Mit seinen praktischen Tipps in Form von 20 Projekten zu bestimmten Themen inspiriert Autor David Gibson mit den verschiedenen Stilmitteln der Streetfotografie zu experimentieren. Außerdem bieten 20 international anerkannte Streetfotografen einen Einblick in ihre Herangehensweise und ihre speziellen Methoden der Streetfotografie.
Stillleben
Streetfotografie braucht nicht unbedingt Menschen: Der Beweis für das Leben der Menschen – in all seinen eigenwilligen Formen – ist genauso eindringlich. Ironischerweise ist die vermutlich erste Streetfotografie eines belebten Pariser Boulevards von Louis Daguerre aus dem Jahr 1838 nahezu frei von Menschen. Aufgrund der notwendigen langen Belichtungszeit wird nur eine einsame Figur dargestellt – ein Mann, der seine Schuhe putzen lässt und daher während der Aufnahme ausreichend lange still stand, um auf dem Foto verewigt zu werden.
Es ist eine faszinierende Fotografie mit einer sorgfältigen Komposition, doch das Auge wird von der einen stehenden Figur angezogen … Dieser Bereich des Fotos wird oft vergrößert, um den »ersten fotografierten Mann« auf der Straße zu zeigen.
Allerdings geht es hier nicht um Menschen, sondern um den Beleg von Menschen und Objekten und »leeren« Straßen. Es gibt natürlich Überschneidungen, aber man sollte immer klare Abgrenzungen treffen.
In der Wirklichkeit machen viele Streetfotografen nur wenige Unterschiede; beim Fotografieren wechseln sie problemlos zwischen bevölkerten und menschenleeren Szenen. Wichtig ist nur, dass sie etwas gesehen haben, das zu fotografieren sich lohnt.
Schaufensterpuppen gehören für einen Streetfotografen sicher zu den besten Motiven. Sie stehen stellvertretend für Menschen und haben nichts dagegen, fotografiert zu werden.
Oft findet man sie neben anderen interessanten Artefakten. Die Möglichkeiten sind endlos und es wundert daher nicht, dass sie schon so lange als Motiv herhalten. Die Augen geübter Streetfotografen fallen immer wieder auf Schaufensterpuppen. Schauen Sie sich nur all diejenigen an, die von den Magnum-Fotografen im Laufe der Jahre gesammelt wurden, und Sie erkennen, wie wichtig und vielseitig Schaufensterpuppen für einen Streetfotografen sein können. Und sie starren nicht nur aus den Schaufenstern heraus, sondern können auch mit wirklichen Menschen in Interaktion treten. Sie gehören zum besten Zubehör auf der Straße.
Manchmal werden Teile von Schaufensterpuppen einfach in den Müll geworfen. Müll ist nicht schön, doch er kann – etwa in Form leerer Kisten – eine Form annehmen, die einen Fotografen inspiriert. Müll ist auch ein Thema. Menschen hinterlassen Müll auf der Straße. Warum ihn nicht einfach fotografieren? Nicht jeder Müll ist dreckig und unattraktiv.
Außerdem darf man nicht vergessen, dass unablässig fotografierte Personen, selbst wenn sie nur winzige Elemente in einem Foto sind, sowohl den Betrachter als auch den Fotografen überwältigen können. Es ist eine Frage des Tempos. In einem Buch z. B. bieten Stillleben ohne Menschen Raum zum Atmen.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Anfänger in der Streetfotografie glauben, dass auf den Bildern ohne Menschen etwas fehle. Sie sind begierig darauf, Menschen zu fotografieren, fühlen sich aber feige, wenn sie die Kamera wegdrehen und glauben, alles, was sie hinterher machen, sei nur eine Notlösung. Dabei ist das nicht das richtige Vorgehen. Falls Sie sich wirklich nicht gut dabei fühlen, Menschen zu fotografieren, wird man das sehen, was das Problem nicht besser macht. Überlegen Sie sich deshalb noch einmal, was Sie wirklich wollen. Falls Sie tatsächlich Menschen fotografieren möchten, haben Sie keine Alternative, als Ihre Denkart komplett zu ändern.
