Anlässlich des 185. Geburtstags der Fotografie wurde im Rahmen des Festivals La Gacilly Baden Photo im Rahmen der „Langen Nacht der Fotografie” der Lammerhuber Award for Life Time Achievement an den britischen Fotografen Martin Parr verliehen. Die launige Laudatio hielt Andréa Holzherr, Exhibition Manager Magnum Photos.
Mit dem Hans Hass Award wurde bei der „Langen Nacht der Fotografie” das Fotografenpaar Jennifer Hayes und David Doubilet ausgezeichnet, das unter anderem im Auftrag von National Geographic seit Jahrzehnten die Unterwasserwelt fotografiert und filmt. Anita und Richard Ladkani berichteten im Dialog mit dem südafrikanischen Fotografen Brent Stirton über ihr Filmprojekt über das Amazonasgebiet.
Noch bis zum 13. Oktober präsentiert das Festival La Gacilly-Baden Photo in einer riesigen Open-Air-Galerie im historischen Zentrum und den Gärten der österreichischen Stadt Baden auf sieben Kilometern Länge rund 1.500 Fotografien, verteilt auf 32 Ausstellungen. Das Festival steht in diesem Jahr unter dem Motto WELT.NATUR.ERBE.
Silvia Lammerhuber zum Konzept des Festvals: „Wir möchten mit Hilfe von Bildern zu den Fragen der Urbanisierung, der Artenvielfalt, der natürlichen Ressourcen, der Umweltverschmutzung oder der Klimaerwärmung Denkanstöße geben. Daher zeigen wir in unserem siebten Festivaljahr wieder Arbeiten der großen Meister der Umweltfotografie“, darunter Hans Hass, Sebastião Salgado, David Turnley.
Ein besonderes visuelles Highlight ist die Ausstellung „Der Fußabdruck des Menschen“, Bilder aus dem Orbit, aufbereitet von Gerald Mansberger und Markus Eisl. Norbert Span zeigt in seinen Bildern, warum Schneekristalle die „Juwelen des Himmels“ sind. Luigi Caputos Bilder erzählen von einer Zauberwelt und gewähren einen faszinierenden Blick auf die geheimnisvollen Orte hinter der Bühne der Salzburger Festspiele. Die Ausstellung der Fotografien der niederösterreichischen Berufsfotograf:innen und die Ausstellung „Director‘s Cut“ von Jurypräsident Michel Comte des mit über 500 000 Bildern aus 170 Ländern größten Fotowettbewerbes der Welt CEWEs „Our World is Beautiful“ runden das Festival ab. Der Eintritt ist frei.
ProfiFoto sprach mit Lois Lammerhuber über die Geschichte und das Konzept des Events.
ProfiFoto: Lois Lammerhuber, das Festival La Gacilly-Baden Photo gibt es seit sieben Jahren. Wie kam es dazu?
Lois Lammerhuber: Die Mutter unserer Zusammenarbeit, das Fotofestival in La Gacilly, wurde von Jacques Rocher im bretonischen La Gacilly in seiner Funktion als Bürgermeister bereits 2004 ins Leben gerufen um seinen Mitbürgern die Welt nahe zu bringen. Als Naturliebhaber und begeisterter Baumpflanzer – er hat weltweit cirka 130 Millionen Bäume gepflanzt – widmete er es dem Thema Mensch und Umwelt. Ich kenne Jacques seit etwa zehn Jahren. Unsere Bekanntschaft begann beim Fotofestival in Perpignan. Im Laufe der Jahre freundeten wir uns an und trafen uns regelmäßig. Alle diese Treffen endeten mit einer Einladung nach La Gacilly. Damals waren solche Outdoor-Festivals noch nicht so verbreitet wie heute – und schon gar nicht eine internationale Zusammenarbeit, das war etwas völlig Neues. Das La Gacilly-Festival zeichnete sich von Anfang an durch seinen starken ökologischen Fokus aus, was es von anderen Festivals unterschied. Wir überlassen die inhaltliche Ausrichtung nicht einfach Kuratoren, sondern entwickelten ein eigens Manifest. Alle Aktivitäten des Festivals orientieren sich an diesem Manifest. Bis hin zur Barrierefreiheit in jeder Hinsicht, also 24/7 zugänglich bei freiem Eintritt.
ProfiFoto: Aber wer stellt das Ausstellungsprogramm zusammen?
