ Bleibt die von Fischmann formulierte Frage: „Warum soll ein diplomierter Fotodesigner nach seinem Hochschul-Studium in Deutschland kein Passbild anfertigen dürfen?“. Letzlich ist die Abgrenzung von gewerblicher sowie freier Fotografie und einer bildjournalistischen Tätigkeit in der Praxis kaum zu leisten. Etliche Bildjournalisten bieten zum Beispiel erfolgreich Hochzeitsreportagen an, und mancher Fotodesigner erstellt zuweilen simple Packshots, beides fotografische Tätigkeiten, die eigentlich gewerblichen Fotografen vorbehalten sind.
Für BFF Geschäftsführer Jürgen Meister jedenfalls steht fest: „Wir sind der festen Überzeugung, dass es speziell für den Fotografenberuf über einen möglichen Protektionismus hinaus keine Argumente gibt, die diskutierte Meisterpflicht sinnvoll anzuwenden.
Lutz Fischmann ergänzt: „Auch das dauernd vorgebrachte Argument der „Gewährleistung“ verfängt bei Fotografen nicht. Wenn, dann wird ein Mangel des erledigten Auftrages sofort erkannt, der unmittelbarer zwischen Fotograf und Verbraucher geklärt werden kann – sowohl bei handwerklichen, als auch bei freiberuflichen Fotografen. Weitere Fristen wie z.B. im Bauhandwerk existieren nicht. Im Übrigen wird eine Durchsetzung der Gewährleistung durch Gesetze wie das Produkthaftungsgesetz oder das Haftungsrecht sichergestellt. Letztendlich würde die Wiedereinführung der Meisterpflicht in der Fotografie nur zu Abschottung dieses Marktes zulasten der Verbraucher führen.“
Umfragen
Gegen die Wiedereinführung der Meisterpflicht sprach sich schon 2015 die Mehrheit der befragten Porträt- und Hochzeitsfotografen bei einer Umfrage des Bund professioneller Berufsfotografen aus, an der sich 1.450 Handwerksfotografen aus Deutschland beteiligten. Dabei wurden ausdrücklich nur die Fotografen aufgefordert, sich zu beteiligen, die selbst Mitglied einer Handwerkskammer sind. Die Umfrage war anonym und kann als repräsentativ angesehen werden. Etwa 85 % aller Fotografen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, arbeiten im Arbeitsbereich der Portrait- und Hochzeitsfotografie. Allerdings waren laut BPP die Handwerksfotografen, die in den letzten zehn Jahren vor der Umfrage als Handwerker registriert wurden, unterrepräsentiert. Dennoch spiegeln die Ergebnisse ein klares Stimmungsbild der Handwerksfotografen in Deutschland wieder.
Die wichtigsten Umfrageergebnisse: Nur etwa 11 %, und das mit Einschränkung, fanden die Mitgliedschaft in einer Handwerkskammer noch sinnvoll. Etwa 30 % der Befragten könnten sich ggf. eine freiwillige Mitgliedschaft in einer Kammer vorstellen. Für knapp 60 % macht die Mitgliedschaft überhaupt keinen Sinn mehr. Nur knapp 11 % der Befragten gaben an, noch Mitglied einer Fotografeninnung zu sein. Die Ausbildung im dualen Ausbildungssystem als eines der wichtigsten Argumente für die Wiedereinführung des Meisterzwangs erschien nur knapp 30 % der Befragten noch als notwendig und zeitgemäß.
Neben finanziellen Gesichtspunkten spielt hier laut BPP eine nicht unerhebliche Rolle, dass das gesamte heute gültige Ausbildungsverfahren (Berufsbild) im Handwerk nicht mehr den Erfordernissen eines sich ständig wandelnden Berufs entspricht. Dies gilt sowohl für die Dauer der Ausbildungsphasen, wie auch für deren Inhalte. Auch sehr häufig in der Kritik: die Zusammensetzung und fachliche Qualität der Prüfungsausschüsse. Viele Fotografen wollen außerdem nicht den „zukünftigen Mitbewerber“ selbst ausbilden.
