Retro-Trends machen auch vor der Fotografie nicht halt. So kehrt langsam aber sicher die analoge Fotografie zurück. Sie trifft auf einen Markt, in dem sich das digitale Fotografieren durchgesetzt hat. Analog meets digital. Es gibt Professionals, die lieben das Analoge, für die anderen ist es einfach nur Mumpitz. Wir haben uns umgehört.
Das wollten wir wissen:
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Hopp oder Topp? Die analoge Fototechnik, die Arbeitsweise, die Bearbeitung?
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Analog oder digital: Was bevorzugen Sie?
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Worin liegt der Unterschied im Endergebnis?
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Entweder, oder? Bestimmt der Zweck die Mittel?
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Welche Marktchancen hat die analoge Fotografie?
Robin Preston, Fotograf, Nikon Ambassador, www.robin-preston.com
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Das Wort Fotografie stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Malen mit Licht“. Die analoge Fotografie erscheint vielen als neues Medium, dabei gerät die eigentliche Innovation ein wenig ins Hintertreffen. Das Neue sind die Filter, die den Look alter Fotografien auf Film erst interessant gemacht haben. Was viele junge und alte Fotofans für das Arbeiten mit Filmen begeistert hat. Einige Fotografen meinen, sich mit der analogen Fotografie für neue Märkte interessant machen zu können. Viele Menschen denken heute, Fotografie sei Kunst, sie entwickelt dabei eine inhärente Anziehungskraft für die, die danach streben, etwas von andauerndem Wert schaffen zu wollen. Meiner Ansicht nach, und das bestätigt die Evolution der Fotografie, hat sich in der Nutzung des Lichtes, um Bilder zu erzeugen, nichts geändert – weder auf Holz, Glas, Film oder Silikon.
Mir ist es auch suspekt, wenn Leute in große Zuneigung oder gar dem Glauben verfallen, dass ihre Bilder „besser“ seien, wenn es einfach nur schwerer ist, die Fotos zu entwickeln.
Um die Geschichte abzukürzen: ich denke, dass man mit jedem Medium kreativ arbeiten kann. Aber ich glaube, dass das digitale Arbeiten die gesamte Ästhetik des Analogen mit einschließt. Warum sollte man also Zeit und Geld und fragwürdige Chemikalien investieren, um Bilder zu produzieren, die auch mit Silikon erzielt werden können?
Ich sage noch immer: „Ich entwickele meine Bilder“. Ich verwende aber heute ein Computer-Programm anstatt einer Dunkelkammer. Ich nenne das „Digitale-Dunkelkammer-Techniken“. Und mein Credo lautet: „Denke analog, arbeite digital.“
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Digitale Fotogafie. Kein Mensch braucht heutzutage Dunkelkammern und gefährliche Chemikalien für die Postproduktion eines Bildes. Ein Computerbildschirm im Studio anstatt von Cliptests und der Erfahrung eines Farblabors, das reicht aus. Und die digitale Produktion eröffnet dem Fotografen mehr Entwicklungs- und Editing-Möglichkeiten. Das Arbeiten mit einer analogen Kamera, das würden meine Kunden aus der Werbebranche nicht verstehen. Was treibst du da eigentlich, würde mich der junge Art Director einer Agentur fragen. Und gewissermaßen als Fußnote: Frag einen Fotojournalisten, Sport- oder Hochzeitsfotografen, welche Arbeitsform sie bevorzugen, du wirst immer die Antwort „Digital“ bekommen.
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Es gibt keinen Unterschied. Dieser liegt an den Fähigkeiten und dem Equipment des Fotografen und seiner Fertigkeit, Bilder zu entwickeln. Analog oder Digital macht nicht den Unterschied. Ich halte es für reine Attitüde zu glauben, allein der Gebrauch von Rollfilmen, die einem Fotografen mehr Zeit für die Bildkomposition und für die Entwicklung abverlangen, mache die Bilder besser oder kreativer. Dieser Prozess ist derselbe, ob nun analog oder digital, und wer nicht den Grundprinzipien der Fotografie folgt, der wird auch nicht das Optimum aus seiner Fotografie herausholen.