Für andere Leute dagegen bedeutet Streetfotografie nicht, sich auf Menschen zu konzentrieren. Sie begeistern sich vielleicht eher für Graffiti, Straßenkunst oder seltsame Dinge, egal ob permanent oder temporär. Sie könnten das als Interesse an dem Design auf den uns umgebenden Straßen definieren. Schon allein die Typografie ist ein riesiges und vielseitiges Thema, genau wie „Straßenmobiliar“ – Bänke, Bushaltestellen, Ampeln, Wasserspiele, Denkmäler, Postkästen usw. Früher waren vom Milchmann gelieferte Milchflaschen eine feste Einrichtung auf den Straßen und erfüllten das Kriterium, sowohl ein Objekt als auch ein Beweis zu sein. Wenn sie zum Einsammeln herausgestellt wurden, waren sie leer. Als sie in einer Stadt wie London überall zu sehen waren, nahm man sie als gegeben hin.
Inzwischen, da sie praktisch verschwunden sind, wird ihre Abwesenheit durch ein Bild lediglich noch betont. Der US-amerikanische Fotograf Jonathan Bayer fotografiert seit den 1970ern Milchflaschen. 2004 hat er mit seinem Buch Bottle in the Smoke einen Abgesang auf die Milchflasche geliefert. Es sind alltägliche Objekte, doch wenn man sie in einem Band mit Fotografien versammelt, merkt man erst, wie überraschend schön sie aussehen. Sie sind niemals bedeutungslos und bilden ein klassisches Beispiel für ein vergessenes Straßenobjekt.
Johanna Neurath ist Design Director eines großen Verlags in London und liebt es, „Design-Dinge“ auf der Straße zu finden. Eine ihrer Spezialitäten ist es, den Blumenmarkt in der Columbia Road im Londoner East End kurz vor seiner Schließung zu besuchen und die Blumen zu fotografieren, die dort als Abfall zurückgelassen werden. Was sie dort aufnimmt, ist eine wunderbare Alternative zur formalen Schönheit der arrangierten Blumen; ihre Blumen, Blüten- und Laubblätter bilden temporäre Straßenarrangements, die recht ansprechend sind. Sie sind außerdem inspirierend, vor allem für Leute, die merken, dass man nicht immer Menschen fotografieren muss.
Bäume sind ebenfalls Teil des Repertoires. Sie begrenzen die Straße und gehören zu deren wichtigsten Objekten. Die Stämme können sich biegen und krümmen wie menschliche Körper. Es gibt ein Foto von Cartier-Bresson aus dem Jahre 1953, das gebeugte Bäume am Ufer der Seine zeigt. Eine kleine, dort sitzende Figur wirkt fast nebensächlich. Die Bäume sehen aus wie gekrümmte Rücken.
Cartier-Bresson stützte sich in seinen Fotos nicht immer auf menschliche Figuren, sondern befasste sich in gleichem Maße mit Formen. Man könnte sogar behaupten, dass Formen für Cartier-Bresson an erster Stelle standen, obwohl er gern auf Menschen zurückgriff, da diese ebenfalls Formen lieferten.
Wenn Sie sich jedoch einige seiner Bücher anschauen, werden Sie feststellen, dass sein eigentliches Thema die Geometrie war. Man findet sie in einem Möwenschwarm über dem Ärmelkanal, dem Strudel eines japanischen Flusses, der dem Yin-Yang-Motiv ähnelt, oder sogar dem Bild seines ungemachten Bettes mit einer Zeitung darauf, das in den 1960ern entstand. Cartier-Bresson brauchte keine Menschen, was angesichts seiner Fotografie eine überraschende Erkenntnis ist.
Zeit ist in der Fotografie ein Faktor; ein leeres Foto kann mit Zeit gefüllt werden. In den ersten Jahrzehnten der Fotografie im 19. Jahrhundert konnte das Medium Menschen nur dann richtig darstellen, wenn diese für die Belichtung lange genug still standen. Das war jedoch keine absichtlich fotografier-te Abwesenheit, obwohl sich das 19. Jahrhundert durch die Abwesenheit von Autos auszeichnete, die inzwischen aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken sind. Streetfotos sind manchmal vollgepackt mit Autos, was das Bild nicht unbedingt verbessert. Wie oft hat ein Fotograf etwas Interessantes gesehen, nur damit dann ein Auto vor das Motiv fährt?
Ich war vor einigen Jahren in Athen an der Stelle, an der Cartier-Bresson
1953 eines seiner bekannten Fotos
aufgenommen hatte – die zwei Frauen, die sich in den zwei Statuen im oberen Stockwerk eines Gebäudes widerspiegelten (Seite 192). Das Gebäude ist perfekt erhalten, aber meist parkt blöderweise ein Auto davor. Es ist einfach nicht möglich, Cartier-Bressons Foto nachzustellen. Die störende Rolle von Autos in der Streetfotografie wird definitiv nicht genügend diskutiert.
