Das neu eröffnete 20×24 Studio in Berlin ist die neue Heimat der einzigen original Polaroid 20×24 Land Camera außerhalb der USA und eine von zwei aktiven Kameras ihrer Art weltweit. ProfiFoto im Gespräch mit dem Eigentümer Markus Mahla.
ProfiFoto: Markus Mahla, was ist das 20×24 Studio Berlin?
Markus Mahla: Mit dem 20×24 Studio haben wir einen ganz besonderen Ort geschaffen. Im Herzen von Berlin betreiben wir ein Studio, in dem wir die größten Polaroid-Bilder der Welt auf dem einzigartigen Polaroid 20×24 Trennbildfilm herstellen. Das Studio in Berlin beherbergt zudem eine echte Sensation: Die original 20×24 Polaroid Land Camera. Polaroid hat in den Siebzigerjahren nur fünf dieser unglaublichen Riesen-Kameras sowie einen Prototypen gebaut. Im 20×24 Studio Berlin wird die analoge Fotografie des letzten Jahrhunderts, mit der wohl einzigartigsten Kamera, die je gebaut wurde, neu zum Leben erweckt. Unsere Kamera in Berlin, #5, ist die letzte von Polaroid konstruierte 20×24 Kamera und die einzige aktive original Polaroid 20×24 Land Camera außerhalb der USA und damit eine von zwei aktiven Kameras weltweit. Die zweite, Land Camera #2, befindet sich im Studio von John Reuter in New York. Das einzigartige 20×24 Sofortbildmaterial wird von John Reuter in einer Manufaktur in der Nähe von New York produziert. Außerhalb der USA beziehen wir das 20×24 Filmmaterial exklusiv.
Für Menschen, die die 20×24 nicht kennen, beschreibe ich die Kamera so: Das System ist rein analog. Es produziert jeweils ein einzelnes Polaroid Sofortbild. Die Bildgröße beträgt über 50×60 cm. Jedes Foto ist ein absolutes Unikat mit einer unvergleichlichen Qualität: Kein Korn, kein Pixel, eine einmalige Farbgebung und dazu die charakteristischen Ränder, die machen jede Aufnahme absolut einzigartig. Gern nenne ich das Bildergebnis auch „das Ölgemälde der Fotografie“, da durch die Struktur in den Rändern eine Unverwechselbarkeit entsteht. Sammler wissen, dass es stets nur ein Bild gibt. Für alle unsere Kunden und Klienten – nicht nur die Künstler – liefert diese besondere Form der Fotografie einen unvergleichlichen Mehrwert. Zum einen durch das Mega-Polaroid-Format, zum anderen bietet der Prozess ein einzigartiges Fotoerlebnis, ein Event.
Wo ist das Studio?
Wir sitzen direkt am Berliner Tiergarten, im wunderschönen Backsteingebäude der KPM – Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin. Die Alte Schlämmerei, neben der KPM-Manufaktur, bietet auf einer Gesamtfläche von über 300m2 beste Voraussetzungen für unterschiedlichste Auftragssituationen. Dazu ein tolles Tageslicht, in allen drei Räumen. Wir vermieten das Studio auch ohne Kamera. Das 20×24 Studio ist für den mobilen Einsatz ausgelegt und die Land Kamera ist flexibel für Aufträge vor Ort buchbar. In einem Transporter fahren wir die Kamera das ganze Jahr über an jeden gewünschten Ort in Europa.
Seit wann gibt es Euch?
Die Gründung war erst kürzlich. Ein ziemliches Abenteuer, denn es bestanden bereits Aufträge. Wir wurden für Kunstprojekte und Events gebucht und hatten darüber hinaus die Chance, ein paar sehr exklusive Sammlungen seltener Fahrzeuge und Oldtimer vor Ort mit der Kamera zu fotografieren. Gleich zu Beginn waren wir in Crewe, im Bentley Motors Headquarter. Dort konnten wir Fahrzeuge aus dem Archiv der Firmengeschichte ablichten. Auf dem Weg waren wir in der Nähe von London, im „Big Cat Sanctuary“, einem „Altenheim“ für Grosskatzen“. Man wohnt in Lodges wie in Jenseits von Afrika und wird im Morgengrauen vom Brüllen der Löwen geweckt. Ich habe schon viele Shootings gesehen. Allerdings, mit der 20×24 Polaroid eine Handbreit vor einem ausgewachsenen männlichen Löwen zu stehen, war selbst für mich neu. Es brauchte einen ganzen Tag, um dem Löwen eine Handvoll Bilder abzuringen. Das war sehr aufregend. Dazu besuchte uns aus London der ehemalige Box-Champignon im Schwergewicht, Wladimir Klitschko, für ein Portrait am Gehege. All das im englischen Nieselregen – unvergesslich.