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Wenn du Student bist und cool sein willst, um dich von deinen Altersgenossen abzusetzen, wenn der Hobbyfotograf nach einen neuen Medium sucht, wenn du Fotokünstler bist und du nach guten Möglichkeit suchst, deine Fine-Art-Prints aufzuwerten und zu vermarkten… Es leuchtet mir ein, dass diese Menschen analoge Techniken verwenden wollen.
Andererseits kann ich nicht verstehen, warum jemand 2018 nicht die momentan aktuelle Technik benutzt! Frag Eugene Atget, wenn du könntest. Dieser frühe Pionier der Street Photography starb daran, dass er Arsen benutzte, um seine Fotos in der Dunkelkammer zu entwickeln.
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Im professionellen Markt hat die analoge Fotografie keine Chancen. Im Amateurmarkt, so glaube ich, ist sie eine vorübergehende Modeerscheinung.
Wolf Konrad-von Appen, analogueNOW, Festival für Analogie Fotografie, analogue-now.com/
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Die analoge Fototechnik ist dabei, sich als Kunstform und Handwerkskunst zu etablieren und steht nicht in Konkurrenz zur digitalen Fototechnik. So wie auch die Malerei nach Erfindung der Fotografie bis heute besteht. Die analoge Arbeitsweise erzwingt Ruhe, Konzentration auf den fotografischen Prozess und die Auseinandersetzung mit dem Sujet. Die analoge Bildbearbeitung erfordert motorische und sensorische Fähigkeiten, die dem Menschen gegeben sind, die aber bei der digitalen Bearbeitung nicht abgefordert werden. Man kann Freude daran haben, diese Fähigkeiten zu entwickeln und zu fördern. Oder man lässt es.
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Digital für die tägliche schnelle Arbeit, analog für die Freude an der Kunst zu fotografieren.
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Man sieht dem Ergebnis die Art der Entstehung an. Konzentration, Ruhe und Gelassenheit versus Schnelligkeit, maximale Anzahl an Parametereinstellungen und Ver-/Entfremdung. Und im SW-Bereich: Die Anzahl der Grautöne beim Digitaldruck ist begrenzt, nicht so bei Silbergelatine-Abzügen. Das sieht und spürt man.
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Der Zweck bestimmt die Mittel? Ja. Meine Präferenzen (s. 2) beantworten auch diese Frage.
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Die analoge Fotografie wird sich als Nischenmarkt mit momentan nicht absehbarem Volumen etablieren. Voraussetzung: Dieser Markt akzeptiert Preise auf Manufaktur-Niveau, die nicht mit dem Massenmarkt vor dem Jahre 2000 ver-glichen werden dürfen. Momentan ist das nicht der Fall, weswegen akut die Gefahr besteht, dass in absehbarer Zeit, nämlich wenn die „alten“ Idealisten ausgestorben sind, kein analoges Material mehr zur Verfügung steht. Am Ende muss sich der Markt für alle rechnen.
Rüdiger Glatz, Fotograf, ruedigerglatz.com
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Die analoge Fotografie stellt die Grundlage sowohl meines technischen als auch ästhetischen Verständnisses für meine Fotografie dar. Mit ihr begann ich, wechselte zum Digitalen, wobei meine digitalen Arbeitsschritte auf genau meinem existenten Verständnis basierten. Nach 12 Jahren fing ich wieder an, mit der analogen Fotografie zu experimentieren, und fügte noch das Großformat hinzu. Ich habe vor, sowohl den rein analogen Arbeitsprozess, als auch den hybriden Arbeitsprozess zu beschreiten. Momentan arbeite ich hybrid. Ziel ist es, meine technischen Möglichkeiten für meinen Stil zu entwickeln.
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Fotografie mit all ihren Möglichkeiten.