Alte Autos in Havanna sind selbst Motive, aber das moderne Auto verstopft Fotos nur. Eine Straße voller geparkter Autos ist nicht richtig leer.
Es ist interessant, wenn man sich durch Flickr-Gruppen wühlt, die sich dem Thema der leeren Straßen widmen. Einige der Fotos sind wirklich leer – ohne Ziel oder Bedeutung. Ihr einziger Wert besteht darin, dass sie dem Thema entsprechen. Es überrascht außerdem nicht, dass manche Bilder bei Nacht gemacht wurden, denn Nacht kann ein Foto ausfüllen.
Wird ein wolkenloser Himmel bei Tageslicht als leer angesehen? Selbst das Blau besitzt eine Präsenz, aber lohnt es sich, sie zu fotografieren? Eine leere Straße kann durch das Vorhandensein von Wolken an Dramatik gewinnen – eigenwillig geformte Wolken, die mit den Formen auf der Straße korrespondieren. Streetfotografen sollten den Himmel immer in Betracht ziehen, weil Schatten und Reflexionen ein Foto weniger leer erscheinen lassen können.
Leere Stühle und Bänke verkünden ihr Vorhandensein durch ihre Leere. Ihre Funktion wird ohne Menschen immer nur unvollständig erfüllt, sie sind also beim Fotografieren niemals völlig leer. Stühle sind natürlich Objekte und sie „möblieren“ Straßen und öffentliche Räume. Vielleicht sieht es zunächst nicht so aus, aber Stühle haben genau wie Menschen Charakter – das lohnt das Fotografieren. Es ist gut, wenn man die Persönlichkeit hinter den unbelebten Objekten sieht und sich daran erinnert, dass sie genau wie Menschen eine Geschichte zu erzählen haben.
Leer
Streetfotos, auf denen keine Menschen, Autos oder anderer Kram zu sehen sind, mangelt es nicht unbedingt an Stimmung oder Interesse. Leer ist im Zusammenhang mit der Streetfotografie ein irreführendes Wort, da es suggeriert, dass etwas fehlt – eine leere Straße wartet vorgeblich immer darauf, von Menschen bevölkert zu werden. Straßen haben eine Funktion, sie brauchen Menschen, doch deren Fehlen kann tatsächlich das Foto ausmachen.
Fotografierte Abwesenheit ist ein großartiges Thema, solange man die Abwesenheit spüren kann. Die wichtige Frage lautet: Wie absichtlich wird die Abwesenheit fotografiert? Die Düsseldorfer Fotoschule
postulierte Mitte der 1970er Jahre
eine „neue Sachlichkeit“ in der Fotografie, indem das Auftauchen von menschlichen Figuren minimiert wurde. Sicher, diese faden Fotografien sind absichtlich leer, ihnen fehlt auch jede Hoffnung. Die Bedeutung der Streetfotografie liegt jedoch selbst ohne Menschen in den Bildern darin, immer wenigstens Seele zu zeigen und niemals wirklich leer zu sein. Anliegen ist es hier, mit der Leere die Fantasie anzuregen, etwas zu suggerieren und nicht einfach nur nichts Besonderes zu fotografieren.
Mein Foto einer gepflasterten Straße in Glasgow bei Nacht ist praktisch leer – nur ein Auto und keine Menschen –, dennoch ist es angefüllt mit reflektiertem Licht und Stimmung. Mich erinnert es sehr an die Arbeiten von Bill Brandt, weil es etwas von seinem dunklen, schweren Stil zeigt; ein wenig klingt sogar eines seiner tatsächlichen Fotos wider. Fotografen haben ihren Kopf voll mit Bildern anderer Fotografen und gelegentlich taucht eines von ihnen unerwartet auf. Würde die Fotografie durch eine einzelne dunkle Figur belebt werden, die durch die Szene läuft, einen eleganten Mann mit Hut? Oder eine Katze oder etwa eine Taube im Anflug? Möglicherweise.
Die wahre Frage dreht sich vermutlich eher darum, wie komfortabel wir mit der Leere sind. Wir erwarten, dass eine Straße nachts leer ist; die Leere würde bei Tageslicht nur noch deutlicher werden, aber am Ende geht es bei einem Foto ebenso um die Linien wie um die Stimmung. Das Foto ist auch voller Zeit; zunächst wirkt es zeitlos, bis man das Auto bemerkt. Ohne das Auto könnten dies auch die 1930er sein, hier wird also die Fantasie richtig angeregt.