Rund 80 % aller Fotografen gaben an, dass ihnen die Tatsache, dass sie Handwerksfotografen sind, in der Öffentlichkeit keinen Vorteil bringt. Inzwischen scheint vielen Verbrauchern laut BPP überhaupt nicht mehr bewusst, dass die Fotografie ein Handwerksberuf ist. Sich mit anderen Handwerkern, wie z.B. Metzgern, Dachdeckern oder Maurern vergleichen zu lassen, widerstrebt vielen kreativen Fotografen inzwischen sehr.
Selbst unter Handwerksfotografen war 2015 die Rückkehr zum alten System kein Thema mehr: 57 % der vom BPP befragten Handwerksfotografen lehnten eine Wiedereinführung der Meisterpflicht ab. Im einzelnen stimmten mit NEIN – gegen die Wiedereinführung der Meisterpflicht: Meister 27 %, Nicht-Meister 75 %, Available Light-Fotografen, also Fotografen ohne eigenes Studio 81 %, Studiofotografen 45 %, jüngere Fotografen 74 %, ältere Fotografen 36 %.
Top-aktuell ist eine weitere Umfrage zu dem Thema, die berufsfotografen.de auf seiner Webseite durchgeführt hat. Mit nur rund 300 Teilnehmern ist diese Umfrage wahrscheinlich nicht repräsentativ. Doch auch hier zeigen sich, je nach absolvierter Ausbildung, deutliche Unterschiede.
Stephan Gast: „So möchten die meisten Quereinsteiger, dass der Zugang zum Berufsfeld weiter offen bleibt, während die handwerklich ausgebildeten Fotografen sich von einer Wiedereinführung der Meisterpflicht finanzielle Vorteile und eine Steigerung des Ansehens des Berufes zu erhoffen scheinen und somit größtenteils für eine Wiedereinführung sind.“
Am deutlichsten zeigt sich dies anhand der Frage, ob es eine grundsätzliche Meisterpflicht für alle Fotografen geben sollte: 97 % der Quereinsteiger sind dagegen, 78 % der Fotografenmeister sind dafür, immerhin 14 % sind unentschieden und 8 % sehen das als nicht zielführend an.
„Erstaunlich differenziert sehen es die Gesellen. Hier ist ein Drittel dafür, ein Drittel unentschieden und ein Drittel dagegen“, so Gast. „Scheinbar liebäugeln nur wenige Gesellen damit, überhaupt einen Meister zu machen. Es scheint einfach derzeit kaum einen Anreiz dafür zu geben.“
64 % der von Berufsfotografen.de befragten Fotografen ist hauptberuflich aktiv, 36 % nebenberuflich. 75 % der nebenberuflichen Fotografen hatten weniger als 1000€ Umsatz im Monat und dürften somit keine Konkurrenz für einen hauptberuflichen Fotografen sein. Bei den hauptberuflichen Fotografen gaben 70 % an, sehr gut oder gut von der Fotografie leben zu können. Stephan Gast: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für eine strikte Einführung einer Meisterpflicht kein Konsens zwischen Meistern und Quereinsteigern gefunden werden kann.“
Deutlich mehr Fotografen als an den genannten Umfragen haben sich an der ProfiFoto Online Petition beteiligt, nämlich rund 7.500. 38 % der Unterstützer fühlen sich von der Wiedereinführung des Meisterzwangs persönlich betroffen, weitere 36 % befürchten, dass dies zukünftig für sie zum Problem werden könnte. Über ein Viertel haben geholfen, die Petition zu verbreiten, 21 % haben andere überzeugt, ebenfalls die Petition zu unterstützen. 15 % würden sich an gemeinsamen Aktionen beteiligen, 5 % diese sogar mitorganisieren. Damit ist die ProfiFoto Online-Petition die erfolgreichste, die jemals in der professionellen Fotoszene durchgeführt wurde.