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In meinem Fall in erster Linie das visuelle Ergebnis bei Formaten (GF), die digital gar nicht oder nur sehr eingeschränkt verfügbar sind, und der Moment der Aufnahme. Beim Einsatz von Filmmaterial habe ich eine etwas andere Wahrnehmung, Ruhe und Fokus.
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Ein ganz klares „Ja“.
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Ich fühle den Trend wieder zum Analogen in meinem Umfeld und aufgrund der immer schneller werdenden Kommunikationsstrukturen denke ich, es ist eine logische Gegenbewegung, vergleichbar mit dem Slow-Food in der Ernährung. Ein Gegenpol, der aus meiner Sicht seine Nische finden wird. Wir können nur hoffen, dass die kritische Masse erreicht wird und erhalten bleibt, so dass die Technik und seine Lieferantenstrukturen Bestand haben werden.
Murat Tueremis, Fotograf, www.murattueremis.de
Foto: © Dania Alkamell
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Wenn man analoge Fototechniken gelernt hat, ist es unglaublich befriedigend, wenn am Ende ein Foto herauskommt, das alles in sich hat. Mit Licht zu zeichnen, egal welche Technik man verwendet, welchen Prozeß – ob SW, C41 oder andere – es läuft alles durch meine Hände, es riecht, man hat Herzklopfen, die Gefahr, das was daneben geht, ist immer da. Das genau ist auch der Reiz an der analogen Technik. Es ist Handwerk, es ist individuell. Von Anfang bis zum Ende ist es mein Werk. Darin liegt der Reiz der analogen Fotografie. Es ist etwas für Geduldige, es ist etwas für Romantiker und Abenteurer, die sich auf Risikos einlassen wollen. Es ist gewiss anstrengender. Die Belohnung ist eine mentale Befriedigung und Glück, das man fühlen kann.
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SW und CN auf Mittelformat 6×6 und 6×9 oder für Reportagen oder Privates meine Leica M6, ich entscheide das je nach Aufgabenstellung und Geschichte, die ich fotografiere.
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Analog heißt für mich, dass ich bereits während des Fotografierens die Kontrolle über mein Material habe. Beim Digitalen schiebe ich hinterher Regler hin und her, drück Knöpfchen bis etwas so aussieht, wie es mir gefällt. Da wird im Hintergrund mit Algorithmen durch eine Software bestimmt, was rauskommt. Das ist für mich unpersönlich, eben ein Look, der beliebig oft kopierbar ist, der von Softwareentwicklern entworfen wurde. Es ist vorherbestimmt. Es macht aus Nicht-Kreativen kreative Menschen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Ich persönlich möchte meinen persönlichen Anteil in meiner Arbeit sehen können, und das ist erst einmal nur für mich wichtig. Das gelingt mir doch eher bei der analogen Technik, das hat mit meinem Gefühl zu tun, das „Ich“ etwas geschaffen habe. Für den Kunden ist es nicht relevant. Das Digitale ist glatt! Es kann durch eine Software aber so bearbeitet werden, als wäre es analog entstanden.
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Aufträge werden digital erarbeitet. Das ist völlig in Ordnung. Der Kunde will das, und wenn er dies bezahlt, wunderbar. Es ist schön, und wenn man seinen Workflow eingerichtet hat, läuft es schnell; ja, aus der beruflichen Sicht spricht nichts gegen das digitale Fotografieren. Der Zeitfaktor bestimmt heute das Arbeiten mehr denn je. Gleich sehen, gleich weitergeben.
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Das interessiert mich nicht. Nur insoweit, als ich hoffe, dass es weiterhin Filmmaterial, Papier und Chemie dafür gibt, um damit arbeiten zu können. Ich vermisse zum Beispiel die Kodakchrome-Filme. Wenn es sein muss, dann werde ich eben auch mit alten Techniken, die am Anfang der Fotografie verwendet wurden, arbeiten. Oder ich stelle mein eigenes Material her und fotografiere mit der Lochkamera… geht alles ohne Akkus. Wenn es Kunden gibt, die sich dafür interessieren, bin ich gerne dabei, analog zu fotografieren. Ich begrüße jede unternehmerische Investition in die analoge Fotografie-Technik. Vielleicht entstehen ja noch ganz andere neue Entwicklungen.