Andere Prominente wie den regierendern Bürgermeister von Berlin und Künstler wie Eva & Adele haben wir auf unterschiedlichen Veranstaltungen porträtieren können. Spannend war die Eröffnung des PalaisPopulaire der Deutschen Bank zur Berlin Art Week. Bei der Abendveranstaltung erstellten wir Porträts der Gäste aus Kunst, Kultur und Wirtschaft. Wir hatten also alle Hände voll zu tun. Dazu kommt, dass Erwin Wurm das mobile Studio regelmäßig für seine berühmten „One Minute Sculptures“ bucht. Er stellt die neuen Werke übrigens seit Februar in der Gallerie Thaddaeus Ropac in London aus. In der kurzen Zeit haben wir auch noch durch Opus Media die Fahrzeuge der Sammlung von Bernie Ecclestone sowie ihn und seine Frau fotografieren können – eine sehr beeindruckende Kollektion der Autogeschichte. Wirklich eröffnet haben wir schließlich erst im Februar mit Unterzeichnung des Mietvertrags. Als Erstes waren wir auf Instagram zu sehen. Seit ein paar Wochen sind wir mit unserer Website am Start. Aber mit der großen Eröffnungsveranstaltung warten wir bis zum Sommer. Die Idee eines eigenen 20×24 Studio in Verbindung zur Fotokunst zu eröffnen, die gibt es schon sehr viel länger.
Du kennst die Kamera bereits aus deiner Zeit bei Polaroid?
Das ist in der Tat eine ganze Weile her. Ich war Teil der Polaroid Familie, noch während meines Studiums. In der Zeit habe ich für Jan Hnizdo im 20×24 Studio im damaligen Deutschland-Headquarter gearbeitet. Ich denke, es gab kaum einen Fotografen oder Künstler, der nicht mit dieser Kamera gearbeitet hat und davon fasziniert war; und damit meine ich nicht nur die Menschen hinter der Kamera, die mit Jan arbeiteten, sondern auch die Menschen vor der Kamera, die fotografiert wurden. Die Kamera zieht jeden in seinen Bann. Sie ist wie eine geheimnisvolle Maschine aus einem Jules Verne Roman.
Und dann ereilte Polaroid die digitale Revolution…
In der Tat geriet während meiner späteren Karriere das ganze Thema Polaroid Fine Art aus dem Fokus. Digital war das große Thema. Ich war beschäftigt mit der Einführung der PDC2000, der ersten Megapixel Kamera, damals eine Sensation, heute eine Kuriosität. Als ich Teil des Bostoner Teams war, das sich um die so genannte kommerzielle Fotografie kümmerte, also auch um Profifotografie – traf ich einen recht sonderbaren Wiener Biologen, Doktor Florian Kaps. Heute kennt man Florian fast nur noch als „Doc“, als den „Retter des Polaroids“. Ich traf ihn eher zufällig bei einer photokina. Keiner wollte mit Florian sprechen, sagte er mir später. Alle waren damit beschäftigt „digital zu gehen“. Ich denke, er erntete viel Kopfschütteln mit seiner Idee. Man schickte schließlich „den Verrückten mit dem Mozartzopf“ zum „Verrückten mit den langen Haaren“. Letzterer war ich. Wir saßen auf der MS Deutschland, am Ufer bei den Messehallen, bei einer Tasse Kaffee. Dort, gegenüber vom Kölner Dom, unterhielt Polaroid zur photokina noch eine ganze Halle und zwei Flusskreuzfahrtschiffe für seine Gäste. Kaps wollte sich selbstständig machen und erklärte mir seine Idee: Er wollte von uns abgelaufene Filme kaufen. Aufgrund der Chemikalien hatten Polaroids – sowohl Integral als auch Trennbild – ein Haltbarkeitsdatum. Abgelaufener Film war für uns und unsere Kunden vermeintlich wie saure Milch. Unverkäuflich. Etwas, das sorgfältig entsorgt wurde. Für viele bei Polaroid war das nicht nur eine verrückte Idee. Kollegen, mit denen ich das besprach, warnten mich, dass die Qualitätseinbußen unberechenbar seien. Die Bilder könnten einen Farbstich bekommen. Aber das genau wollte Florian. Die Unkontrollierbarkeit des Mediums für künstlerische Arbeiten. Letztlich konnte ich die richtigen Leute überzeugen und aus etwas, das unverkäuflich war, wurde Doc’s erstes Startup, die Unverkäuflich Ges.m.b.H. am Wiener Museumsquartier. Und ein gutes, kleines Nischengeschäft für Polaroid.