Rechtliches
Zumindest aus Sicht der Monopolkommission als Wächterin über den Wettbewerb dürfte eine Ausweitung des Meisterzwangs zu einem deutlichen Rückgang der Betriebsgründungen in zulassungsfreien Gewerken führen. „Die Kunden profitierten derzeit von der „stärkeren qualitativen Differenzierung“ handwerklicher Leistungen. Das bedeutet, sie könnten selbst entscheiden, für welche Arbeit sie einen teureren Meisterbetrieb engagierten oder einen günstigeren Anbieter. Zudem dürfte sich der Fachkräftemangel in einigen Handwerksberufen im Falle einer Rückkehr zur Meisterpflicht eher verschärfen“, heißt es im vorgelegten Bericht des unabhängigen Beratergremiums der Bundesregierung.
In seiner Entscheidung vom Dezember 2005 (1 BvR 1730/02) hat das Bundesverfassungsgericht bereits vor über zehn Jahren „Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen der alten Handwerksordnung zum Meisterzwang“ geäußert, aber noch nicht über den Meisterzwang entschieden. Besonders das Grundrecht auf freie Berufsausübung, der Gleichheitsgrundsatz (ungleiche Behandlung von Bewerbern aus anderen EU-Staaten – Inländerdiskriminierung) sowie willkürliche Ausnahmebestimmungen in den Handwerksordnungen harren noch einer höchstrichterlichen Überprüfung.
Reaktionen
ProfiFoto hat aufgrund der genannten Anhörungen und Konsultationen bereits im Juni Abgeordnete der in der Bundesregierung bzw. im Bundestag vertretenen Parteien über den Inhalt und die wachsende Unterstützung der Online-Petition gegen die Wiedereinführung des Meisterzwangs für Fotografen informiert. Erste Reaktionen zeigen, dass keine der im Bundestag vertretenen Parteien dieses Ziel mit Priorität zu verfolgen scheint.
Die mit dem Thema Rückvermeisterung befasste CDU/CSU-Abgeordnete Astrid Grotelüschen zur ProfiFoto Online-Petition: „Meine Kollegen und mich haben hierzu auch bereits Anschreiben aus unseren Wahlkreisen erreicht, die in dieselbe Richtung zielen, wie die Petition. Abseits der Frage, welche Verbände zur Anhörung eingeladen wurden, gilt es für die in Frage stehenden Berufe klare Kriterien zu erfüllen, um nach eingehender Prüfung unter Umständen zu einer Wiedereinführung der Meisterpflicht zu kommen. Die in der ProfiFoto Petition geäußerte Unterstützung werde ich gern mit in die Beratungen einbeziehen“.