Dominique Ventzke, Trommelscan-Dienstleister, Fotograf, www.high-end-scans.de
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Analoge Fototechnik funktioniert nach wie vor und bietet alternative Ausdrucksmöglichkeiten. In gro-ßen Formaten hat Film gegenüber der aktuellen Digitaltechnik bei der Einzelbildaufnahme sogar immer noch ein größeres technisches Potential hinsichtlich der Bildqualität. Nur ist der Gesamtaufwand dafür mit der Großformatkamera, der Entwicklung und einer hochwertigen Digitalisierung über einen Trommelscanner mit anschließender Ausfleckretusche deutlich größer.
Wenn man hybrid arbeitet, also das analog aufgenommene Foto digital weiterverarbeitet, ist eine hochwertige Digitalisierung essentiell, um den analogen Charakter des Bildes möglichst zu erhalten. Für einige Hobbyfotografen ist aber auch die rein analoge Verarbeitung eines Bildes interessant, sei es mit Diafilm, wo die Bilder in hervorragender Qualität auf dem Leuchtpult oder in der Projektion auf der Leinwand betrachtet werden können, oder mit Negativfilm, von dem in der Dunkelkammer Vergrößerungen oder Kontaktabzüge erstellt werden. Ich denke, dass gerade dieses haptische Erlebnis, mit physischem Bildmaterial zu arbeiten, einen großen Reiz der analogen Fotografie ausmacht und somit während des kreativen Schaffensprozesses viel Freude bereiten kann.
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Ich weiß beide Technologien zu schätzen. Für spontane Fotografie nutze ich heutzutage Digitalkameras. In meiner künstlerischen Fotografie gibt es jedoch Bildideen, die ich in der gewünschten Qualität nur analog fotografieren kann. Dafür nutze ich dann 8×10- oder 11×14-Inch-Diafilm, den ich selbst entwickle und anschließend mit dem Trommelscanner digitalisiere. Ich habe aber auf der anderen Seite auch Bildideen, die sich ausschließlich mit digitaler Fototechnik realisieren lassen. Ich bin sehr froh, mit beiden Technologien arbeiten zu können.
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Ich denke, dass vor allem die Art und Weise, wie Film auf Licht reagiert, die Tonwerte nicht-linear zu erfassen und die Lichter über einen sehr langen Bereich noch trennen zu können, einen charakteristischen analogen Look ausmachen. Dazu kommt oftmals die Körnigkeit, wenn man stark vergrößert, die der filmbasierten Fotografie eine organische Ästhetik verleiht. Doch das ist nicht alles. Durch die Wahl des Aufnahmeformats, der Optik, des Filmtyps oder über die Verwendung früher fotografischer Verfahren, wie zum Beispiel Ambrotypie, bietet die analoge Fotografie unzählige kreative Möglichkeiten, ganz verschiedene analoge Bildästhetiken zu erzeugen. Die analoge Fotografie lädt auch zum Experimentieren ein, zum Beispiel direkt auf dem Film oder dem Papier, ohne Kamera zu belichten, oder sogar ohne Licht, nur mit Chemie zu arbeiten. Entgegen eines ansonsten präzise geplanten Bildes, kann man analog im Verarbeitungsprozess unberechenbare Zufallsfaktoren erlauben, die ein Bild potentiell zerstören, aber vielleicht auch sehr bereichern können.
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Für mich gilt eindeutig: Der Zweck bestimmt die Mittel! Ich fotografiere sowohl digital als auch analog.
