Die Linsenkorrektur bestehender Softwarelösungen korrigiert geometrische Verzeichnungen, chromatische Aberrationen (Farbfehler) und Vignetting (dunkle Ecken). Einen Schärfeverlust aufgrund optischer Abbildungsfehler können diese Tools oft nicht so zuverlässig korrigieren. Genau darin liegt aber wiederum die Stärke von piccure+.
Zu den Bildfehlern, die eine Reduktion der Bildschärfe zur Folge haben zählen z.B. Koma, Astigmatismus oder auch sphärische Aberrationen. Fokusprobleme oder auch Beugungseffekte bei kleiner Blende kommen noch hinzu. Man darf auch nicht vergessen, dass hochauflösende Kameras auch häufig einen „optische Tiefpassfilter“ verwenden (OLPF). Damit soll Antialiasing- und Moiré-Effekten entgegengewirkt werden. Bilder werden dadurch jedoch etwas unscharf. Was das bedeutet sieht man im Vergleich zwischen der Nikon D800 und D800E recht eindrucksvoll. Doch damit nicht genug: DxO Labs hat hunderte Linsen vermessen und kam zu dem Ergebnis, dass Objektive oftmals nicht in der Lage sind, mehr als 20 MP aufzulösen – und so oft nicht mehr mit den aktuellen Sensoren mithalten können. Theoretisch wäre es möglich, die optischen Fehler für Objektive individuell zu bestimmen und via Software rückgängig zu machen (ähnlich der Korrektur von Vignettierung). Für komplexere optische Aberrationen ist das jedoch leichter gesagt als getan: die Vermessung von Objektiven für derartige Fehler ist nicht nur sehr komplex und kostspielig, sie müsste auch für jede Linse und unzählige Parameter individuell vorgenommen werden – die Vermessung wäre am Schluss dann wohl teurer als die Produktion selbst. Die Serienstreuung innerhalb der Produktion gestaltet es schwierig eine verlässliche Vermessung und auch Korrektur durchzuführen. Dem interessierten Leser seien in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Roger Cicala ans Herz gelegt, der in den letzten Jahren die wohl größte Datenbank an Objektivtests angefertigt hat und sehr rege über seine Ergebnisse schreibt.
Bildentwicklung
Mit piccure+ können nun jedoch auch erstmals komplexe Bildfehler ohne die zeitaufwändige und unökonomische Vermessung korrigiert werden. piccure+ ermittelt hierzu mathematisch aufwändig die Bildfehler aus der Aufnahme selbst und ermittelt aus dem Ausgangsbild und dem Bildfehler ein scharfes Originalbild (Dekonvolution). Damit werden Bildfehler individuell für jede Aufnahmesituation bestimmt. Zwar gibt es bereits einige Softwarelösungen, die den Ansatz der Dekonvolution sehr erfolgreich verfolgen, die Korrektur beschränkt sich in diesem Fall jedoch auf „Gaußsche Punktspreizfunktionen“. In der Realität genügt die Annahme der Normalverteilung der echten optische Abbildungsfehler nur in den seltensten Fällen. Darüber hinaus zeichnet piccure+ eine weitere Besonderheit aus: die Bildfehler werden nicht über das Bild hinweg als konstant angenommen, sondern unterscheiden sich für jeden Pixel. Das scharfe Bildzentrum wird anders korrigiert als ein unscharfer Rand. Piccure+ rekonstruiert jeden Bildpunkt aus den Informationen hunderter benachbarter Bildpunkte. Das dauert natürlich seine Zeit – stellt im Moment allerdings die einzige Möglichkeit dar, komplexe Bildfehler zuverlässig zu korrigieren. Die Komplexität potenziert sich somit in zweierlei Hinsicht: Es müssen nicht nur Bildfehler bestimmt werden, deren „Form“ unbekannt ist, sondern die noch dazu über das Bild hinweg variabel sind.
piccure+ richtet sich insbesondere an Profi-Fotografen, die jenseits der 20 MP Grenze RAW Bilder schießen und Wert auf hohe Qualität legen. Zwar fallen bei kleinen kompakten Fotoauszügen oder Facebook Posts optische Fehler weniger ins Gewicht – bei hochauflösenden Aufnahmen und insbesondere im Print wird man die Möglichkeiten jedoch zu schätzen wissen. Besonders Mittelformat oder Vollformat-Profis werden von den Möglichkeiten profitieren. piccure+ ergänzt das Portfolio der Bildbearbeitungstools: Wo andere Lösungen nicht die erhoffte Wirkung erzielen, kann piccure+ weiter helfen. Oder mit anderen Worten: piccure+ ersetzt die Funktionalität von Adobe Photoshop CC & Co nicht – sondern ergänzt sie.
Und: piccure+ hat nichts mit Fehlfokus zu tun. Sondern mit Bildfehlern, die der Optik selbst und den Fertigungstoleranzen geschuldet sind.
Programmentwicklung
Vor etwa genau einem Jahr in Ausgabe 3/15 hat Profifoto über den
Bildoptimierer piccure+ ausführlich berichtet. Seitdem hat sich allerdings einiges getan: Keine drei Monate später konnte Version 2.5 mit einem deutlichen Geschwindigkeitszuwachs und weiteren Verbesserungen aufwarten. Das Update war kostenlos. Das nächste Update steht mit Version 3 bereits in den Startlöchern: Bis Ende April soll eine Gra-fikkartenunterstützung von Nvidia
GPUs unter Windows für eine deutlich schnellere Bildverarbeitung verfügbar sein. Hierbei wird jedoch nicht nur der bestehende Code auf die Grafikkarte portiert – sondern Dank der „adaptive heterogenous computation engine“ (AHCE) eine optimale Arbeitsverteilung zwischen CPU und GPU erreicht. Die Programmierung der Algorithmen ist sehr hardwarenah, optimiert für Nvidia und Intel Chips. Eine überarbeitete Oberfläche (Retina optimiert) und zahlreiche Verbesserungen runden die neue Version ab. Während die meisten Softwarehersteller spätestens hier erneut zur Kasse bitten, dürfen sich piccure+ Kunden wiederum freuen: Auch dieses Update ist komplett kostenlos. Bezogen auf Version 2.0 wird so eine Verkürzung der Rechenzeit von über 75 % erreicht – binnen 18 Monaten und ohne Aufpreis.
Preisentwickung
Wer noch kein Kunde ist: Die Einzellizenz ist bereits ab 79,99 EUR erhältlich, eine Multi-Seat Lizenz (3 Computer) ab 119,99 EUR. piccure+ integriert sich als Plugin in Adobe Photoshop CC, Photoshop Lightroom CC und Photoshop Elements. Es lässt sich auch in den Workflow mit DxO Optics Pro und Phase One Capture One integrieren. Darüber hinaus funktioniert es auch als Einzelanwendung mit Batch Funktion und unterstützt über 600 RAW Formate. Die Software stammt aus Deutschland und kann 30 Tage kostenlos getestet werden. Weitere Informationen unter www.piccureplus.com
Dieser Artikel ist in ProfiFoto 4/16 erschienen.