Wie ging die Reise weiter?
Später, nachdem Polaroid Chapter 11 angemeldet hatte, kam ein privater Investor an Bord. Man begann Edwin Lands‘ Patente zu verkaufen, und Polaroid Film – die Markenikone – geriet immer mehr aus dem Fokus. Zwar sang man noch eine kleine Weile „Shake it like a Polaroid picture“, aber die Bedeutung von Film geriet beim Digitalisierungswillen unter die Räder. Die berühmte und renommierte Polaroid Collection wuchs nicht mehr weiter, obwohl es immer noch Künstler gab, die mit Polaroid Material arbeiteten. Jan Hnizdo und seine Polaroid 20×24 Land Camera waren schon nicht mehr im Unternehmen, als ich – zurück aus den USA – als Geschäftsführer in Deutschland tätig war. In dieser Zeit haben wir schließlich LCD- und Plasma-Fernseher verkauft; und Petters, der damalige Investor, verkündete den Ausstieg aus dem, was Polaroid Jahrzehnte prägte – den Polaroid Film und die Polaroid Kameras. Es war der Ausverkauf der Marke. Da trat Doc wieder in Erscheinung und versuchte, die Produktionsstätte in Holland zu übernehmen – was ihm gelang. Ich hatte Polaroid bereits zuvor verlassen, und Florian konnte die Produktion in Enschede tatsächlich retten. Was mal „unverkäuflich” war, wurde kurzerhand „unmöglich” – „The Impossible Project“ war geboren. Der Rest ist Geschichte. Eine tolle Geschichte. Ohne diesen Moment gäbe es heute keine Polaroids mehr. Und auch nicht die Studio-Idee. Jahre später, ich lebte inzwischen in der Schweiz, kontaktierte mich Doc. Er wollte, dass ich Partner bei Impossible werde. Leider war ich zu dieser Zeit nicht bereit dazu, was mit den damaligen Investoren zu tun hatte. Schließlich verließ Florian die Firma, die er gegründet hatte, für mich der traurigste Moment. Aber andererseits war es die Chance für etwas Größeres, noch Unmöglicheres. Wie sagte Edwin Land so schön: „Don‘t undertake a project unless it is manifestly important and nearly impossible”. Ich erinnere mich gut, als mir Florian vom nächsten, fast unmöglichen Projekt erzählte: Polaroid sei ja nur ein kleiner Teil der gerade beginnenden analogen Welle und er wolle die Wiege der analogen Sinne in Wien gründen. Fasziniert von seiner großartigen Idee investierte ich meine gesamten Ersparnisse, blieb aber im Hintergrund, da ich – inzwischen zurück in der Fotoindustrie – in der Geschäftsführung einer fantastischen Manufaktur in Italien saß.
Du sprichst von Manfrotto?
Stimmt, ich war als Chief Commercial Officer bei der Vitec Imaging plc für das Marketing und den Vertrieb weltweit verantwortlich. Ein klasse Laden: Produktion in Norditalien, nähe Venedig, mit einem guten Team und tollen Marken; Manfrotto, Gitzo, Lastolite, später Joby und Lowepro. In dieser Zeit trafen Doc und ich uns hin und wieder am Wochenende. Es fehlte immer noch die echte 20×24 Kamera. Doc hatte nur eine Wisner.
Richtig, es gibt noch weitere 20×24 Kameras!?
Es gibt die sechs original 20×24 Kameras, die Edwin Land und sein Team in den späten Sechzigern konstruierten und in den Siebzigerjahren baute. Außerdem gab es die Wisner Nachbauten. Hier war das Handling etwas kompliziert, da das riesige Holzrückteil abgenommen werden musste, um den 20×24 Film durch einen extern stehenden Prozessor laufen zu lassen. Nicht wie beim Original, wo alles in der Kamera verbleibt. Nicht nur das Handling ist bei diesem Modell schwierig, es gab dadurch auch immer wieder Probleme mit Lichteinfall. Oliver fotografiert im Supersense in Wien mit einem Wisner Model, er kann eine Lied davon singen. Ich vermute Wisner hat circa 20 solcher Kameras gebaut – nicht alle funktionierten einwandfrei und manche wurden nicht vollständig ausgeliefert. Doc macht im Supersense recht passable Ergebnisse mit Chocolate Film, aber wirklich gute Ergebnisse erzielen nur die 20×24 Kameras mit integriertem Rückteil. Es muss in Asien eine „hybride Kamera“ geben. Als sich die verantwortlichen Fotografen von Polaroid trennten, ging Jan nach Prag, John blieb später in New York. Tracy Storer blieb in San Francisco und unterhielt dort eine Kamera-Manufaktur. Dort wurden noch zwei oder drei Kameras nachgebaut. Als man – quasi beim Aufräumen – einen Teil einer Original Polaroid 20×24 Land Camera fand, konstruierte Tracy einen Wisner Teil daran. Soweit ich weiß, wurde diese „Hybrid-Camera“ nach China verkauft, sollte aber nicht in Betrieb sein. Tracy baute auch eine recht schöne Auftragsarbeit für das Düsseldorfer Studio von Franc Enskat. Meines Erachtens einer der schönsten Nachbauten, die Tracy hergestellt hat.
