Noch bis 2. Februar 2025 zeigt das Kunsthaus Nürnberg die Ausstellung Floating Spaces mit Arbeiten von Gudrun Kemsa. Am 20.11. 2024 findet in diesem Rahmen eine Podiumsdiskussion zum Thema Fotografie und Video als installative Praxis statt.
In Floating Spaces sieht man fotografische Aufnahmen von bekannten Orten des urbanen sowie des natürlichen Landschaftsraumes: luxuriöse Einkaufsstraßen, gewöhnliche U-Bahnhöfe, großstädtische Gebäude, Bäume, Parks und Grünflächen, den Wald oder das Meer. Diese sonst so vertrauten Orte wirken in den Arbeiten Kemsas seltsam befremdlich, unwirklich theatralisch, überzeichnet irreal oder aber verschwommen, weichgezeichnet und nebulös – fast abstrakt.
In den Fotografien und Videos der Künstlerin Gudrun Kemsa entziehen sie sich somit der gewohnten, leicht lesbaren Zugänglichkeit. Gudrun Kemsa versteht ihre Fotografien und Videoinstallationen als eine ästhetische Erweiterung der alltäglichen Wahrnehmung und somit als eine Möglichkeit, Bekanntes neu zu entdecken. Sie eröffnet mittels ihrer lichtbildnerischen Arbeit von scheinbar alltäglichen Szenarien ungewohnte Zugänge, die die Betrachtenden motivieren will, die eigenen Sehgewohnheiten und Sinneseindrücke zu überprüfen.
Die großformatigen Bilder der Serie URBAN STAGE sind in den vergangenen Jahren in London, Berlin, Köln und Düsseldorf entstanden. Sie präsentieren Momentaufnahmen eines „Großstadttheaters“: Szenen des Alltags, Motive großstädtischer Straßenzüge, Geschäftsleute auf dem Weg zur Arbeit, Menschen vor renommierten Kaufhäusern und Flagship-Stores bekannter Marken. Die städtische Umgebung transformiert zur Bühne, auf der die abgebildeten Personen agieren. Das Sonnenlicht scheint so hell und klar, als würde es die ganze Szenerie auf natürliche Weise ausleuchten. Licht, das kontrastreich und kraftvoll moduliert – ein gleißendes Leuchten, dass dem entsprechend auch tiefe lange Schatten evoziert. In der bildlich so fokussierten Begegnung der Menschen auf dieser Bühne entsteht ein seltsames Spiel, in dem die Protagonisten kaum voneinander Notiz nehmen. Dieses lose Aneinander vorbeigehen im Einzelbild verknüpft sich in der Serie zu einem komplexen Netz nicht offensichtlicher Bezugspunkte. Diese öffentliche Bühne, die urban stage, ist zwar einerseits ein elementarer Erfahrungsraum der Gesellschaft, gleichzeitig offenbart er allerdings die postmoderne Gegenwart permanent geforderter Selbstoptimierung des Einzelnen, die den anderen nicht mehr oder zumindest kaum mehr wahrnimmt.
Eine ganz andere Wirkung erzeugen die Bilder der Serie MOVING IMAGES. Sie wurden von Gudrun Kemsa mit langer Belichtungszeit und in körperlicher Bewegung fotografiert. Die Künstlerin dreht sich während der Aufnahmen, weshalb die Bilder durch Raum und Zeit zu schweben scheinen. Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser fließenden Bewegungen wirken die Bilder wie ein meditativer Ruhe- pol. Noch sind in den Fotografien gegenständliche Elemente erkennbar, doch ihre
Konturen verschwimmen, ihre Strenge verflüchtigt sich und die Faktizität des realen Raumes entschwindet, wird zu einer Spur in der Erinnerung.
In der Ausstellung Floating Spaces werden die fotografischen Arbeiten Gudrun Kemsas durch großformatige Videoinstallationen ergänzt, deren Bildräume sich kontemplativ durch Raum und Zeit bewegen. Soundkomposition und bewegtes Bild harmonieren und wirken unmittelbar entschleunigend auf die Betrachtenden. Derart zur Ruhe gekommen, beginnen die zum Film verdichteten Bilder sich in ihrer ästhetischen sanften Bewegung ganz zu entfalten.
Gudrun Kemsa, 1961 in Datteln/NRW geboren, lebt und arbeitet in Düsseldorf und studierte an der Kunstakademie Düsseldorf bei Karl Bobek und David Rabinowitch. Seit 2001 ist sie Professorin für Bewegte Bilder und Fotografie an der Hochschule Niederrhein in Krefeld. Kemsa nahm international an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen sowie an Filmfestivals teil.
Zur Ausstellung ist der Katalog Floating Spaces im Kettler Verlag mit Texten von Matthias Dachwald, Rolf Sachsse, Sabine Maria Schmidt und Ludwig Seyfahrt erschienen.
Am Mittwoch, 20.11.2024, diskutieren ab 19 Uhr die Kunsthistorikerin Dr. Anja Schürmann (Kulturwissenschaftliches Institut Essen), der Kunsthistoriker Dr. Stefan Gronert (Sprengel Museum Hannover) und Prof. Gudrun Kemsa (Hochschule Niederrhein Krefeld) im Gespräch mit Matthias Dachwald (Leiter, Kunsthaus) über das Werk der Foto- und Videokünstlerin. Die Diskussion nähert sich verschiedenen Aspekten im Oeuvre der Künstlerin, wie Licht und Schatten, das bewegte fotografische Bild und das „ruhende“ Video sowie die Praxis der Wiederholung im Werk von Gudrun Kemsa.
Alles Fotos: Gudrun Kemsa