Die SPD Abgeordnete Gabriele Katzmarek: „Ich nehme an, dass eine Rückvermeisterung des Handwerks der Fotografie ausbleiben wird. Wichtig ist mir vor allem, dass bei einer möglichen Rückvermeisterung in bestimmten Handwerksberufen gleichzeitig ein Bestandsschutz für bestehende Unternehmen geregelt würde.“
Sarah Elze, Wissenschaftliche Mitarbeiterin von Claudia Müller MdB, Mittelstandsbeauftragte der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen: „Als grüne Bundestagsfraktion sehen wir die Wiedereinführung der Meisterpflicht sehr kritisch. So haben wir vor kurzem einen Antrag verabschiedet, in dem wir eine Zurückstellung gefordert haben, sowie ein Bündel anderer Maßnahmen, um die wirklichen Probleme im Handwerk anzugehen, wie Fachkräftemangel, niedrige Einkommen und Abwanderung in andere Sektoren, zu wenig Aus- und Weiterbildung, und die Herausforderungen der Digitalisierung. Zu unserem Erstaunen scheinen wir aktuell die einzige Fraktion im Bundestag zu sein, die hier ernsthafte Bedenken anmeldet und sich also für die angemessene Wahrung der Berufsfreiheit einsetzt. Da wir das Thema schon seit längerem begleiten, sind wir uns relativ sicher, dass der letztendliche Entwurf eines Gesetzes, den das BMWi über die Sommerpause erarbeiten will, nur relativ wenige Gewerke in die Meisterpflicht rückführen wird. In der Anhörung wurde relativ klar, wie schwierig dieses Vorhaben zu argumentieren ist. Hauptargumente wie die Gefahrengeneigtheit und die Qualitätssicherung von Gütern, bei denen Verbraucherinnen und Verbraucher die Qualität nicht selbst erkennen können, sind bei der Fotografie nicht wirklich sinnvoll.“
Und auch Reinhard Houben, Wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, stimmt zu: „Für unsere Fraktion kommt die Wiedereinführung der Meisterpflicht nur für die Gewerke mit einer hohen Gefahrengeneigtheit und tatsächlichen Problemen im Bereich der Ausbildung in Frage. Beides besteht im Bereich der Fotografen nicht. Insofern lehnen wir das ab.“
MdB Jens Koeppen von der CDU sieht die Frage pragmatisch: „Ich bin der Meinung, wer nach den Kriterien nicht zurück zur Meisterpflicht muss und möchte, sollte auch nicht dazu gezwungen werden.“
Sabine Poschmann, unter anderem Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für den Mittelstand und das Handwerk: „Die Koalitionsarbeitsgruppe hat in ihrem Eckpunktepapier zur Wiedereinführung der Meisterpflicht festgelegt, dass vor allem das Kriterium der Gefahrgeneigtheit relevant werden dürfte. Gleichzeitig muss sich in dem Zeitraum seit 2003 diesbezüglich auch das Berufsbild geändert haben. Daher denke ich, dass es schwierig wird, eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Wiedereinführung der Meisterpflicht bei den Fotografen zu finden.“
Dass das BWMi in diesen Fragen zu einer anderen Bewertung kommt, scheint angesichts dieser klaren Statements zwar unwahrscheinlich, kann aber nicht ausgeschlossen werden. Der CV scheint jedenfalls zu allem entschlossen, mit teilweise grotesken Argumenten (Stichwort „Chinablitz“) dagegen zu halten.
Die ProfiFoto Petition hat dafür gesorgt, dass in Berlin die tatsächliche Stimmung der Profiszene wahrgenommen werden kann. Der Herbst wird zeigen, wie die Regierungsparteien entscheiden.
Fazit
Dabei liegen die wahren, berufsständischen Probleme der Fotografen auf einem ganz anderen Gebiet, denn der vor fünf Jahrzehnten von den Gründern des BFF mühsam errungene Status als freiberufliche Fotodesigner führt in der Praxis zu ungleichen Bedingungen bei der Frage des zu berechnenden Mehrwertsteuersatzes (7 oder 19 %), der Zwangsmitgliedschaft in der Handwerkskammer für gewerbliche tätige Fotografen, der Gewerbesteuerpflicht sowie beim Zugang zur Künstlersozialkasse (KSK). Lutz Fischmann fordert daher zu Recht: „Es stellt sich eher die Frage, ob die Fotografie überhaupt noch ein Handwerk ist. Alle rein handwerklichen Fähigkeiten in der Fotografie sind im Zuge der Digitalisierung und Popularisierung entfallen. Fotografie ist eher ein künstlerischer Beruf und sollte daher ebenso wenig wie die Arbeit der Schriftsteller, Musiker, Regisseure und Bildhauer Restriktionen unterlegen sein. Wir plädieren daher für die komplette Streichung der Fotografie aus der Handwerksrolle.“
Jetzt noch mitmachen:
https://www.openpetition.de/petition/online/kein-erneuter-meisterzwang-fuer-fotografen