Wo befinden sich die anderen 20×24 Kameras heute?
In Boston sitzt die Porträtfotografin Elsa Dorfman. Sie besitzt Nummer 3, allerdings macht sie nur noch wenige Porträts. Nummer 4 soll in einem Lager in Enschede stehen und ist nicht funktionstüchtig. Der Prototyp steht im Harward Museum und Nummer 1 ist nach meiner Information ebenfalls nur noch ein Ausstellungsstück in den USA. Und natürlich unsere #5 in Berlin sowie die #2 bei John Reuter in New York.
Wie seid ihr an eine echte 20×24 Land Camera gekommen?
Es war ein sehr überraschender Moment im Sommer 2018. In den vergangenen Jahren hatte Florian Kaps von Zeit zu Zeit Kontakt zu Jan Hnizdo, der uns die Kamera überlassen wollte, falls er sich mal aus dem Geschäft zurückziehen würde. Wir haben diesen Moment aber gar nicht so schnell erwartet. Eines Abends rief er mich aus Wien an und berichtete, dass Jan in der Stadt sei und mit Julien Schnabel fotografiert. Ich hörte, dass die Überlegung im Raum stand, dass Jan in Erwägung zieht, die Kamera – sollten wir nicht mehr interessiert sein – anderweitig zu verkaufen, gegebenenfalls auch durch eine Auktion. Jan wollte also verkaufen – das war so überraschend wie eindeutig. Die ursprüngliche Idee der analogen Fine Art Fotografie, die uns über Jahre begleitete, stand mit der original Polaroid 20×24 Land Camera wieder im Raum. Und eins war mir klar: Jan wollte keinesfalls, dass die 20×24 Fotografie stirbt. Er suchte einen Nachfolger. Jan war, als ich Student war, mein Chef und Mentor. Ich habe viel von ihm gelernt. Über Kunst und über Fotografie. Die International Polaroid Collection zu verwalten und zu archivieren war eine tolle Aufgabe für einen Studenten. Diese Jahre haben mich sehr geprägt. Für mich war es immer magisch, wenn wir mit der Kamera arbeiteten und ich Jan assistieren durfte. Jetzt hatten wir diese „once in a lifetime“ Chance, die 20×24 Sofortbildfotografie als Projekt in die kommenden 50 Jahre zu führen. Vielleicht wäre die Kamera sonst verschwunden. Für mich gab es kaum Zweifel – für Doc auch nicht. Wir hatten einen Fotografen und Operator – die wichtigsten Aspekte für die Zukunft der Kamera – und ich überwies ohne zu zögern die notwendige Anzahlung. Die Kamera ging nach Berlin und wir machten die notwendigen Verträge.
Warum hast Du dich dafür entschieden, als Nicht-Fotograf selbst das Studio zu eröffnen?
Es war die Summe der Ereignisse in meinem Leben um und mit Polaroid, der sehr frühe Kontakt mit dem Medium, die Arbeit im Studio in Offenbach, die atemberaubende Aufgabe um die Polaroid Collection. Momente wie dieser haben mich geprägt: Als ich nach all der Arbeit mit der Archivierung der Collection, die unglaubliche Anzahl kostbarer Fotokunst, die ich an die Hochsicherheitsarchive in Paris an das Musee Europeenne de la Photo übergab, wurde mir klar: Das ist etwas ganz Besonderes. Später, bei einem Bankett, schüttelte ich dem damaligen Pariser Bürgermeister Jacques Chirac die Hand und dachte, dass wir ab jetzt den Europäischen Teil der Collection ständig erweitern würden, gemeinsam mit allen Kräften. Dass sich alles anders entwickelte, war zu dieser Zeit nicht abzusehen. Doch als die Summe vieler kleiner Begegnungen und Events letztlich dazu führte, über Nacht die Entscheidung zu treffen, die Kamera zu kaufen (nämlich Jan Hnizdos Kamera), habe ich nicht lange überlegt. Es war der richtige Moment. Es war die Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Ein neues, analoges Abenteuer mit der 20×24 Kamera. In Berlin, im neuen Zentrum der Startups – wo Menschen von Digitalisierung, IoT und künstlicher Intelligenz sprechen. Eine Mission, die Fine Art Fotokunst zu bereichern – analog und mit feinsten Polaroid Materialien.