Schlussfolgerung
Leere ist ein ziemlich irreführendes Konzept. Die wirkliche Debatte müsste darum geführt werden, was in einem Foto komfortabel ist. Wie angenehm ist dem Fotografen – und dem Betrachter – Raum oder Fadheit? Entscheidend ist, wie wir die Leere verstehen und uns ihr nähern – und wie beabsichtigt sie ist. Wenn wir Dinge absichtlich mit einem klaren Verständnis unserer Motive unternehmen, werden unsere Arbeiten stärker oder zumindest interessanter.
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Fotografieren Sie Inseln aus Licht in der Nacht oder Licht in dunklen Schatten am Tag.
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Fotografieren Sie besonders die Leere der Nacht.
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Machen Sie das Thema der Leere zu einem Projekt. Fotografieren Sie leere Gebäude, Straßen, Kisten aller Art, Geschäfte usw.
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Fotografieren Sie Beweise für Menschen auf den Straßen.
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Entfernen Sie Unnützes aus Ihren Fotos, machen Sie sich mit dem Prozess vertraut, Ihre Bilder auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.
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Experimentieren Sie mit der Komposition; setzen Sie eine Person oder ein Objekt in die Ecke eines Fotos, umgeben von Raum.
Objekte
Objekte sind Teil des Stroms der Menschen auf der Straße, doch wenn man sie einzeln betrachtet, haben sie ebenso Charakter wie Menschen.
Eines der Probleme beim Versuch, unterschiedliche Konzepte und Themen der Streetfotografie zu kategorisieren, besteht darin, dass die meisten, die sie ausüben, mit einer breiten Palette arbeiten. Beim Herumwandern würden sie niemals darüber nachdenken, ob auf ihren Fotos Menschen zu sehen sind oder nicht. Ein Blick auf die Arbeiten der meisten Streetfotografen würde vermutlich zeigen, dass wenigstens 75 Prozent ihrer Fotos Menschen enthalten – wenigstens am Rande, wenn nicht sogar als Hauptmotiv. Doch auch Objekte sind für die Mehrheit der Streetfotografen gelegentlich ein natürlicher Bestandteil ihrer Fotos.
Objekte werden oft in Pausen zwischen anderen Aufnahmen fotografiert. Fotografen fotografieren einfach weiter, wenn sie sich von belebten Szenen zu Orten ohne Menschen begeben. Das ist jedoch nur die herkömmliche Sichtweise. Es gibt durchaus auch Fotografen, die sich viel mehr für Objekte und Formen interessieren und deshalb am liebsten ganz auf Menschen in ihren Bildern verzichten, da diese von ihrer Vision
ablenken. Deutliche Hinweise auf das Vorhandensein von Menschen gilt ihnen ebenfalls als Ablenkung.
Der kalifornische Fotograf Trevor
Hernandez, besser bekannt als Gangculture, ist einer dieser einzigartigen Streetfotografen. Er liefert nur wenige Hinweise auf Menschen; selbst die Hunde in seinen Bildern sind unabhängig. Stattdessen liegt sein Fokus auf Dingen, die man vielleicht als vernachlässigt bezeichnen könnte. Seine Faszination liegt offenbar darin, Dinge zu sammeln, die andere Menschen nicht anschauen würden. Seine Vision ist so konsistent, dass es fesselnd wird; ein in Nahaufnahme gesehener Abschnitt eines Fußwegs ist nichts, wurde aber gesehen und auf seiner Instagram-Seite veröffentlicht. Auch Instagram besitzt eine spezielle Ästhetik, die für diese Art von Sammlungen absolut passend ist. Manche Leute sammeln Müll, um der Gemeinschaft zu helfen, andere sammeln Dinge, um sie zu zeigen.
Es bereitet Vergnügen, Objekte zu sammeln. Die Wirkung einer ganzen Sammlung kann größer sein als eine einzelne Fotografie. Es gibt z. B. eine lange Tradition im Fotografi eren von Stühlen, wie man an Shirley C. Burdens Buch Chairs (1985) erkennt. Sie schreibt dort: „In Paris sind Stühle lebendig.“
Ich gebe zu, dass die Begriffe Objekt, Projekt und Motiv in der Streetfotografie auf dieselbe Sache angewandt werden können. Vielleicht hilft das Wort „Wunschobjekte“ dabei, den Geist des Sammelns zu erfassen. Und Objekte können – ganz anders als die Dinge, mit denen wir uns in unseren Wohnbereichen umgeben – auf der Straße ganz anders sein. Stühle können wunderschön sein, genau wie Türen oder Fenster, doch auch im Verfall können solche Objekte das Auge anregen.