Lois Lammerhuber: Das Kuratorenteam besteht aus vier Personen. Jedes Jahr im Oktober treffen wir uns in La Gacilly, um die Ausrichtung des kommenden Festivals zu bestimmen, die im Wesentlichen auf zwei Erzählsträngen aufbaut: Auf einer jährlich wechselnden Geographie verhandeln wir die Conditio Humana und der zweite Narrativ ist dem Zustand unseres Planeten Erde gewidmet. Wir laden dann jene Fotografen ein, deren Arbeiten zu unserem Thema passen. Wir verzichten bewusst auf offene Ausschreibungen, da wir so die Möglichkeit haben, gezielt mit Künstlern zusammenzuarbeiten, deren Arbeiten unsere Vision unterstützen. Warum machen wir das? Weil sich die Fotografen, die wir für unser Festival gewinnen möchten, normalerweise nicht auf offene Ausschreibungen bewerben. Sie sind etablierte Künstler, deren Arbeit bereits international anerkannt ist. Wir fragen sie direkt an, und sie sind in der Regel gerne bereit, an unserem Festival teilzunehmen.
ProfiFoto: Wieviele Positionen präsentiert das Festival in Baden aktuell?
Lois Lammerhuber: Insgesamt 31, davon waren 19 bereits in Frankreich zu sehen. Der Rest ist neu. Der Grund für diese Erweiterung ist ganz einfach: La Gacilly hat 1.500 Einwohner, während wir hier in Baden rund 25.000 zählen.
Auf die Idee, La Gacilly nach Baden einzuladen, kam ich als ich das erste Mal die Ausstellungen in La Gacilly gesehen hatte und dem Zauber der Outdoorpräsentation verfallen bin. Ein ganzes Dorf war zur Galerie geworden: ‚Wie toll wäre das, wenn wir so etwas auch in Baden hätten?‘ Natürlich war mir bewusst, dass Festivals normalerweise fest an einen Ort gebunden sind. Aber am Abend des Eröffnungsempfangs sprach ich Jacques Rocher an und schlug vor: ‚Was hältst du davon, wenn wir etwas ganz Neues wagen und das Festival auf Reisen schicken?‘ Er fragte mich, wie ich das meine. Ich erklärte ihm: ‚Wir teilen uns die Kosten, entwickeln gemeinsam eine kuratorische Idee, und wenn die Ausstellungen in La Gacilly gelaufen sind, könnten wir sie nach Baden bringen.‘ Seine erste Frage war‚ wo dieses Baden eigentlich liegt …
ProfiFoto: In der Tat stellt sich die Frage, warum Baden?
Lois Lammerhuber: Das ist ganz einfach: Ich bin hier zu Hause und lebe seit 30 Jahren in dieser Stadt. Baden hat viele Gemeinsamkeiten mit La Gacilly. Beide Städte haben eine ähnliche Atmosphäre, auch wenn La Gacilly etwas ländlicher und unsere Stadt etwas urbaner ist.
Sie haben ja selbst gesehen, dass sich die Ausstellungen besonders gut in unsere Parks, in die bestehende Umgebung einfügen. Sie bilden eine Art Symbiose mit den alten Gebäuden, den Rosengärten und dem gesamten historischen Stadtbild, das auch viel an besucherfreundlicher Infrastruktur anbietet. Wenn man es etwas romantisch ausdrücken will, hat der Prinz Fotokunst, die Prinzessin Gartenkunst wach geküsst.
Darüber hinaus hat Baden mit dem nahen Großraum Wien-Bratislava fast so etwas wie eine Erfolgsgarantie was den Besucherzuspruch betrifft.
ProfiFoto: Ich bin nach meinem sechs Kilometer langen Rundgang überrascht, dass es nur 31 Positionen sind. Wie viele Bilder umfassen die Ausstellungen insgesamt?
Lois Lammerhuber: Zwischen 1500 und 2000, je nach dem Edit der einzelnen Ausstellung.
ProfiFoto: Wie lässt sich diese Bilderflut finanzieren?