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Den aktuell aufkommenden Retro-Trend, vermehrt analog zu fotografieren, sollten die Filmhersteller als Sprungbrett nutzen, um gezielt Marketing zu betreiben, so dass das Interesse im Bewusstsein der Leute bleibt und nicht nur eine temporäre Modeerscheinung ist. Wenn die Nachfrage nach Film unter ein kritisches Level sinkt, können die großen Filmhersteller (Kodak und Fujifilm) mit ihren auf riesige Mengen ausgelegten Produktionsanlagen Film nicht mehr wirtschaftlich herstellen. Wir haben im vergangenen Jahrzehnt reihenweise erfahren, dass Filmprodukte ersatzlos aus dem Sortiment gestrichen wurden. Leider lässt sich die Produktion für so ein technisch komplexes Produkt wie modernen Farbfilm nicht einfach herunterskalieren. Wenn die Nachfrage ausbleibt, gehen solche Produkte verloren. Die Versorgung mit Schwarz-Weiß-Film sehe ich weniger kritisch. Die Entwicklung der Firma Adox hat gezeigt, dass klassischer SW-Film auch in kleinen Mengen hergestellt werden kann.
Ich denke, bei kommerziellen Fotoproduktionen wird die analoge Fotografie auch in Zukunft nur noch eine Ausnahmeerscheinung bleiben, aber bei Fotografen, die Kunst machen oder als Hobby aus Spaß an der Freude fotografieren, kann sie weiterhin in einem Nischenmarkt Bestand haben.
Michael Ebert, Fotograf, Dozent, Autor, Kurator, www.michaelebert.de
Foto: © Anna Schwartz
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Die Antwort ist vielschichtig, vor allem, wenn man wie ich die Hälfte seiner Karriere analog verbracht hat und obendrein auch die Geschichte der Fotografie lehrt. Digitale Technik bietet viele Vorteile, gerade in der journalistischen Fotografie, in der Geschwindigkeit einen entscheidenden Faktor darstellt. Das gilt sowohl für die Produktion, als auch für die Postproduktion. Wenn die Daten entsprechend gesichert werden, dann sind sie gegenüber der analogen Fotografie deutlich haltbarer. Besonders gilt das für die früher so vergängliche Farbfotografie, denn ein pigmentierter Druck hält deutlich länger als ein C-Print. Vom Umweltschutz will ich gar nicht reden. Verloren gegangen ist die Sinnlichkeit, die Haptik und die Verbindlichkeit des Originals. Wer das Privileg hat, mit Originalen zu arbeiten, der kann das nachempfinden. Das Negativ des Napalm-Mädchens ist ein entwickeltes Stück 35mm Film, das am 8. Juni 1972 auf einer Straße in Vietnam belichtet wurde. Diese unmittelbare Verbindung von Ereignis und Ergebnis kann ein digitales Bild nicht entwickeln. Abgesehen davon hat die Digitalisierung zu einer ungeheuren Dynamisierung der Branche geführt. „Alle Bilder für alle! Sofort!“ war der Titel eines Aufsatzes, den ich schon vor 15 Jahren zu diesem Thema verfasst habe. Diese Prognose hat sich mehr als erfüllt. Wir leben und arbeiten in einer Sintflut der Bilder, die nicht mehr beherrschbar erscheint. Vor zehn Jahren liefen in der Bildredaktion eines großen Magazins täglich ca. 3.500 Bilder in die Rechner, heute sind es über 10.000. Während des Vietnamkrieges konnte die Agentur AP täglich maximal 12 Bilder per Bildfunk aus Saigon versenden. Heute werden Ereignisse in Echtzeit in den sozialen Netzwerken kommuniziert.
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Auch ich fotografiere ganz überwiegend digital und habe manchmal ein flaues Gefühl dabei. Obwohl ich bereits im Jahr 2001 in die Digitalfotografie eingestiegen bin. Aber, ich vermisse schmerzlich das echte Mittelformat, denn alle digitalen „Mittelformatkameras“ haben ein deutlich kleineres Aufnahmeformat als die alten 6x6cm, 6×7 oder gar 6×9 Kameras. Tatsächlich entsprechen sie ja nicht einmal 6×4,5. Das ist ein Format, das gegenüber den hochauflösenden KB-Digitalkameras selten wirklich Sinn macht.
