ProfiFoto im Gespräch mit Julia Laatsch, Sprecherin des Deutschen Fotorats, über den Status Quo des Dachverbands und anstehende Projekte der Lobby für Fotografie.
ProfiFoto: Rund ein Jahr nach Aufnahme des Fotorats in den Kulturrat: Welche Perspektiven haben sich daraus für den Fotorat ergeben?
Julia Laatsch: Die Aufnahme des Deutschen Fotorats in den Deutschen Kulturrat 2023 hat unsere Position als Interessensvertretung der Fotografie in Deutschland maßgeblich gestärkt – sowohl innerhalb der Fotografie-Branche, als auch in der Kultur und Gesellschaft. Nun endlich als eigene Sektion im seit 1982 existierenden Deutschen Kulturrat vertreten zu sein, bedeutet auch von den Strukturen des Spitzenverbands der Bundeskulturverbände profitieren zu können.
Der Kulturrat ist der Ansprechpartner der Politik und Verwaltung des Bundes, der Länder und der Europäischen Union in allen übergreifenden kulturpolitischen Angelegenheiten. Für die Fotografie ist es enorm wichtig hier mit von der Partie zu sein, da die Fotografie nun bei politischen Angelegenheiten nicht mehr übersehen werden kann. Zuvor gab es keinen zentralen Ansprechpartner für die Fotografie in Deutschland. Durch diese Mitgliedschaft konnten wir nicht nur die Sichtbarkeit fotografischer Themen im kulturpolitischen Diskurs deutlich erhöhen, sondern auch unsere Netzwerke weiter ausbauen. Dies eröffnet uns auch neue Möglichkeiten, uns vermehrt aktiv in kulturpolitische Entscheidungen einzubringen und die Belange der Fotografie auf höchster Ebene zu vertreten.
ProfiFoto: Konkret, inwiefern hat sich die Mitgliedschaft im Kulturrat für den Fotorat als hilfreich erwiesen? Welche konkreten Themen konnte der Fotorat bislang im Kulturrat ansprechen? Gibt es dazu Unterstützung im Kulturrat?
Julia Laatsch: Die Fotografie darf lernen, noch größer und noch kollektiver zu denken! Es ist illusorisch, neu in eine etablierte Gruppe zu kommen und direkt eigene Interessen zu platzieren. Es geht im Kulturrat immer darum gemeinsame Themen mit den anderen Sektionen voranzubringen und nicht nur Themen, welche ausschließlich die Fotografie betreffen. Dies ist unsere eigene Aufgabe. Es ist ein fortlaufender Prozess und ein Vertrauen, was in der Zusammenarbeit stetig wachsen darf, um für die kommenden Jahre ein solides Fundament für eine wertschätzende Zusammenarbeit zu schaffen. Die thematische Arbeit findet in den sogenannten Fachausschüssen statt, in welche wir Vertreter*innen entsenden. Themen sind hier aktuell zum Beispiel Digitalisierung und künstliche Intelligenz, Urheberrecht, Arbeit und Soziales sowie Medien. Die Mitgliedschaft im Kulturrat und der Austausch mit den geschätzten Kolleg*innen anderer Sektionen hat uns wertvolle Ressourcen und Zugänge zu relevanten Diskussionsforen ermöglicht. Sowohl beim Austausch mit Politiker*innen auf Bundesebene, als auch auf europäischer Ebene konnten wir wertvolle Impulse bekommen, die wir für unsere fotoratsinterne Arbeit ebenfalls nutzen können. Durch den direkten Dialog mit anderen Kulturverbänden und Entscheidungsträgern konnten wir gezielt auf die Herausforderungen der Fotografie als Branche hinweisen und bislang immer Unterstützung für unsere Anliegen gewinnen. Dies hat uns beispielsweise dabei geholfen, mit Unterstützung des Deutschen Kunstrats wichtige Themen wie den Umsatzsteuersatz auf Fotokunst in den Fokus zu rücken.
ProfiFoto: Wie sieht hier die Agenda aus?
