Mit Sven Johne (* 1976, Bergen auf Rügen, Deutschland) als diesjährigen Preisträger und Kirsten Justesen (* 1943, Odense, Dänemark) als diesjährige Preisträgerin des Förderstipendiums 2025/2026 wurden zwei sehr unterschiedliche Positionen und vor allem Menschen ausgewählt, welche die Kunststiftung DZ BANK und die Sammlung mit ihren hochkarätigen Arbeiten enorm bereichern und inspirieren werden.
Das einjährige Stipendium von insgesamt 15.000 € pro Person bietet den Geförderten die Möglichkeit, intensiv an ihren eingereichten Projekten zu arbeiten. Im Herbst 2026 werden die entstandenen Arbeiten für die Sammlung erworben und in der Ausstellungshalle der Kunststiftung DZ BANK erstmalig der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Präsentation wird thematisch, wie auch im Material durch vorhandene Werke von Rosa John, Kristina Õllek und Lena von Goedeke ergänzt, die dadurch ebenso ihren Weg in die Sammlung finden.
Die Kunststiftung DZ BANK vergibt alle zwei Jahre Förderstipendien an Künstlerinnen und Künstler aller Altersstufen, die mit Hilfe unterschiedlichster fotografischer Praktiken ihren Ausdruck finden. Die Nominierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfolgt über Vorschläge einer siebenköpfigen Jury aus Expertinnen und Experten, die mit jedem Jahrgang neu zusammengestellt wird. Dieses Jahr bestand die Jury aus Ingo Clauß, Ruth Horak, Dr. Franziska Kunze, Dr. Christina Leber, Anja Manfredi, Felix Ruhöfer und Christina Töpfer. Jeder der sieben Kunstexpertinnen und Kunstexperten kann bis zu zehn Künstlerinnen und Künstler vorschlagen. Diese werden dazu eingeladen, sich mit einer Projektidee zu bewerben. In einem Auswahlverfahren werden zwei Preisträgerinnen oder Preisträger benannt, die eine Fördersumme von je 15.000 € erhalten und ihre Ergebnisse im Rahmen der gemeinsamen Ausstellung im jeweiligen Folgejahr präsentieren können.
Sven Johne (* 1976, Bergen auf Rügen, DDR) entwickelt in seinen Werken ungewöhnliche Perspektiven auf Geschichte und Gesellschaft. Ein wiederkehrendes Thema ist die Zeit nach der Wende mit ihren tiefgreifenden Umbrüchen und sozialen Verwerfungen. Seine Foto- und Videoarbeiten kombiniert er mit Texten, die bemerkenswerte Geschichten zutage fördern. Dabei nutzt er eine literarische Mischform aus Dokument und Fiktion. So entstehen Erzählungen zwischen persönlicher Aneignung und historischer Reflexion. Mit dem Förderstipendium plant der Künstler eine Arbeit, deren Ausgangspunkt Ausgrabungen in Mecklenburg-Vorpommern sind, die Zeugnisse einer Schlacht freilegen: ein »bronzezeitliches Gemetzel«, bei dem vor ca. 3.300 Jahren schätzungsweise 1.000 Menschen ums Leben gekommen sind. Sven Johne geht es dabei weniger um den archäologischen Forschungsstand als um die geborgenen Körper wie um die Menschen, die an den Ausgrabungen beteiligt sind. Welche Auswirkungen hat die historische Schlacht auf sie und auf uns angesichts aktueller Kriege und Gräuel? Sven Johne lebt und arbeitet in Berlin.
Kirsten Justesen (* 1943, Odense, Dänemark) zählt zur Avantgarde der dänischen Kunstszene der 1960er Jahre. Ausgehend von ihrem Studium klassischer Bildhauerei hat sie ein ebenso vielschichtiges wie medienübergreifendes Werk geschaffen. Es umfasst dreidimensionale Objekte, Installationen und Fotografie, die sie klug miteinander kombiniert. So werden performative und zeitbasierte Skulpturen, ihre »Actions for Camera«, zum fotografischen Bild. Im Zentrum steht der eigene Körper, den sie als Material, als Referenz- und Ausgangspunkt für ihre künstlerische Praxis nimmt. Aus einer dezidiert feministischen Perspektive heraus untersucht sie gesellschaftliche Konventionen, Rollenbilder und Stereotype und ist damit bis heute inspirierend für jüngere Generationen. Konzeptueller Ansatz und kritische Haltung verbinden sich hier beispielhaft miteinander. So ist auch die geplante Arbeit von Kirsten Justesen auf radikale Weise reduziert auf das Wesentliche: eine »Choreografie für Körper, Raum, Stuhl und Kamera«. Mehr braucht es mitunter nicht, um grundlegende Rahmenbedingungen zu untersuchen. Kirsten Justesen lebt und arbeitet in Kopenhagen.
Rosa John (* 1982, Wien, Österreich) hat in den letzten Jahren konsequent zur Archäologie und Theorie der Camera obscura und verwandten Phänomenen im Sinne einer Vorgeschichte der Fotografie geforscht. Dabei entstanden beeindruckende Werke, welche die Idee von Sonnenlicht als Rohstoff aufgreifen. Dies umfasst Experimente ausgehend vom physikalischen Phänomen jenseits der Kameratechnik bis hin zum Ereignis im Inneren der Kamera, um schließlich zu performativen Setzungen zu gelangen: Hände, die Bilder formen. Rosa John lebt und arbeitet in Wien.
Kristina Õllek (* 1989, Tallinn, Estland) arbeitet mit Fotografie, Bewegtbild, Installation sowie mikrobiellen und chemischen Prozessen. Ihr thematisches Interesse gilt insbesondere dem Ökosystem Meer und geologischer Materie wie auch Fragen rund um Natur und Künstlichkeit. In ihrer recherchebasierten Praxis, die kleinste, dem menschlichen Auge verborgene Vorgänge reflektiert, bezieht die Künstlerin auch eigene fiktionale und spekulative Perspektiven mit ein – stets daran interessiert, die Grenzen dessen, was wir als Bild und Raum sehen, zu erweitern. Kristina Õllek lebt und arbeitet in Tallinn.
Lena von Goedeke (* 1981, Duisburg, BRD) schafft multimediale Kunstwerke, die auf den gravierenden Einfluss des Menschen selbst auf entlegenste Gebiete der Erde hinweisen. Den überwiegenden Teil des Jahres lebt und arbeitet die Künstlerin auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen, wo sie in ständigem Austausch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Forschungsstationen steht. Mit ihnen zusammen macht sie auf die dramatischen Veränderungen in der Nordpolregion nicht nur durch den Klimawandel aufmerksam. Dabei beschäftigt sich Lena von Goedeke mit natürlichen Phänomenen wie dem Kosmos, der arktischen Landschaft, den physikalischen Eigenschaften von Materialien und Oberflächenstrukturen und nimmt uns mit auf eine Forschungsreise in Themen und Gebiete, die den meisten Menschen nicht erschlossen sind. Lena von Goedeke lebt und arbeitet in Berlin und Spitzbergen.
Foto: Kirsten Justesen, ICE PORTRAIT, 1992, © Kirs ten Justesen, VG Bild-Kunst, Bonn 2025