Wie ist es, dieses Studio zu führen? Wie dürfen wir uns das vorstellen? War es für dich schwierig?
Ich kannte Jans Kamera bereits. Ich wusste, das ist kein Leichtgewicht. Man benötigt vier Mann, um die Kamera zu heben. Das Studio musste also entweder ebenerdig sein, oder einen Fahrstuhl haben. Bei der KPM war das gewährleistet. Die gigantische Kamera zu Kunden zu bringen, war eine weitere Herausforderung. Wir haben auf unserem Weg über den Kanal, bei unseren unterschiedlichen Aufträgen in England, viel gelernt. In vielen Fällen ist die Location wie beschrieben. Wo lagern wir den kostbaren Film? Wir müssen auf die Temperatur achten. Von manchen Filmen haben wir noch sehr wenige Rollen. Kostbar wie Goldstaub. Es gilt stets, auf alles vorbereitet zu sein, um Kopfsteinpflaster, Rasen oder Matsch zu überwinden, von wunderschönen historischen Gebäuden ohne Fahrstuhl und engen Treppenhäusern einmal ganz abgesehen. Schließlich hat man selten mit dem Wagen einen guten Zugang. Der Sprinter ist häufig zu groß. All das war wirklich in vielerlei Hinsicht ein spannendes Learning. Und wir lernen ständig dazu: Im Januar waren wir übers Wochenende in Hamburg. Jirko Bannas und Oliver Heinemann haben das Soné, ein Konzept-Restaurant eröffnet: Galerie, Restaurant und Store in einem. Am Abend live Musik mit Vinyl-Cut, gemanaged von der Wiener Supersense Crew. Wir waren bereit, aber es waren minus 5 Grad, es sollte erst heftig schneien, dann regnen. Beim Gedanken an das Holz des Kamerakörpers und an das Hamburger Schmuddelwetter, war mir nicht wohl – schlimmer noch: Drei Stunden Fahrt bei Temperaturen unter Null, in einem Sprinter ohne Heizung, würde der Entwicklerchemie nicht guttun. Glücklicherweise haben wir mit Sixt einen Partner gefunden, der inzwischen weiß, was wir tun und was wir brauchen. Die Lösung war deren Kühlwagenflotte. Die Fahrzeuge lassen sich bis 20 Grad wärmen. Beim Beladen merkten wir schließlich, dass unser Geschirr, zum Festzurren der Kamera, nicht in die Vorrichtungen der Kühlwagen passt. Wir haben es trotzdem geschafft und waren pünktlich vor Ort um Selig, Anatol Kotte, Ivo von Renner und viele andere zu porträtieren.
Aber waren das die größten Schwierigkeiten?
Nein, es war von Anfang an sehr abenteuerlich. Meine erste Hürde war es, einen geeigneten Fotografen zu finden: Ich bin kein ausgebildeter Fotograf. Ich brauchte jemanden, der einerseits ein begnadeter Porträtfotograf und Künstler ist, und andererseits in der Lage ist, sich als Operator für diese Art von Kamerasystem zu begeistern. Ein äußerst seltenes Talent war gefragt. Denn insbesondere der zweite Punkt ist außerordentlich wichtig. Ich habe als Student über Jahre bei Jan beobachtet, worauf es ankommt: Abhängig von deinem Klienten musst du in der Lage sein, entweder einen Full Service als Fotograf mit der Kamera zu liefern, oder einem Künstler oder Profifotografen als reiner Operator zur Seite und zur Verfügung zu stehen. Das heißt, für manche Klienten besteht die Aufgabe darin, ausschließlich das Kamerasystem zu bedienen und höchstens beratend zur Seite zu stehen – sonst bleibt der Operator im Hintergrund, fast wie ein Assistent. Es geht darum, beste Ergebnisse zu erzielen, so wie der Künstler oder Fotograf es in seinem kreativen Prozess gewohnt ist. Dabei sind Kamera und Operator wie ein Werkzeug, das unterstützt. Manchmal verlangt ein Auftrag beides: Operator und Full-Service.