Julia Laatsch: Der Deutsche Fotorat setzt sich für eine Anpassung des Umsatzsteuersatzes für Fotokunst ein, um diese auf das Niveau anderer Kunstformen zu bringen. Nachdem Anfang Juni das neue Jahressteuergesetz verabschiedet worden ist, dürfen Galerien und Kunsthandel ab dem 1. Januar 2025 wieder mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% mit Kunst handeln. Dies gilt allerdings nicht für die im Kunstmarkt gehandelte Fotografie. Da bleibt es weiterhin bei 19% Umsatzsteuer. In der Praxis wird dies jedoch nicht immer einheitlich gehandhabt und selbst von Steuerberater*innen und Finanzämtern werden zum Teil widersprüchliche Angaben gemacht. Unsere Agenda sieht vor hier entschieden für eine Vereinheitlichung einzutreten. Wir haben hier gute Unterstützung und Expertise aus den anderen Sektionen und dem Kulturrat selbst, wofür wir sehr dankbar sind. Im ersten Schritt wird in den nächsten Wochen eine eigens dafür konzipierte Umfrage vom Fotorat veröffentlicht. Dies kann nur eine erste Bestandsaufnahme sein, deren Ergebnisse dann in unsere Lobbyarbeit einfließen werden. Ziel ist es, eine gerechtere steuerliche Behandlung der Fotokunst zu erreichen, die deren kulturelle Bedeutung widerspiegelt.
ProfiFoto: Der Fotorat war vor ein paar Monaten bei der Gründungskommission des geplanten Fotoinstituts zu einem Gespräch eingeladen. Hat sich daraus etwas Konkretes ergeben und worum ging es bei dem Gespräch eigentlich?
Julia Laatsch: Richtig. Wir waren mit insgesamt vier Vertreter*innen unserer Arbeitsgruppe Fotografisches Erbe zu einem Gespräch mit der Gründungskommission eingeladen worden. Die Einladung erfolgte durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Es ging hier vor allem darum, sich erstmals gemeinsam mit der Gründungskommission im Gespräch über unsere Erwartungen an das Deutsche Fotoinstitut auszutauschen. Viele Verbände und Institutionen hatten zuvor kritisiert, dass sie am Prozess des Fotoinstituts nicht beteiligt waren. Nun auch relevante Verbände, Institutionen und den Deutschen Fotorat mit einzubeziehen, begrüßen wir sehr. Denn die ausgeprägte Expertise in unseren Reihen kann im Sinne der Sache nur hilfreich sein. Neben dem dringenden Appell, hier die gesamte Breite der Fotografie bei der Ausgestaltung des Fotoinstituts zu berücksichtigen, sprachen wir unter anderem auch über das Förderprogramm Filmerbe, welches auch der Fotografie als Vorbild dienen könnte. Die Digitalisierung von Filmen wird dabei in drei Bereichen gefördert: Auswertungsinteresse, kuratorisches Interesse und konservatorische Notwendigkeit. Das Gespräch war äußerst konstruktiv. Wir konnten die Perspektiven und Bedürfnisse der Fotograf*innen einbringen und betonen, wie wichtig generell eine institutionelle Unterstützung der Fotografie ist. Wünschenswert wäre es, hier auch künftig mit relevanten Akteur*innen der Branche die Struktur des Deutschen Fotoinstituts zielgerichtet und im angemessenen Tempo gemeinsam voranzubringen. Denn mit jedem Tag der vergeht, gehen leider auch zahlreiche Archive der Fotograf*innen verloren, wenn wir nicht dringend eine Struktur nachhaltig und praxistauglich fördern und etablieren. Dieser Verantwortung sollten sich alle Beteiligten bewusst sein!
ProfiFoto: Im Oktober will sich der Fotorat als gemeinnütziger Verein konstituieren. Warum hat er das nicht gleich von Anfang an gemacht und ist stattdessen als GbR gegründet worden?
Julia Laatsch: Die ursprüngliche Gründung des Fotorats im Sommer 2021 als GbR bot uns die nötige Flexibilität, um schnell und unkompliziert zu agieren und erste Strukturen aufzubauen. Gerade während der Corona Pandemie konnten wir uns so aus allen Himmelsrichtungen anfänglich unkompliziert zusammenzoomen. Da sich unsere Arbeit jedoch kontinuierlich weiterentwickelt hat und unser Netzwerk gewachsen ist, ist es der nächste logische Schritt, den Fotorat in einen gemeinnützigen Verein zu überführen. Diese Rechtsform ermöglicht es uns, nachhaltiger zu arbeiten, Zugang zu weiteren Fördermitteln zu erhalten und unsere Aktivitäten im Sinne der Gemeinnützigkeit auszubauen.
ProfiFoto: Wie verläuft die Arbeit der diversen Fotorats-Arbeitsgruppen? Gibt es Pläne für neue Arbeitsgruppen?
Julia Laatsch: Die Arbeitsgruppen des Fotorats arbeiten sehr effizient und fokussiert an spezifischen Themen, die für die Fotografie-Branche von Bedeutung sind. Die aktivsten Arbeitsgruppen befassen sich mit den Themen Technischer Fortschritt, Fotografisches Erbe, Visuelle Kompetenzen, Bildung, UNESCO Immaterielles Kulturerbe (für die analoge, chemiebasierte Fotografie), Künstlerische Fotografie, sowie Dokumentarfotografie. Besonders wichtig ist dabei das Engagement unserer Ehrenamtlichen. Dank ihres Einsatzes können wir unsere Expertise effektiv ausbauen und uns nicht nur verstärkt in die Fachausschüsse des Deutschen Kulturrates einbringen, sondern auch eigene Themen mit Hilfe von Stellungnahmen, Fragenkatalogen, Diskussionen, Workshops und Lobbyarbeit auf Bundesebene, wie auch auf EU-Ebene gezielt voranbringen.