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Digital hat die höhere Qualität und die größere Effizienz. Aber, da gibt es einen Haken: Unverständlicherweise wird die Größe von Bildsensoren meist nur mit ihrer Auflösung verbunden. Unabhängig davon sind die Effekte größerer Aufnahmeformate auf die Bildwirkung immens. Die Brennweite eines Normalobjektivs definiert sich durch die Diagonale des Aufnahmeformates, für 24x36cm sind das aufgerundete 50mm, für 6x6cm 80mm und für 4x5inch schon stolze 150mm. Das bedeutet, in letzterem Fall nutzt man ein Objektiv mit einem Bildwinkel, der ungefähr dem menschlichen Sehen entspricht, aber über die Tiefenschärfe eines 150mm-Tele verfügt und auch in der für Teleobjektive typischen Verdichtung abbildet. Wenn man bedenkt, dass in der vordigitalen Zeit Kameras mit größeren Formaten als Kleinbild weit verbreitet waren, dann wird klar, dass wir durch die flächendeckende Digitalisierung einen gesamten optischen Kosmos verloren haben, der unsere Wahrnehmung auf Bilder nachhaltig geprägt hat. Die Mehrzahl der berühmten Fotografen hat mit Mitteformat gearbeitet, ob Avedon oder Penn. Weegee machte seine düsteren Fotos mit einer 4×5-Pressekamera und auch Fotografen, die wir stark mit KB identifizieren wie Robert Capa und Alfred Eisenstaedt, haben immer auch ihre Rollei genutzt. Ich würde für eine digitale zweiäugige Rollei mit dem Format 6×6 ein kleines Vermögen ausgeben.
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Für Fotografie bis zum Aufnahmeformat 24x36mm sehe ich keinen vernünftigen Grund mehr, auf Film zu arbeiten, wenn man von emotionalen Aspekten und dem fehlenden Original absieht. Wirklich interessant wird es bei Formaten, die größer sind. Wer 4×5 inch oder 8×10 inch verwendet, wird mit einem Bildstil belohnt, der sich deutlich von der digitalen Beliebigkeit abhebt.
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Für die Hersteller spielt analoge Fotografie kaum eine signifikante Rolle mehr. Auch wenn hier und da die Produktpalette wieder erweitert wird, so wie Kodak mit dem neu aufgelegten T-Max 3200. Das Angebot an Filmen ist überschaubar und Fuji hat gerade angekündigt, die Produktion ihrer Neopan-Filme einzustellen.
Nichtsdestotrotz, es bleibt zu wünschen, dass besonders Profifotografen die interessanten Aspekte größerer Formate wiederentdecken und nutzen.
Marc von Martial, Fotograf, Finearts, www.mvmphotography.de
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Topp! Die analoge Fotografie mit all ihren Möglichkeiten und Wegen zum künstlerischen Ausdruck ist unerschöpflich und bietet Profis, Künstlern, Kreativen und Amateuren ein unfassbar weites Feld an Arbeits- und Experimentiermöglichkeiten. Es gibt kaum Tage, an denen man nicht Neues hinzulernt oder über neue Arbeitstechniken und Inspirationen stolpert. Das beschränkt sich nicht nur auf das Aufnahmemedium, auch bei der Aufnahmetechnik, den Kameras, gibt es ein unglaubliches großes Angebot, um seinen Arbeiten einen eigenen Stempel aufzudrücken. Das reicht von normalen „ab Werk“ Kameras über deren Manipulation bis hin zu ersten Selbstbauten, die sich recht einfach bewerkstelligen lassen. Von den Möglichkeiten der Ausarbeitung der Negative oder Positive will ich gar nicht erst anfangen…
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Für meine freien und künstlerischen Arbeiten bevorzuge ich weitestgehend analoge Techniken. Für meine Porträtarbeiten auch.
