Neu in der Edition ProfiFoto: die erweiterte Neuauflage des Fachbuches zum Thema Filterfotografie. Der Fotograf Uwe Statz erklärt darin anschaulich, wann sich der Filtereinsatz lohnt, für welches Motiv welcher Filter sinnvoll ist und welches zusätzliche Equipment notwendig sein kann.
Bekanntlich gibt es Polarisationsfilter, Verlaufsfilter, Graufilter, Farbfilter und Effektfilter, um nur einige zu nennen. Filter vor dem Objektiv helfen, besondere Stimmungen zu vermitteln, Dynamik in die Bilder zu bringen oder bestimmte Motivbereiche zu akzentuieren. Simple Rapsfelder bekommen so eine bedrohliche Wirkung und Wasserfälle fließen durch die Kombination aus ND- und Polfilter wie in einer Fabelwelt. Anhand vieler Beispielfotos – ohne und mit Filter aufgenommen – und einem aussagekräftigen »Werdegang« bis zur endgültigen gelungenen Aufnahme vermittelt das Buch einen tiefen Einblick in die kreativen Möglichkeiten der Fotografie mit Filtern. Eine dem Buch beigelegte Karte hilft bei der Ermittlung von ND-Filter-Belichtungszeiten.
Kaskaden und Wasserfälle
Uwe Statz: „Fließendes Wasser ist für mich eine besondere fotografische Herausforderung. Frankreich, eines der reizvollsten Länder in unserer Nachbarschaft, hat gerade in diesem Punkt sehr viel zu bieten. Viele Flüsse, die sich durch enge Schluchten pressen und steile, schroffe Felswände hinabstürzen, wecken meine Begeisterung. Die Begeisterung ist aber auch immer von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Einer der Faktoren sind die Menschenmassen, die eventuell die fotografischen Ausdruckmöglichkeiten mehr oder weniger einschränken, indem sie unter Umständen mit ins Bild integriert werden müssen.
Ein weiterer Hauptfaktor ist für mich das Wasser. Klar, ohne gibt es keinen Wasserfall. Wasser kann jedoch mal mehr oder weniger stark vorhanden sein beziehungsweise fließen, und damit sind die fotografischen Anforderungen auch sehr unterschiedlich. Sehr oft sind Wasserfälle nur zu Fuß zu erreichen. Das ist auch gut so, denn sonst wären die Plätze wahrscheinlich komplett überlaufen. Das mit dem »zu Fuß zu erreichen« hat aber auch einen »Haken«, der da Tragen heißt. Ich meine nicht das zehnminütige Tragen, nein, schon ein wenig länger. Es geht auch nicht um das Tragen schlechthin. Es geht mehr um das Tragen ins Ungewisse, denn oft weiß man gar nicht, was einen nach der einen Stunde Fußmarsch erwartet. Letztes Jahr (2015) fotografierte ich im »Sommerurlaub« für dieses Buch viel Wasser in Frankreich. Eines der Ziele waren die »Cascade du herisson«. Diese bestehen aus sieben einzelnen Wasserfällen, die sich auf sehr beeindrucke Weise ins Tal stürzen können. Nachdem man sein Auto abgestellt hat, kann man von Wasserfall zu Wasserfall auf einem mehr oder weniger ausgebauten Weg stundenlang wandern. Ich war schon mehrmals dort und so war ich 2015 auch sehr zuversichtlich, dass ich vielleicht ganz besondere Wasseraufnahmen machen würde. In diesem Sommer war es in ganz Europa sehr heiß und extrem trocken. Sie merken sicherlich jetzt schon, worauf ich hinaus will. An der ersten Kaskade ankommend, merkte ich schon, dass der Wasserstand ziemlich übersichtlich war. Dachte, dass er ja noch zunehmen konnte, und lief den langen Weg bei über 30 Grad Außentemperatur weiter. Nach der dritten Kaskade war ich nicht nur platt, sondern auch sehr enttäuscht. Erkennend, dass das Wasser sogar abnahm, brach ich mein Vorhaben desillusioniert ab. Ich kann Ihnen versichern, dass in dem Augenblick mein Rucksack keine 15 Kilogramm mehr wog, nein, fortan klebte er sehr bleiern und klammeraffenartig auf meinem Körper.
