Fotografie und Humor? Fotografie macht man, Humor hat man. Fotografie kommt in unseren Breiten oft ganz ohne Humor aus. Wie unterhaltsam es jedoch sein kann, wenn eine Künstlerin sich so gar nicht ernst nimmt und voller Humor durch eine Ausstellung ihrer Kunstobjekte und Fotografien führt, durfte Hendrik Neubauer erst neulich erleben. Es hat es einfach mal aufgeschrieben und sich ein paar weitergehende Fragen gestellt. Wie immer „Ungefragt“.
Was für ein irrer Einfall ist das menschliche Leben, das wir mit dem Tod bezahlen? Bettina Gruber führte an einem Aprilsonntag durch ihre Retrospektive „Aus dem zephyrischen Fundus“, die in den Kunsträumen der Michael Horbach Stiftung zu sehen war. „Saal der Eitelkeit“, „Salon der Huldigung“, „Rumpelkammer der Erleuchtung“ und „Kabinett der Zwischenwelt“ hat Gruber die Räume genannt. Sie sei die meiste Zeit ihres Leben ja mit sich allein gewesen, was lag da näher, als in unterschiedlichste Rollen zu schlüpfen. 2019 hat sich Gruber als alten Mann inszeniert. Im „Salon der Eitelkeit“ beisst sich diese Aufnahme mit agilen Selbstinszenierungen aus den frühen Jahren. Hier waren auch die kuriosen Szenerien mit Hunden und Pflanzen zu sehen, die sie bekannt gemacht haben. Ein zotteliger Hund sitzt vor einem Glas Rotwein. Der Titel hält den Davorstehenden einen Spiegel vor: „Zuviel Rilke“. Ihre Arbeiten haben dabei oft etwas Renaissancehaftes. Die Künstlerin im weiten Gewand wandelt barfuss auf zwei Schildkröten balancierend und liest dabei in einem Buch, das in den Händen hält. „Lentimentale Reise“ hat es sie es genannt. Kann man langsamer und zugleich unsicherer reisen? Was auch immer die Bilder bedeuten sollen, Gruber erklärt sie nicht. Sie erzählt Anekdoten aus ihrem Leben und nimmt sich dabei nie allzu ernst. Sie versteht es, Skurrilitäten in feinsinnige Poesie zu verwandeln.
Szenenwechsel. Ich dachte bis dato ja immer, Jeff Wall sei ein humorvoller Mensch. Bis ich jetzt in einem Interview mit ihm las, er halte den Humor für einen wenig vielversprechenden Modus in der Kunst. „Der Betrachter kann Sinn für Humor haben, das Kunstwerk braucht ihn nicht. Insomnia, mein Foto von einem Mann, der schlaflos unter einem Küchentisch liegt, könnte man als lustig bezeichnen. Weil es irgendwie absurd ist, wenn jemand um drei Uhr morgens auf dem Küchenboden landet und dort dem Geräusch des Kühlschranks zuhört. Man kann über diese Szene lachen oder aber sie als traurig und beunruhigend deuten. Großartige Bilder schreiben dem Betrachter keine Gefühle vor, sie lassen verschiedene Stimmungen zu.“
Wo fängt die Kunst an? Wo hört der Humor auf? Wer die Fotografie liebt und gerne lacht oder zumindest schmunzelt, der will das eigentlich nicht wissen. Kunst ist doch auch immer Leben auf Probe. Somit kann sie von ihrer Natur aus gar nicht todernst sein. Und setzt Humor nicht auch immer Spitzen gegen die Realität. Wobei mir einfällt? Kaufen Hundeliebhaber eigentlich auch die Hundebücher von Elliot Erwitt? Oder fühlen sie einfach nur auf den Arm genommen. Dem Fotogaleristen Robert Morat jedenfalls gilt Erwitt als schlagendes Beispiel für einen Fotografen mit Humor. „Sein Geheimnis ist ja nicht, dass er dabei war, als etwas passierte, sondern dass er es gesehen hat! Und uns als Betrachter dann daran teilhaben lässt.“
Humor entsteht oft durch das Nicht-Zusammenpassende, das Paradoxe, das Absurde. Davon wissen Heidi und Hans-Jürgen Koch so manche Geschichte zu erzählen. So haben sie eine Serie über Tierspielzeug fotografiert. Zu sehen sind darin u.a. Fotos von „Handgranaten“ aus Hartgummi, die sich lauft Herstellerbeschreibung hervorragend zum Apportieren eignen. „Also wenn schon, dann bevorzugen wir Humor, der möglichst subtil ist; Synonyme wären: spitzfindig, tückisch, raffiniert, aber auch schwierig. Wir mögen das, weil wir die Welt so sehen. Und dann gibt es natürlich noch diejenigen, die Bilder anschauen. Manche können Humoriges nur schwer verkraften. Die sind dann nicht lustig.“
Ob sich lautes Auflachen oder ein Schmunzelreflex im nächsten Moment zum Nachdenken wandelt? Wer vermag das schon zu sagen. Aber auf den Versuch kommt es an. Und doch regiert der Ernst die deutsche Fotografie. “Humor. Das muss schon in einem sein. Es gibt Fotografen, die nehmen sich und ihre Werke so ernst, da können einem die Tränen kommen, so köstlich ist das. Die Wahrscheinlichkeit ist ziemlich hoch, dass diese Kreativen ein gravierendes Humordefizit aufweisen. Da muss man mit leben, sind schließlich auch nur Menschen. Ein Grund für mangelnde Heiterkeit mag die Tatsache sein, dass Fotografen in der Regel wenig zu lachen haben“, zu diesem Fazit kommen die Kochs zu diesem Thema. Ich sehe zwei schmunzelnde Menschen vor mir, die im Strandcaféin die Sonne blinzeln und den Möwen zuschauen. Die beiden erinnern mich an einen Ausspruch des Schauspielers Peter Ustinov, der einmal meinte: „Humor ist einfach eine komische Art, ernst zu sein.“
Bettina Gruber
http://www.kontrastlab.de/268.html
Jeff Wall
https://www.zeit.de/2010/26/Interview-J-Wall/komplettansicht
Robert Morat
https://www.photoscala.de/2009/05/24/in-der-kunst-ist-nichts-schwieriger-als-humor/
Heidi und Hans-Jürgen Koch
http://lifeformphotography.com/Artist.asp?ArtistID=25775&AKey=X2PSXC57&ajx=1#!asset22673