Oliver Blohm ist eines dieser Talente. Er kann beides. Doc und ich haben Oliver unabhängig voneinander in Berlin bei einer seiner Ausstellungen kennengelernt. Wir haben uns angefreundet, und als der große Tag kam und Jan uns die Kamera anbot, war Oliver zur Stelle und bekam sein Training, erst durch Jan, später durch John. Zudem ist Oliver ein junger Analogfotograf und Künstler, er experimentiert unter anderem mit 8×10. Besser konnte es nicht laufen. Er war der Nachwuchs, der eine Brücke zwischen Digital und Analog bildete.
Was meinst du damit?
Analog und Digital schließen einander nicht aus. In gewisser Weise sind Analog und Digital zwei Seiten derselben Medaille. Ich finde es besonders spannend, zu sehen, wie heutzutage meist junge Fotografen und Künstler zwischen den unterschiedlichen Medien wechseln oder diese miteinander verknüpfen. Die Grenzen verschwimmen. Dadurch entstehen ganz außerordentliche Werke. Auch wir haben schon bald einen „Digital-to-Print“-Converter zum Testen im Studio. Ich führe gerade Gespräche mit Künstlern, die damit arbeiten wollen.
Welche Zielgruppen habt ihr im Fokus?
Durch die ersten Aufträge haben wir schnell erkannt, wer uns in der Regel bucht. Es sind zunächst Events – große wie kleine – von der Art Berlin, über Vernissagen, bis hin zu sozialen Einrichtungen, die einen Gala-Abend bereichern wollen. Auf diesen Veranstaltungen lernen wir viele private Porträtkunden kennen. Die Anwendungen sind sehr vielfältig. Dass wir relativ viel Automotive gemacht haben, ist eher Zufall. Aber seltene Fahrzeuge und Oldtimer zu fotografieren, ist sehr spannend. Gerade Oldtimer haben ausgeprägte Formen und viel Chrom, das ist selbst für einen erfahrenen Fotografen wie Oliver Blohm eine besondere Aufgabe. Aber damit haben wir sehr viel Übung und beherrschen inzwischen jede Auftragssituation. Obwohl wir uns in einer hochpreisigen Nische befinden und viele Events machen sowie von Firmen beauftragt werden, sind unsere Zielgruppen sehr weit gefächert. Zum einen haben wir die Älteren, die Menschen, die Polaroid bereits kennen. Sie sind begeistert vom 20×24 Format, hauptsächlich aus zwei Gründen: Sie wussten nicht, dass so etwas existiert, obwohl sie Polaroid aus der Vergangenheit kennen oder mit Polaroid gearbeitet haben. Die anderen kennen das 20×24 System, aber hatten einfach nie die Chance, die Kamera zu sehen und freuen sich, dass sie in Berlin zur Verfügung steht. Was alle Gruppen gemeinsam haben: Sie lieben, was wir tun. Der Grund: Das 50×60 cm Format ist einfach überwältigend. Es macht Gänsehaut. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der nicht von seinem Porträt ergriffen war. Und Leute, die den Vorgang beobachten, sind auf gleiche Weise enthusiastisch. Ein Foto zu machen, ist ein Event für sich, das riesige Bild zu öffnen, das Negativ vom Positiv zu trennen, ist ein Fest. Jedes Bild wird vor Begeisterung mit lauten „Ohs“ und „Ahs“ begleitet, und die Leute applaudieren. Selbst wenn ich jetzt gerade davon erzähle, bekomme ich selbst Gänsehaut. Neben den etablierten Künstlern und Fotografen, die mit der 20×24 arbeiten, ist für mich eine weitere Gruppe interessant: Der Nachwuchs! Getrieben durch die Liebe und Passion für das Sofortbild, sind junge Talente vollkommen überwältigt vom 20×24 Format. Es war bei unserem ersten Shooting im 25 Hours Hotel am Bikini Berlin. Anlass war die Eröffnung der Wim Wenders Polaroid Ausstellung. Wir hatten ein Studio Pop-up, und gemeinsam mit John Reuter, der uns mit Ellen Carey besuchte, machten wir ein paar Schwarzweiß-Bilder. Es war ein junger Amerikaner, der von seinem Porträt so überwältigt war, dass er kaum zu beruhigen war. Oliver hatte kürzlich eine Gruppe von 15 jungen Fotoenthusiasten eingeladen. Eine solche Begeisterung habe ich noch nie erlebt. Gern würde ich mehr mit Nachwuchskünstlern und -fotografen arbeiten.
Was denkst Du, woran es liegt, dass so viele junge Leute sich für analoge Fotografie begeistern?