Das nächste Ziel war der Saut-du-Doubs, der Doubssprung, ein Wasserfall von ca. 30 Meter Höhe, den man von unterschiedlich hohen Aussichtspunkten in verschiedenen Blickwinkeln bestaunen kann. Um hierhin zu gelangen, muss man einen einstündigen, sehr steilen Waldweg fernab vom Fluss entlangwandern. An der Doubs angekommen, brach es aus mir heraus: »Wo ist denn bloß das Wasser geblieben?« Fast das ganze Flussbett war leer und nur ein relativ kleiner Wasserstrom war übrig geblieben. Doch hier konnte man aufgrund des geringen Wasserstands nun Regionen betreten und fotografieren, die bei normalem Wasserstand gar nicht erreichbar waren. Das fand ich jetzt sehr vorteilhaft, denn die großen, mächtigen Steine der Doubs waren mit Wasserpflanzen bewachsen, die vertrocknet eine ganz besondere Zeichnung hinterließen. Die ganzen Steine sahen wie »Beatlesköpfe« bzw. sehr gekämmt aus. Ich suchte mir gleich ein Motiv.
Nachdem das Motiv gefunden war, machte ich das erste Bild ohne und das zweite mit Polfilter. Hier konnte ich schon sehen, dass die Entspiegelung gut funktionierte, jetzt musste ich nur noch die Kontraste, meine »Problemzonen« in den Griff bekommen. Abdunkeln war klar, doch wie sollte ich das tun? Ich benutzte einen Filterhalter von Haida. Bei diesem kann ich einen Polfilter unabhängig vom Verlaufsfilter und dessen Wirkung benutzen. So suchte ich nach dem Einbau des Polfilters mein Motiv nach Möglichkeiten ab. Ich erkannte, nachdem die Sonne mal wegging und gleich wieder anfing, zu scheinen, dass mit dem Wiederkommen der Sonne eine diagonale »Lichtlinie« von links oben nach rechts unten entstand. So setzte ich einen 0.9- Softverlaufsfilter ein. Es musste auch ein stärkerer Filter mit softem Verlauf sein, weil ja keine klar definierte Linie da war, an der ich einen Hartverlaufsfilter hätte benutzen können. Stärker deshalb, weil der Unterschied von Schatten und direktem Sonnenlicht groß war. Der erste Versuch war gut, aber noch nicht gut genug. Es waren immer noch zu starke Helligkeitsunterschiede und ausgefressene Lichter zu erkennen. Also nahm ich einen Hardverlaufsfilter der Stärke 0.3 hinzu. Diesen schob ich aber nicht ganz so weit wie den Softverlaufsfilter ein. So konnten der softe bis knapp über schäumende Wasserregion und der harte etwas oberhalb die Regionen abdunkeln. Siehe da, es klappte.
Nun war mir der Wasserbereich noch zu unruhig und deshalb nahm ich einen ND-Filter, um das Wasser weicher darstellen zu können.
Für dieses Bild benutzte ich vier Filter von NiSi/Lensinghouse mit einem 100er-Filterhalter von Haida. Nur dieser bietet die Möglichkeit, drei Einschubfilter und einen zusätzlichen Polfilter benutzen zu können.
