Können Algorithmen Kunst erzeugen oder zerstört Künstliche Intelligenz (KI) die kreativen Potenziale der Fotografie? Werden Kameras durch generatives Imaging überflüssig? Auf Einladung des Photoindustrie-Verbands (PIV) diskutierten Branchenexperten über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Imaging-Branche.
Die Expertenrunde, bestehend aus dem Fotografen Caleb Ridgeway (Das Fotostudio), dem Startup-Unternehmer Cedric Larrat (Deep Art Effects) sowie den KI-Spezialisten Jan Werth (Phytec), war sich einig, dass die Fotografie seit ihren Gründertagen ein technisches System ist, das auf zahlreichen physikalischen und chemischen Voraussetzungen basiert, die zunächst überhaupt nichts mit Kreativität zu tun haben. Die Wissenschaften liefern das Fundament für das „System Fotografie“, welches entweder durch den Menschen oder einer erweiterten Technologie zu herausragenden Kunstwerken führen kann.
Während für Ridgeway die Fotografie ein persönliches Ausdrucksmittel seiner Realität ist, bietet Larrats App auch unkreativen Menschen die Möglichkeit, jedem Bild durch KI einen gewünschten Kunststil zu verpassen und somit ein einzigartiges Produkt zu schaffen. Der KI-Experte Werth sieht hierin keine Divergenz der Ansichten. „Das Besondere an Künstlicher Intelligenz ist, dass das System in der Lage ist, zu lernen – aus sich heraus und vor allem vom Verhalten des Users. Das hieße aber auf die Kreativität angewendet: Algorithmen sind zwar irgendwann mal programmiert worden, das System entwickelt sich aber durch kreatives Zutun des Nutzers immer weiter. Künstliche Intelligenz hat also, wenn sie selbstlernend ist, kreatives Potenzial.“
En gros bewerten die Experten KI als eine Erweiterung der Imaging-Welt, die Prozesse einleitet, mit denen in Zukunft ganz neue Arten von Kunst, Forschung und Kreativität entstehen werden. So ermöglicht beispielsweise das sogenannte „Generative Imaging“ die Entstehung vollkommen neuer Bilder, die nicht nur durch KI entstehen, sondern ebenfalls durch KI auf ihr echtes Aussehen hin überprüft werden: „Das ist eine Revolution im Imaging mit ungeahnten Möglichkeiten, aber auch mit Folgen, dass Bilder beispielsweise von jeglichem Wahrheits- oder Wirklichkeitsanspruch entkoppelt werden“, so Cedric Larrat. Die Forschung und Entwicklung geht aber heute schon weiter: Aus gesprochenen Texten und Beschreibungen werden dank KI generativ neue Bilder geschaffen, die keine bildbezogene Quelle mehr haben und ausschließlich fiktiv sind. Den Beginn des Endes von Kameras bzw. Aufnahmegeräten sehen die Experten aber nicht. Fotografien halten meist besondere Momente und Erinnerungen fest, das kann eine KI nicht leisten. Allerdings kann sie den Fotografen unterstützen, indem beispielsweise passende Fototipps gesprochen und gezeigt werden oder Aufnahmeort und -zeitpunkt optimiert werden.
Da das Angebot an Tools durch den Einsatz von KI potenziert wird, könnte die Kamera von morgen sich über einen eigenen App-Baukasten zusammensetzen lassen. Jeder bestellt nur die Funktionen, die ihn je nach Know-how oder Vorlieben unterstützen.
„Meine eigene kreative Intelligenz ist der künstlichen Intelligenz insofern in künstlerischen Prozessen überlegen, weil nur ich weiß, was ich eigentlich fotografieren will und was ich genau tun muss, um die Idee in ein starkes Bild umzusetzen. Trotzdem kann ich mir natürlich einige Bereiche in meiner beruflichen Tätigkeit als Profifotograf vorstellen, in denen mir Künstliche Intelligenz hilft wie beispielsweise bei der Selektion großer Foto-Mengen oder auch in der perfekten Postproduktion von Videos“, resümiert Caleb Ridgeway die Ergebnisse der PIV Expertenrunde aus Sicht eines Foto-Praktikers. Bezüglich kreativer Prozesse scheint die Symbiose aus künstlicher und menschlicher Intelligenz die beste Lösung für die Zukunft zu sein.