Lois Lammerhuber: Wir haben rund 90 Sponsoren. Und wenn das nicht ausreicht, müssen Silvia und ich auf unsere Ersparnisse zurückgreifen. Wir machen das Festival pro bono, wir verdienen nichts daran. Dahinter steht ein gemeinnütziger Verein. Die Stadt stellt 192.000 Euro zur Verfügung, das Land Niederösterreich aus dem Tourismus-Etat 40.000 Euro und weitere 40.000 Euro aus dem Kultur-Budget. Das Zielbudget liegt bei 1,3 Millionen Euro, das bekommen wir jedoch praktisch nie zusammen. Ab 750.000 bis 800.000 Euro kann ich das Festival auf die Beine stellen, aber dann muss ich schon ein paar Abstriche machen. Das betrifft jedoch nicht die ausgestellten Werke, sondern die begleitenden Maßnahmen. Wir haben bereits viele Workshops und Artist Talks gestrichen, denn ein Grundprinzip bei uns ist, zuallererst die Fotografen! Alle Fotografen erhalten bei uns denselben Betrag, egal ob sie Salgado heißen oder unbekannt sind. Jeder bekommt 2000 Euro plus die Flugtickets hierher, egal wo sie zu Hause sind. Die Fotografen kommen aus aller Welt, und wenn einer sich wünscht, seine Frau mitbringen zu wollen, dann ermöglichen wir das. Respekt gegenüber den Fotografen und deren Arbeiten ist ein wichtiger Treiber des Festivals. Mein leidenschaftliches Ziel ist es, den Fotografen eine sie würdigende Ausstellung zu bauen, eine Art in Bilder gegossene Hommage an ihre Werke.
ProfiFoto: Das Festival La Gacilly-Baden Photo weist vergleichsweise sehr hohe Besucherzahlen aus. Wie werden die ermittelt?
Lois Lammerhuber: Wir arbeiten mit ExpoCloud zusammen. Dieses Unternehmen aus Aachen ist auf Exit-Polls und Besucherstrom-Analysen spezialisiert, hat viele Innovationpreise gewonnen. Sie vermessen über GPS-Daten und von mir so genannte IP-Detektoren das Besucherverhalten. Wer zumindest zwei Stunden lang der Festivalroute folgt wird erfasst und kommt in die Statistik. Die Baden zuordenbaren IP-Adressen werden je Festivalsaison allerdings nur einmal gezählt. Darüber hinaus erfahren wir gemäß dem gesetzlich erlaubten Rahmen, wo die Besucher herkommen, ob sie männlich oder weiblich sind – und ihr Alter.
ProfiFoto: Das Festival wirbt unter anderem mit seiner CO₂-Neutralität. Was passiert mit den 1.500 Bildern nach Ende des Festivals im Oktober?
Lois Lammerhuber: Unsere CO₂-Neutralität bezieht sich auf die Organisation und die verwendeten Materialien, die kompensiert werden. Es gibt Agenturen, die das berechnen können. Das sind richtige „Verhöre „– Wahnsinn, was die alles wissen wollen! Wirklich jeder kleinste Schritt wird abgefragt, und dann wird berechnet, wie viel die Kompensation kostet. Ich finde, das ist eigentlich unverzichtbar für ein der Umwelt gewidmetes Festival.
ProfiFoto: Aber was konkret passiert mit den Prints nach dem Festival?
Lois Lammerhuber: Die werden recycelt, also dokumentiert vernichtet oder an mit den Fotografen vereinbarte Adressen geschickt. Viele Fotografen wollen die Bilder aber nicht zurückhaben, weil sie nicht wissen, wohin damit. Es gab auch immer wieder Vorschläge, die Bilder zu versteigern, aber das hat sich als rechtliche und logistische Unmöglichkeit erwiesen. Mit dem Honorar erwerben wir ja nur das Werknutzungsrecht, das heißt, wir dürfen die Bilder drucken und ausstellen. Aber selbstverständlich gehören sie uns nicht.
ProfiFoto: Der Schwerpunkt des Festivals liegt auf Dokumentarfotografie. Feiert La Gacilly-Baden Photo ein aussterbendes Genre?
Lois Lammerhuber: Nein, das würde ich überhaupt nicht so sehen, ganz im Gegenteil. Wir feiern das Leben, weil unsere Zielsetzung darin besteht, auf einer Metaebene gesellschaftliche Positionen zu verhandeln. Wir versuchen, Menschen durch Fotografie dazu zu bringen, sich jenen Themen auseinanderzusetzen, die uns sozusagen alle angehen und daraus zu lernen. Für mich persönlich ist das Festival eine Art humanistische Bildungsanstalt, und ich glaube, jeder, der hierherkommt, nimmt ein Mehr an Wissen mit nach Hause. Außerdem vergibt La Gacilly jedes Jahr zwei, drei Aufträge an Fotografen. Wir suchen auf diese Weise nach Möglichkeiten, unseren Beitrag zu leisten, damit auch die Produktion von Fotografie weiterlebt.
https://festival-lagacilly-baden.photo/de
Fotos: Petra Gerwers