Und nun denken Sie nicht nur an solche festen Objekte, sondern z.B. auch an einen Ballon, der ziellos über die Straße trudelt. Ich habe so etwas öfter in London gesehen und bin fasziniert davon.
Ich habe schon oft über das Foto von Stephen McLaren gesprochen, das einen blauen Ballon zeigt, der auf einer Londoner Straße im Wind treibt. Es ist „nur“ ein Ballon, aber dieses Bild spricht die Menschen an. Man kann nicht genau erkennen, wie groß der Ballon ist – vielleicht ist es ein abgestürzter Fesselballon am Ende der Straße oder möglicherweise fühlt man sich nur an eine lange Szene aus dem Film American Beauty erinnert.
Welche anderen greifbaren Objekte sammele ich? Auf jeden Fall Regenschirme, die für sich genommen schon ein Projekt bilden, und zwar nicht nur bei Regen, sondern auch, wenn sie nur halb aufgespannt sind wie Blumen oder sogar weggeworfen. Fahrräder tauchen einigermaßen regelmäßig in meinen Fotos auf, genau wie Schaufensterpuppen und Puppen. Puppen sind kleine Menschen und lassen sich leicht fotografieren. Viele Leute gehen vermutlich an der weggeworfenen Puppe vorbei – oder ist es vielleicht eine Baby-Schaufensterpuppe, die erst vor Kurzem aus dem Geschäft entfernt wurde? Auf jeden Fall ist es ein gutes Beispiel für das „Sammeln“ von Objekten. Wenn die Puppe nämlich sorgfältig im Bild angeordnet wurde, wird sie wichtig. Der Bereich, der sie umgibt, betont sie; sie musste unbedingt im Querformat aufgenommen werden. Sicher wird die kleine Person, die ich am Stadtrand von Athen gefunden habe, bald verschwunden sein.
Das letzte Foto zeigt eine Gruppe von Objekten – altes, aber elegantes Besteck. Ich fand es auf einer Kunsthandwerksmesse in West London. Regen veranlasste den Standbesitzer, das Besteck mit einer Plastikfolie abzudecken. Das machte das Bild aufnehmenswert: Es ist eine geschichtete Fotografie mit Textur.
Schlussfolgerung
Wenn man Objekte fotografiert, dann hat man die Chance, das aufzunehmen, was einen wirklich interessiert – unsere Sammlungen sollten ehrlich und persönlich sein, fast wie ein Tagebuch. Der alles übergreifende Punkt ist, dass es eine lange und vielfältige Tradition gibt, Objekte zu fotografieren. Wir schauen uns ständig Objekte an, aber wenn sie fotografiert worden sind, können sie etwas ganz anderes werden. Es ist ein absolut gültiger Bestandteil der Streetfotografie.
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Schauen Sie sich die Fotos eines einzigartigen Sammlers wie Gangculture an.
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Berücksichtigen Sie Streetfotografen, die vor allem für ihre Fotos von Menschen bekannt sind, ihre Kamera aber auch Objekten zuwenden. Nils Jorgensen hat eine eigenwillige Sammlung von Schuhen.
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Betrachten Sie Objekte, die sowohl funktional als auch vernachlässigt
sind.
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Fotografieren Sie Menschen mit Objekten, stellen Sie aber das Objekt in den Vordergrund.
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Fotografieren Sie vermodernde Objekte auf der Straße, wie etwa Obst und Blumen.
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Fotografieren Sie weggeworfene Objekte als Hinweis auf das Vorhandensein von Menschen.
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Zögern Sie nicht – das Objekt ist vielleicht nicht mehr lange da.
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Schauen Sie sich die Geschichte der Fotografie an, all die Fotografen, die Objekte wie etwa Schaufensterpuppen fotografiert
haben.
Streetfotografie von David Gibson, mitp Verlag 2015, 1. Auflage 2016, 192 Seiten, Softcover, Format 17 x 24 cm, ISBN 978-3-95845-137-7, 29,99 Eur
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Dieser Artikel ist in der ProfiFoto Ausgabe 3/16 erschienen.