Der Photoindustrie-Verband hat seine Liquidation beschlossen und auch die Photopia in Hamburg ist abgesagt. Welche Perspektiven ergeben sich für die Fotobranche?
1. Wie sehen Sie die aktuelle Situation der Fotobranche in Deutschland?
2. Braucht die Fotoindustrie eine eigenständige Organisationsform, oder wie könnte eine Interessenvertretung zukünftig aussehen?
3. Wie kann sich die Fotoindustrie ohne Fotomesse zukünftig nach außen präsentieren?
4. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Profi- und Amateurfoto-Szene?
Thilo Röhrig, Managing Director von Ringfoto, ringfoto.de
1. Deutschland ist nach wie vor einer der wichtigsten und umsatzstärksten Foto-Märkte weltweit! Aber wir befinden uns auch in einem Umbruch. Zum einen entwickelt sich der Video-Markt stetig weiter und die Anforderungen an Beratung und komplementär Produkte wächst, und zweitens stellen wir leider seit einiger Zeit auch einen Rückgang bei den Stückzahlen fest. Der Gesamtmarkt Foto verkauft in Stück jährlich weniger Produkte – dem wollen und müssen wir mit mehr markterweiternden Aktivitäten entgegenwirken. Unsere Branche ist zu leise und wenig sichtbar für den breiteren Markt!
2. Für die übergeordneten Interessen einer Industrie- und Handelsgemeinschaft kann eine Organisation z.B. in Form eines Verbandes immer hilfreich sein. Allerdings braucht es klare Ziele und Aufgabenbeschreibungen für diese Organisation und die sollte man vorher definieren. Ziele beziehungsweise Aufgaben könnten zum Beispiel die Markterweiterung und das Gewinnen neuer Zielgruppen sein!
3. Es gibt in Deutschland so viele Plattformen, an denen man mit Fotografie in Kontakt treten kann: Zingst, Oberstdorf, Naturfototage, etc… dazu kommen über 150 Haus-Messen, die unsere Händler eigenständig oder mit Industriepartnern organisieren, sowie zahlreiche Hersteller-Events wie Fujikina oder Alphadays. In Summe sind das alles Plattformen für bestehende Foto-Fans, die seit Jahren erfolgreich genutzt werden! Was uns gegebenenfalls fehlt ist die Möglichkeit einer größeren Plattform, die medienwirksam größere Reichweiten erreicht und damit auch für potenzielle neue Zielgruppen interessant wird!
4.
Wie gesagt – ich denke für die existierende Profi- und Amateurszene gibt es Stand heute zahlreiche Event-, Festival- und Messeangebote für Fotografie und Videografie in Deutschland! Ein Photopia-„Ersatz“ müsste sich hier mit anderen, neuen spannenden Themen oder gegebenenfalls einer breiteren Zielgruppen-Ansprache positionieren.
Thomas Mehls, CEWE Vorstand Marketing, Nachhaltigkeit und neue Geschäftsfelder, cewe.de
1. Wir befinden uns in einem herausfordernden Markt. Auch wenn immer mehr Menschen täglich unzählige Fotos mit ihrem Smartphones aufnehmen, kommt die Fotografie per se nicht aus ihrer Nische heraus. Das beobachten wir an unterschiedlichen Stellen, sei es die Auflösung des Photoindustrie-Verbandes, die Absage der Photopia, die Schließung von Fotofachpressetiteln oder dem Rückgang des Verkaufs von Kameras. Unsere Aufgabe ist es, sich in diesem verändernden Markt neu zu positionieren und zu behaupten.
2. Man könnte leicht antworten, dass vor allem unter den gegebenen Umständen eine eigenständige Organisation sinnvoll wäre, um die Interessen und Bedürfnisse der Branche zu vertreten. Vorab sollte man sich aber die Frage stellen, wer überhaupt Teil der Fotoindustrie ist. Gehören auch die Anbieter dazu, mit deren Devices heute etliche Fotos gemacht werden? Und was ist mit den Unternehmen, die im großen Stil Speicherplatz für Fotos bereitstellen? Die Interessen der Zielgruppen sind hier so vielfältig, dass wir eine Organisation benötigen, die den Alltagsfotografen genauso wie die Profifotografin gleichermaßen abholt. Das Potenzial ist enorm, aber eine klare Kontur kann ich für diese Organisation noch nicht erkennen.
3. Für uns sind Fotomessen wichtig, um mit Händlern, Partnern und natürlich unseren Kundinnen und Kunden in den Kontakt zu treten. In unseren Augen hat Fotografie auch immer etwas mit Haptik zu tun, ist anfassbar und erlebbar. Außerdem entwickelt sich eine Kultur umso besser, wenn die Enthusiasten sich persönlich treffen, austauschen, diskutieren und Ideen entwickeln. Die Photopia war für uns ein solcher Anlass und Innovationstreiber. Jetzt müssen vorerst andere Wege gefunden werden, um mit der Community in den Austausch zu treten, etwa Fotofestivals, virtuelle Messen, Fachtagungen, Workshops und lokale Veranstaltungen. Trotzdem wäre es schön, wenn es wieder diese eine Messe für unsere Branche gäbe.