Für Auftragsarbeiten kommt es immer ein bisschen darauf an, was der Kunde wünscht. In vielen Bereichen, außerhalb der Porträtfotografie, wird natürlich digital verlangt, was auch Sinn macht. Ich sehe das nicht dogmatisch. Das Werkzeug muss zum Job passen.
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Künstlerische Porträtfotografie kann ich mir, für mich persönlich, kaum digital vorstellen. Zumindest nicht bei meinem Ansatz. Vielleicht ändert sich das eines Tages, ich denke aber eher nicht. Mein Umschwenken zur analogen Porträtfotografie geschah sehr bewusst.
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Der Zweck bestimmt die Mittel, das ist für mich ganz klar.
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Die analoge Fotografie lebt seit Jahren. Die Marktchancen sind groß. Das spiegelt sich ja auch in der großen Bandbreite von neuen Produkten wieder. Ganz klar ist jedoch auch, es ist eine Nische. Da ich persönlich aber in meinem „richtigen“ Job seit vielen, vielen Jahren in einer Nische arbeite, weiß ich, dass diese Nische vielfältige Chancen bieten. Es ist schade, dass einige große Firmen, wie zu Beispiel Fujifilm, das nicht erkannt haben und die Produktion von Nischenprodukten, die sie allein bedient haben, ersatzlos eingestellt haben. Ich denke, hier wurden Chancen verpasst. Andere namhafte Firmen springen wieder auf den Zug auf, andere kleinere Firmen kreieren neue Produkte. Das Angebot bleibt in weiten Teilen der analogen Fotografie lebhaft.
Volker Beinhorn, Fotograf, volker-beinhorn.de
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Die Frage „Hopp oder Topp“ stellt sich ja erst nach Einführung der Digitalfotografie, im direkten Vergleich also. Die Fototechnik sollte man beherrschen, wenn man vernünftige Ergebnisse haben möchte. Ich halte das für einen Vorteil gegenüber der Versuch-und Irrtumsstrategie, mit der man sich auch als Unwissender digital bewegen kann.
Die Arbeitsweise ist sehr viel langsamer, ich bin heute froh darüber, gleich zu wissen, „was drauf ist“. Als alter Laborhase, der jeden Film, jedes Papier, jeden Entwickler und etliche Methoden zum Trocknen desselben ausprobiert hat, als jemand, der die Stunden in der Dunkelkammer genossen und als meditativ empfunden hat, freue ich mich, dass dies heute vorbei ist, ich bin einfach durch damit und freue mich, alles genau so am Computer machen zu können. Allerdings möchte ich die analogen Erfahrungen auch nicht missen, jeder, der diese Phase erlebt hat, ist technisch im Vorteil. Man denkt, glaube ich, vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen ganz anders.
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Ganz klar die digitale Fotografie.
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Das Endergebnis ist sehr viel schneller erreicht und genauer, es ist alles besser zu steuern.
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Auftragsarbeiten sind sicherlich analog kaum mehr denkbar, es sei denn, es geht um Kunst mit viel Zeit. Ich habe vor ein paar Jahren noch einmal die Linhof ausgepackt und 4×5-Inch-Porträts gemacht. Das war eine ganz besondere Erfahrung, denn die durch die entschleunigte Arbeitsweise mit voller Konzentration entstandenen Bilder waren extrem „ehrlich“, eher eine Offenbarung, das wäre digital mit Kleinbild nicht möglich gewesen.
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Nach dem fast vollständigen Zusammenbruch des Marktes sehen wir ja, dass er sich in den letzten Jahren wieder erholt hat, alte Filme und Papiere werden wieder neu aufgelegt, aber ich denke mehr als ein Nischendasein ist nicht drin. Ich bekomme mit meiner betagten Nikon D3 bei ISO 3200 derartig gute S/W Fotos, das es schwer fällt, die von einem in D76 entwickelten Tri-X zu unterscheiden. Da macht sich so mancher Fan des Analogen auch etwas vor.