Sorgen machen. Das wird ja gerne als Hobby der Deutschen bezeichnet. Totenscheine vorab ausstellen. Passiert und passiert auch immer öfter. Wie oft ist die Fotografie und insbesondere der Fotojournalismus schon für tot erklärt worden? Und jetzt auch noch DSGVO. Ist das der Todesstoß? Hendrik Neubauer äußert sich „Ungefragt“.
Ich weiß noch, als wäre es gestern. Ich kam 1996 nach Perpignan zum Festival „Visa pour l´image“. Jeder Gast bekam einen Baumwollbeutel, damals noch gesponsert von „Le Monde“. Neben dem Programm und Infos lag auch eine Ausgabe von „American Photo“ bei. „Is photojournalism dead?“ Diese Headline prangte auf dem Cover. Ich war im ersten Moment geschockt. Aber es ist nun mal, wie es ist. Was haben wir seitdem alles diskutiert. Es hat alles nichts geholfen. Schrumpfende Redaktionsbudgets, ein immer härter werdender Konkurrenzkampf sowie wachsendes Pressemisstrauen sind heute nun mal Fakt. „American Photo“ ist übrigens längst eingestellt.
Aber wie fing das Malheur eigentlich an? Redaktionen, die Anfang der 1990er-Jahre noch den Markt leerkauften und Reportagen auf Halde legten, mussten den Gürtel enger schnallen. Magazine wie Newsweek jagten bis zur Jahrtausendwende noch Redaktionsfotografen um die ganze Welt, um Kriegsherde in ihrem Auftrag zu fotografieren. Den westlichen Reportern erwuchs eine Konkurrenz in den Regionen, aus denen sie bisher berichteten. Im Zeitalter des Internet und der Globalisierung verstanden immer mehr Menschen außerhalb der westlichen Welt, was es heißt, fotojournalistisch zu arbeiten. Auf einmal waren unter den Preisträgern des World Press Photo Awards auch Fotografen aus China oder dem Balkan zu finden.
Das war die Zeit, in der die alten Haudegen unter den Fotojournalisten langsam resignierten. So konstatierte Don McCullin: „Der Fotojournalismus liegt im Sterben. Junge Leute werden dazu ermutigt, Fotojournalisten zu werden, doch es gibt kein Medium mehr dafür.“ Ja, rund um den Globus wurde immer mehr Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an den Hoch- und Privatschulen gelehrt. All diese Absolventen wollten und wollen arbeiten. Und so kommt es, dass heute bei Beerdigungen von Prominenten Hunderte von Fotografen sich um die besten Plätze schlagen. Irgendwie ergattern sie dann doch eine Akkreditierung. Don McCullin konnte sich noch sicher sein, dass seine Bilder in einem renommierten Magazin Schlagzeilen machen würden. Heute werden die Redaktionen von Bildern erschlagen, die fast in Echtzeit auf deren Servern einlaufen. Eins schlägt sich dann durch und wird gedruckt.
Wer heute tiefschürfende Geschichten mit der Kamera erzählen will, muss Stipendien ergattern und noch selber Geld mitbringen. Redaktionsetats, egal ob für Reisereportagen oder Sozialdokumentationen, sind im Laufe der letzten zwei Jahrzehnten immer mehr zusammengestrichen worden. Das Alleinstellungsmerkmal des Fotojournalismus, das Authentische, eröffnete in den Nullerjahren des neuen Jahrtausends jedoch neue Märkte. Unternehmenskommunikation und PR. Fotojournalismus eroberte auch die Fotogalerien. Das Dokumentarische galt auf einmal auch als Kunst. Immerhin eine Chance für einige Wenige.
Nach alldem auch noch das. Ab 25. Mai 2018 gilt die Datenschutz-Grundverordnung der EU. Schon lange kursieren Gerüchte, dass ab diesem Zeitpunkt der Fotojournalismus praktisch unmöglich würde. Das digitale Foto zeigt Menschen. Denn damit beschäftigt sich das sozialdokumentarische oder fotojournalistische Foto. Denn wie sagte bereits Robert Frank. Gesichter von Menschen hätten ihn immer mehr interessiert als Landschaften, deshalb hätte er sich darauf konzentriert, ihnen nahe zu kommen.
Im digitalen Zeitalter der Gesichtserkennung bannen die Fotografen aber nicht nur Menschen auf eine Platte. Die Abbilder wandern als Daten ins Netz. Das wird für den Einzelnen immer weniger ertragbar. Es galt bisher schon, dass man solche Daten nicht einfach so verbreitet werden durften. Die DSGVO wird das hier und dort verschärfen. Den Fotojournalismus wird das verändern, aber nicht töten.
Foto: © Michael Kneffel.
„Is photojournalism dead?“ American Photo. September / October 1996
Link zum CoverPhoto
Der Fotojournalismus liegt im Sterben. Futurezone. ( Sponsored Content , Canon) 17.04.2018
Don´t blink. Robert Frank. Porträt eines unermüdlichen Bildermachers