Ich bin davon überzeugt, dass das ein Ergebnis des allgemeinen Megatrends „Analog“ ist. In anderen Worten: Es ist das, was zum einen durch das Impossible Project, die Rettung des Polaroid, ins Leben gerufen wurde, und zum anderen mit dem Supersense Wien Projekt weitergeführt wurde. Die digitalen Transformationen, die ich in den letzten Jahren in Firmen durchlebt habe, haben mich folgendes beobachten lassen: Je mehr Menschen – und vor allem junge Leute – „digital gehen“, umso mehr Menschen sind daran interessiert, analoge Erfahrungen zu machen. Dazu gehört es, auf einem Kurztrip tausend Fotos mit dem Smartphone zu schießen, und gleichzeitig in eine Sofortbildkamera zu investieren, da diese Menschen eine echte Fotografie zu schätzen wissen und diese an die Kühlschranktür hängen. Der haptische Erfolg spielt dabei eine sehr große Rolle. Ein Sofortbild zu machen, ist ein Prozess, den man nicht nur sieht und hört, er liefert ein Ergebnis, das man anfassen kann und mit allen Sinnen wahrnimmt. Ich möchte sagen, wir sind gesegnet, dass das Sofortbild, das vom Aussterben bedroht war, jetzt so erfolgreich ist, wie es nur sehr wenige vor ein paar Jahren geglaubt hätten.
Wie ist das überhaupt mit dem Polaroid Material für die 20×24?
Das ist eine sehr gute Frage. Vielleicht unsere größte Herausforderung. Viele dachten – da die Kameras mehr oder minder verschwunden waren – dass es kein Material mehr gibt. Das hören wir auch jetzt noch bei Veranstaltungen sehr häufig. Die Überraschung, uns mit „Jans Kamera“ zu sehen, ist stets groß. Im Moment fotografieren wir mit altem Material, das aus John Reuters Manufaktur stammt. Alles in allem haben wir nur noch eine begrenzte Anzahl Fotos zur Verfügung. Wie beim Packfilm müssen wir in die Zukunft investieren. Florian Kaps hat mit seiner jüngsten Kickstarter Kampagne gezeigt, dass man Trennbild-Film neu produzieren kann. John Reuter und sein Team wären in der Lage, 20×24 Film herzustellen. Das bedarf aber Zeit und finanzieller Ressourcen. Wir suchen im Moment Investoren, die uns dabei unterstützen, neuen 20×24 Film zu entwickeln. Die Ingenieure und Chemiker sind zuversichtlich, dass das möglich ist. Es wäre ein Desaster, wenn dieses wundervolle Material und der fotografische Prozess mit dieser Kamera für immer verschwinden würde.
Welche Hürden müsst ihr in Zukunft überwinden?
Das größte Missverständnis liegt, meiner Beobachtung nach, in der Verkennung des Polaroid Materials. Eigentlich wurde die 20×24 Kamera von Edwin Land zu einem einzigen Zweck gebaut, nämlich den Gästen bei einem Shareholder Meeting auf einem noch größeren Material als 8×10, die Qualität des Polaroid Materials zu präsentieren. Auch sah Land mit der 20×24 Kamera die Möglichkeit, Künstlern ein Medium für ihre Arbeit zur Verfügung zu stellen. Es sollte ein Bindeglied zwischen dem Massenmarkt und Fine Art Fotografie unterstreichen. Er sagte in diesem Zusammenhang: „Das ästhetische Ziel der neuen Kamera besteht darin, denjenigen ein neues Ausdrucksmittel zur Verfügung zu stellen, die ein künstlerisches Interesse an der Welt um sie herum haben.“ Es ist ganz eindeutig, dass es bei Polaroid Trennbildfilm schon von Anfang an um Fine Art ging. Viele Künstler wussten das zu schätzen und zu nutzen. Und dabei ging es nicht nur um die Qualität und die Langlebigkeit des Materials, sondern auch um die Unkontrollierbarkeit und die Möglichkeiten der Veränderung oder Verfremdung. Die Ergebnisse kann man noch heute bewundern. Denn entgegen manch missverständlicher Interpretation, ist das Polaroid alles andere als vergänglich, und man kann sehr alte Polaroids in vielen Sammlungen bestaunen. Bei meiner Arbeit für die Polaroid Collection und meinen Gesprächen mit Galeristen, die sich auf Polaroid spezialisieren, wurde mir das sehr bewusst. Jedes Bild ist ein Original. Mich überrascht es mitunter – zum Beispiel bei meinem letzten Paris Photo Besuch –, dass es erstaunlich wenige Galerien gibt, die Polaroid Originale anbieten. Es sind die wenigen etablierten Galerien, die die großen Namen der siebziger und achtziger Jahre präsentieren. Aber es gibt noch viel zu wenige junge Fotokunst auf Polaroid im Angebot. Ich finde, hier klafft eine Lücke. Eine Chance für Galerien und Sammler. Auch hier versuchen wir etwas zu verändern. Es gilt, die alte Vorstellung zu überwinden, dass ein Polaroid keine gute Qualität habe und vergänglich sei. „Shake it like a Polaroid Picture“: Ein Polaroid Integralbild zu schütteln, war weder notwendig noch der Qualität zuträglich. Ein frisches Trennbild ist dadurch auch kaum schneller trocken. Wir wissen aus eigener Erfahrung: Das Papier altert offensichtlich kaum, und die alten Chemikalien sind viel robuster, als wir das noch in den 90er Jahren glaubten.