Nach dieser Aufnahme suchte ich die unterschiedlichen Aussichtsplattformen auf, schaute mich nach Motiven mit dem großen Doubssprung um und fand leider keinen Standpunkt, an dem ich ein Foto machen wollte. Das dachte ich mir aber auch schon, denn die Sicht von oben nach unten, die Draufsicht auf das fallende Wasser hatte ich bis jetzt für eine Langzeitbelichtung noch nie toll gefunden. Nun, was blieb mir anderes übrig, als einen der Abwärtswege einzuschlagen, um den Sprung von unten nach oben anschauen zu können. Dies
ist eigentlich ein Bereich, der für Touristen nicht erschlossen ist. Das merkte ich daran, dass die Pfade immer steiler und schmaler wurden. Das war schon etwas knifflig und da kam mir mein Stativ zu Hilfe. Das stabile Manfrotto-Stativ setzte ich als »Gehhilfe« ein; indem ich ein Bein ausfuhr, konnte ich mich super daran abstützen. »Unten« angekommen konnte ich nur wenige Punkte ausfindig machen, an denen wohl ein Foto gelingen konnte. Es lagen immer wieder zu große Felsen im Weg, die mir ein Durchkommen unmöglich machten. Ich hatte ja immer den 15-Kilogramm-Fotorucksack im Rücken. Mit diesem kann man schnell mal das Gleichgewicht verlieren und das wollte ich nun wieder nicht riskieren. Die Lichtsituation war eindeutig schwierig, weil der Wasserfall komplett im Schatten lag und ein Teil der seitlichen Wand sonnenbeschienen war. Also versuchte ich mein erstes Bild. Am Anfang ohne Filter, dann mit Polfilter.
Ich hatte das Gefühl, dass ich mehrere Flächen, die zu hell waren, abdunkeln musste. Mal sehen, ob das in den Griff zu bekommen war. So benutze ich neben dem Polfilter einen 0.6-Hardverlaufsfilter, den ich von links diagonal in den Halter schob. Das brachte gleich eine deutliche Abschwächung der Kontraste. Sie waren noch immer zu hoch und ich hatte das Gefühl, dass ich zusätzlich von oben abschwächen musste. Wie sollte ich das in den Griff bekommen? Hierzu hielt ich einen 0.9-Softverlaufsfilter mit der Hand vor den Filterhalter. So konnte ich den Polfilter in der richtigen Stellung gedreht mit dem diagonal wirkenden Hardverlaufsfilter und dem »händischen« Softverlaufsfilter benutzen. Ich war erst beeindruckt, denn es hatte funktioniert. Doch das Bild fand ich nicht so prickelnd. Es war noch zu viel Unruhe im Bild zu sehen. Um diese wegzubekommen, hätte ich eine längere Zeit benötigt. Da ich den Filter in dieser Position kaum halten konnte, war klar, dass das so nicht gehen konnte. Deshalb versuchte ich eine Brennweitenänderung und zoomte von 24 mm auf 48 mm ein.
Durch das Einzoomen auf 48 mm hatte ich auch weniger Problemzonen im Bild und konnte leichter agieren. Im ersten Bild ohne Polfilter kann man deutlich sehen, dass nun nur noch der obere Teil in seiner Helligkeit reduziert werden musste.
Da ich fand, dass eine horizontale Aufnahme besser wirkte, suchte ich mir einen neuen Standpunkt. Ein etwas tiefer gelegener Felsen war sehr gut und besser als der vorige Ausblick. Ich machte gerade meine ersten Aufnahmen, als sich die Lichtsituation total änderte. Die Sonne schien viel stärker und ich musste meine Einstellungen ändern und sah, dass jetzt ein diagonaler Verlauf super zur Lichtsituation passen sollte.
Nachdem ich nun die Kontraste mit einem 0.9-Hardverlaufsfilter im Griff hatte, konnte ich versuchen, ob ich die Wasseroberfläche noch ruhiger bekam. Dies gelingt, wie Sie ja mit Sicherheit schon erahnen, mit einem ND-Filter. Das ist nicht besonders spektakulär. Den hätte ich gern gleich an meinem 100er-Filter-Halter befestigt, die Aufnahme gemacht, eingepackt und den Heimweg angetreten. Da ich »Besuch« bekommen hatte und dieser Besuch auch noch im Wasser zu schwimmen begann, musste ich ausharren und warten.
