Bis 19. Februar 2017 zeigt das stadthaus ulm die Ausstellung The Amish – Fotografien von Timm Rautert, die den Blick in eine Welt erlaubt, von der die Meisten von uns wenig wissen.
Die Amischen sind eine täuferisch-protestantische Glaubensgemeinschaft von denen viele Mitglieder im 18. Jahrhundert Europa verließen, um religiösen Verfolgungen zu entgehen. Heute führen deren Nachkommen in den USA und in Kanada ein einfaches, an der sogenannten „Ordnung“, ausgerichtetes Leben führen. In ihren Siedlungen sind technische Neuerungen wie zum Beispiel Smartphones nicht erlaubt. Alles was das Gemeinschaftsleben stören könnte und dazu gehört auch Fernsehen, ist nicht erlaubt. Auch Fotografieren ist nicht gestattet, ebenso wie das Posieren für Fotos, da dies das Individuum zu sehr in den Mittelpunkt stellt.
1974 fuhr Timm Rautert nach Pennsylvania in den USA, um die Amischen zu fotografieren. Im Jahr 2011 ist bei Steidl mit diesen Bildern das Buch „no photographing“ erschienen.
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Geboren 1941 in Tuchel/Westpreußen, dem heutigen Tuchola/Polen, ergriff Timm Rauert an der Folkwangschule für Gestaltung in Essen von 1966 bis 1971 das Studium der Fotografie. Experimente und Untersuchungen zum Umgang mit dem Medium Fotografie, die 1973 in einer Ausstellung mit begleitendem Katalog unter dem Begriff Bildanalytische zusammengefasst wurden, beschäftigten Timm Rautert in den Anfängen. Von 1969 bis 1972 unternahm Rautert mehrere Reisen nach New York, wo er unter anderem die Bekanntschaft von Andy Warhol machte.
Mit einer Reise nach Japan, im Auftrag von Karl Pawek, beginnt 1970 eine intensive Auseinandersetzung mit der dokumentarisch, journalistischen Fotografie die zu zahlreichen Veröffentlichungen in nationalen und internationalen Zeitschriften führt.
Ab 1974 erarbeitet er zusammen mit dem Schriftsteller Michael Holzach Reportagen, die sich sozialen Problemen der Bundesrepublik Deutschland und den Lebenssituationen von Minderheiten widmen und vornehmlich im ZEITmagazin erscheinen.
Zusammen mit dem Soziologen Ulrich Beck, dem Philosophen Wilhelm Vossenkuhl und dem Schriftsteller Ulf Erdmann Ziegler beginnt Timm Rautert in den 90erJahren das Projekt Eigenes Leben – Ausflüge in die unbekannte Gesellschaft, in der wir leben. Das Buch zum Projekt erscheint 1994 bei C.H. Beck, München.
Im Jahr 2000 erscheint eine umfangreiche, retrospektive Publikation zum Doppelthema Industrie und Arbeit (Timm Rautert, Arbeiten, Steidl, Göttingen). Im gleichen Jahr Beginn der Reihe Artwork, die an die Bildanalytische Photographie anknüpft. Von 1993 bis 2008 ist Timm Rautert Professor für Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst / Academy of Visual Arts Leipzig. 2006 bis 2008: Das Museum der bildenden Künste Leipzig zeigt eine erste umfassende Ausstellung seines Werkes. Weitere Stationen sind das Sprengel Museum, Hannover, die Ostdeutsche Galerie, Regensburg und das Rheinische LandesMuseum, Bonn. Das Buch zur Retrospektive: Wenn wir dich nicht sehen, siehst du uns auch nicht, Fotografien1966 – 2006, erscheint bei Steidl, Göttingen, 2006.
Seit 2007 arbeitet Timm Rautert an der fotografischen Serie „Anfang 2007 – 2012“. Hierbei porträtiert er junge Paare mit Kindern in ihrem privaten Umfeld.
Timm Rautert erhält 2008 als erster Fotograf den Lovis-Corinth-Preis für sein Lebenswerk. Er lebt in Essen und Berlin.