Wir haben im Studio kürzlich mit Material von 1986 fotografiert – mit einfach unglaublich schönem Ergebnis. Auf besonderen Wunsch fotografieren wir mit diesem sehr alten Material auch für unsere Kunden. Das ist, als öffne man einen sehr alten, teuren Rotwein. Farbe und Geschmack sind anders geworden, und man weiß bei jedem Schluck: Das ist das letzte Mal. Es war die letzte Flasche aus diesem Jahrgang. Das Schöne beim 20×24 Polaroid: Man kann das Ergebnis an die Wand hängen. Professionell gerahmt, mit UV Schutz, hat man eine Erinnerung für die Ewigkeit. Jedes Polaroid Bild ist ein einzigartiges Kunstwerk. Es ist weder reproduzierbar, noch kann man es erneut ausdrucken. Mit einem Polaroid Bild kann ein Sammler sich sicher sein, dass er ein Original in der Hand hält. Etwas, dass durch die Hand des Künstlers gegangen ist. Polaroid zu sammeln bedeutet, Originale von unvergleichlicher Qualität zu besitzen. Wir werden immer wieder mit der Frage konfrontiert, wie lange das Bild hält, bevor es verblasst. Das gilt es durch Aufklärung zu überwinden. Ich wette, in weniger als zehn Jahren werden Menschen Polaroid als das Ölgemälde der Fotografie ansehen und der Wert von Polaroid Kunst steigt. Das ist erst der Anfang.
Wie wird sich das ganze Thema analoge Fotografie deiner Ansicht nach entwickeln, und was können wir in Zukunft erwarten?
Für uns wird die größte Herausforderung sein, Investoren zu finden, die mit uns einen neuen 20×24 Film entwickeln. Das wäre eine Basis für eine großartige Zukunft. Ich bin der Überzeugung, dass in einer digitalen Welt die Nachfrage nach Analog nicht nur immer bestehen wird, sondern durch die Digitalisierung noch stärker wächst. Viele sehen Analog hier als einen Gegentrend. Das glaube ich nicht. Analog gerät nicht aus der Mode. Natürlich war die digitale Revolution spannend – in fast jeder Hinsicht – und, es werden noch spannendere Themen kommen. Aber eins ist sicher, es wird noch sehr lange dauern, bis digitale Endgeräte mehr als nur zwei Sinne stimulieren können: Das Sehen und das Hören. Analog kann aber mehr: Analog kann man fühlen, schmecken und riechen. Und darauf kommt es an. Aus diesem Grund kaufen Menschen Schallplatten, obwohl man digitale Streaming Dienste nutzen kann. Schallplatten kann man wie Polaroids anfassen. Ein Beispiel von vielen. Darum haben Polaroids einen hohen Stellenwert in einer Welt, in der stündlich Milliarden digitale Bilder entstehen. Ich fand es interessant zu beobachten, wie der Autor André Wilkens „Analog“ als „das neue Bio“ beschrieb, und welche Diskussion darum entstand. Florian Kaps hat mit Supersense in Wien ein tolles Beispiel geliefert, wie man, ungeachtet der digitalen Revolution, analoge Erlebnisse im „stationären Handel“ erfolgreich anbieten kann. Solche Erlebnisse werden immer stärker nachgefragt, je digitaler unsere Umwelt wird. Wenn man es so nimmt, ist die digitale Revolution etwas ganz Wunderbares. Wir haben mit dem 20×24 Studio in Berlin eine weitere großartige Plattform geschaffen. Wir können alle gespannt sein, wie sich das alles in den kommenden Jahren entwickelt. Wir freuen uns sehr.
Mehr Infos: http://20×24-studio-berlin.com