Die Aufnahme in Abbildung 5.198 war/ist mein Favorit aus der Serie. Zu Abbildung 5.182 hatte ich nur den Standpunkt leicht verändert. Die Steine im Vordergrund bilden eine Art Wegweiser zum Wasserfall und durch sie bildet sich mehr Tiefe im Bild. Das empfinde ich bei dieser Aufnahme als sehr gewinnbringend. Nun konnte ich meinen Heimweg antreten. Oben angekommen war ich zwar total platt, hatte schier unlöschbaren Durst, war aber innerlich sehr zufrieden. Denn meine Aufnahmen hatten die Strapazen wieder wettgemacht und das, obwohl eigentlich sehr wenig Wasser in der Doubs floss und ich anfänglich echt enttäuscht war. Manchmal kommt es eben doch anders, als man denkt.
Am nächsten Tag kam ich zu den Wasserfällen im »Gorges de la Languette«, die im französischen Jura liegen. Auch hier wird man über einen gesicherten Weg durch die schöne Schlucht geführt. Diesmal wusste ich, dass die Schlucht nicht so lang und damit der Fußweg nicht so kräfteraubend sein sollte. Deshalb ließ ich erst mal meine Fotosachen im Auto. Mein Körper war ja noch vom Vortag etwas »angetan« und da wollte ich zuerst die Schlucht erkunden. Dabei fiel mir bei den schönsten Wasserfällen ganz am Ende der Schlucht auf, dass man von der anderen Seite bis auf 100 Meter mit dem Auto auf einen Parkplatz fahren konnte. Das sah doch schon mal gut aus. Jetzt musste ich die Fotoausrüstung nicht so weit tragen. Das gefiel mir sehr, was Sie bestimmt nachvollziehen können. Hier war das fallende Wasser von Felsen und Pflanzen eingerahmt. Das bedeutete, dass ich bei diesen Lichtbedingungen einen Polfilter und einen ND-Filter benutzen sollte. Ich fing an in der Halbautomatik A (Canon: Av), bei der sich die Belichtungszeit von der Kamera gesteuert anpasst und nur die Blende vorgewählt wird. Das erste Bild ist wieder ohne und das zweite mit Polfilter aufgenommen. Hier kann man in den Blättern auf der rechten Seite und im stehenden Wasser gut die Wirkung, die Entspiegelung erkennen. Das war schon mal gut, aber auch zu erwarten. Nun kam der »Anmutungsfilter«, der ND-Filter an die Reihe. Jetzt wollte ich den eigentlichen Ausdruck schaffen. So ermittelte ich wieder mit meiner Tabelle den benötigten Filter und kam bei einer gewünschten Belichtungszeit von ca. 30 Sekunden auf den ND-Filter der Stärke von 1.8. 30 Sekunden deshalb, weil ich alle feinen Wasserbewegungen auflösen wollte und diese bei kürzeren Zeiten wie einer Sekunde noch zu sehen sind. Jetzt konnte ich wie gewohnt meine Aufnahmen im M-Modus machen.
DIE EDITION PROFIFOTO
Die Experten der Redaktion ProfiFoto und aus dem mitp-Verlag bündeln ihr Know-how und publizieren in Zusammenarbeit mit erfahrenen Autoren, die unmittelbar aus der Foto-Praxis kommen, eine einmalige Fachbuchreihe „made for professionals“: Ergänzend und flankierend zum Magazin ProfiFoto bieten die mitp-Bücher der Edition professionelles Wissen zum richtigen Umgang und zur effizienten Nutzung digitaler Fototechnik und Bildbearbeitung.
Filterfotografie
von Uwe Statz, mitp Verlag 2019, 1. Auflage 2019, 320 Seiten, Softcover, Format 22 x 22 cm, ISBN 978-3-95845-662-4, 39,99 Euro
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