Generell ist noch mehr Vielfalt in unseren Themen immer erstrebenswert. Unsere stetig wachsende Mitgliederzahl wird auch neue Themen, Bedürfnisse und Expertise mit sich bringen, die wir unbedingt fördern und mit vorhandenen Gruppen in Synergien bringen wollen.
ProfiFoto: Welche neuen Mitglieder sind in diesem Jahr zum Fotorat hinzugekommen und wer steht auf Eurer Wunschliste?
Julia Laatsch: Wir freuen uns, dass wir in diesem Jahr bislang schon sieben neue korporative Mitglieder begrüßen konnten. Dazu gehören: bpp – bund professioneller portraitfotografen, Institut Heidersberger, Museum für Photographie Braunschweig, Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg, BVPA – Bundesverband professioneller Bildanbieter e.V., SHIFT School, Historisches Archiv Köln mit Rheinischem Bildarchiv.
Unsere Wunschliste verhält sich genau wie im privaten Leben: eigentlich ist man wunschlos glücklich und doch entwickeln sich jedes Jahr neue spannende Wünsche, die kurz vor Weihnachten auf dem Wunschzettel landen. Letztendlich entscheidet jedoch nicht unsere Wunschliste, wer Mitglied wird, sondern unsere stimmberechtigten Mitglieder selbst auf der Mitgliederversammlung.
ProfiFoto: Ein Ziel war die Professionalisierung des Fotorats durch die Einrichtung einer Geschäftsstelle. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Julia Laatsch: Ein zentrales Anliegen des Fotorats ist es, unsere Arbeit weiter zu professionalisieren. Dazu gehört sicher langfristig auch eine zentrale Geschäftsstelle. Jedoch ist es derzeit noch wichtiger gewesen dem wachsenden, dezentral über Deutschland verteilten, Netzwerk Unterstützung in Form von konstant zur Verfügung stehender Arbeitskraft zur Seite zu stellen. Aktuell arbeiten wir unsere erste freie Mitarbeiterin ein. Dabei ist vor allem wichtig, dass die Arbeit erledigt wird. Ob dies in einer zentralen Geschäftsstelle oder dezentral geschieht. ist aus unserer Sicht aktuell nicht entscheidend. Da jedoch sowohl FREELENS als auch die beiden Sprecher*innen des Fotorats ihren Sitz in Hamburg haben, bietet es sich an die vorhandenen Räumlichkeiten des Berufsverbands für Fotograf*innen zu nutzen und Hamburg im Oktober zum Sitz des Vereins zu machen.
ProfiFoto: Welche mittelfristigen Ziele setzt Ihr Euch als Gremium des Fotorats für die kommenden Jahre?
Julia Laatsch: Unser Wachstum bleibt ein zentrales Ziel, wobei wir bei Bedarf unsere Strukturen anpassen und neue Arbeitsgruppen sowie Themenschwerpunkte einführen werden. Zudem streben wir an, unsere Verankerung in Politik, Kultur und Gesellschaft zu vertiefen. Hierbei spielen auch externe Partnerschaften eine wichtige Rolle, die wir pflegen und weiter ausbauen möchten, um den Einfluss der Fotografie in diesen Bereichen nachhaltig zu stärken. Auch die Intensivierung der internationalen Vernetzung wird immer wichtiger. Gerade haben wir uns zum Beispiel offiziell in das Transparenzregister der Europäischen Union eingetragen, und können uns nun auch international am Diskurs zu Künstlicher Intelligenz beteiligen und Einfluss auf die EU-Politik und den Beschlussfassungsprozess nehmen. Parallel dazu planen wir, nach und nach zusätzliche Expert*innen in die Fachausschüsse des Deutschen Kulturrats zu entsenden, um unsere Stimme in kulturpolitischen Debatten weiter zu festigen. Die Sprecher*innen des Fotorats werden sich auch weiterhin im Sprecherrat des Kulturrats engagieren und dabei die Zusammenarbeit mit anderen Sektionen intensivieren. Aber auch intern ist es wichtig allen Arbeitsgruppen einen guten Austausch miteinander zu ermöglichen, da es selbstverständlich auch immer thematische Überschneidungen gibt und wertvolle Synergien unter unseren Mitgliedern entstehen können.