4. Der Trend zur Fotografie ist weiterhin ungebrochen – die Lust am Fotografieren besteht wie eh und je. Wir nutzen seit jeher unsere Fotofestivals, Fotoveranstaltungen und unseren
CEWE Photo Award, um die Profi- und Amateurszene zu bedienen – hier werden wir auch zukünftig stark in die Fotokultur investieren. Der Fotografie als Hobby geht es grundsätzlich gut – die Frage ist nur, ob wir als Branche nicht viel Potenzial auf der Straße liegen lassen, weil wir nicht zueinander finden.
Falk Friedrich, Geschäftsführer Leica Camera Deutschland GmbH, leica-camera.com
1. Prinzipiell ist die aktuelle Situation positiv zu bewerten. Die Branche verzeichnet im Segment der hochpreisigen Produkte ein kontinuierliches Wachstum, was ein positives Signal darstellt. Allerdings ist gleichzeitig ein Rückgang bei den verkauften Stückzahlen zu verzeichnen, was bedeutet, dass weniger Menschen neue Kameras erwerben. Hier ist die Industrie gefragt und steht vor der Herausforderung, Anreize zu schaffen, um das Interesse an Fotografie aufrechtzuerhalten und neue Kunden zu gewinnen.
2. Sicherlich ist es von Vorteil, wenn eine Interessengemeinschaft die gesamte Fotobranche – Hersteller, Handelspartner und Medien – von einem Organ aus als zentrale Anlaufstelle koordiniert und den Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren der Branche fördert. Eine gemeinsame Plattform zur Organisation von Veranstaltungen, Diskussionen und den Informationsaustausch unterstützt dabei, gemeinsame Ziele zu verfolgen und die Entwicklung der Fotobranche voranzutreiben.
3. Wir bei Leica setzen wie einige andere Hersteller und Händler verstärkt auf eigene Events, Vernissagen in den Leica Galerien und Kundenveranstaltungen in unseren Stores, um Marke und Produkte einem breiteren Publikum erlebbar zu machen. Der persönliche und direkte Kontakt bietet die ideale Plattform für den Austausch. Dahingehend unterstützen wir auch unsere Fachhandelspartner und schaffen mit exklusiven Angeboten kontinuierlich neue Anreize. Dennoch stehen wir einer branchenübergreifenden Messe, oder besser gesagt einem Festival in Deutschland, nach wie vor positiv gegenüber. Solche Veranstaltungen sind wichtiger Treffpunkt, um die gesamte Vielfalt der Fotobranche zu präsentieren, neue Trends zu entdecken und wichtige Geschäftskontakte zu knüpfen.
4. Die Konsequenzen sind derzeit schwer abzuschätzen. Wir gehen davon aus, dass sich in naher Zukunft neue Formate und Plattformen herausbilden werden, um die Vielfalt und Zugänglichkeit der Fotografieszene zu erhöhen und den Bedürfnissen beider Gruppen, Profis und Amateuren, gerecht zu werden.
Thomas Alscheid, Geschäftsführer WhiteWall, whitewall.com
1. Die aktuelle Situation der Fotobranche in Deutschland ist zweifellos von Herausforderungen geprägt. Die Auflösung des Photoindustrie Verbandes und die Absage der Photopia in Hamburg in diesem Jahr markieren eine Zäsur. Wir von WhiteWall bedauern die Absage der Photopia und die Auflösung des Verbandes sehr. Die Branche steht vor der Aufgabe, sich in einem sich ständig verändernden Markt neu zu positionieren und anzupassen.
2. Eine eigenständige Organisationsform für die Fotoindustrie ist sicherlich von Vorteil, um die Interessen und Bedürfnisse der Branche zu vertreten. Eine zukünftige Interessenvertretung könnte aber auch in Form von Kooperationen oder Netzwerken organisiert werden. Möglicherweise ist ein Umdenken erforderlich, um Verbände und Plattformen kleiner zu halten, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Entscheidend ist, dass eine solche Organisation die Vielfalt der Branche repräsentiert und ihre Interessen effektiv vertritt.
3. Ohne Fotomesse müssen andere Wege gefunden werden, um die gesamte Fotoindustrie nach außen zu präsentieren. Für uns war die Photopia eine wichtige Messe in Europa. Mit einem Gemeinschaftsstand in Kooperation mit Leica haben wir uns auf der Messe etabliert. Die Photopia war für uns eine sehr gute Plattform und wird sicherlich fehlen. Ich persönlich halte es für wichtig, in Zukunft alternative Wege zu finden, um Produkte, Dienstleistungen und Innovationen der Branche einem breiten Publikum zugänglich zu machen und den Austausch unter Fachleuten zu fördern.
4. Die Absage der Photopia hat sicherlich Auswirkungen sowohl auf die Profi- als auch auf die Amateurfotoszene. Die Profis verlieren eine wichtige Networking-Plattform, die auch für uns besonders wichtig war. Neue Produktentwicklungen konnten wir auf der Messe vor der Produkteinführung den Profis präsentieren und auch wichtiges Feedback einholen. Für die Amateure bedeutet dies möglicherweise einen Verlust an Inspiration, Austausch und Zugang zu neuen Technologien und Trends.
Rainer Führes, Senior Managing Director und CEO von Canon Deutschland, canon.de
1. Wir sehen, dass sich der deutsche Imaging-Markt weiterhin stabil entwickelt. Getrieben wird diese Entwicklung vor allem durch konstant hohe Nachfrage an hochwertigen spiegellosen Kamerasystemen, die starke Kaufimpulse setzen. Dies spiegelt sich auch in den von der GfK-veröffentlichten Marktzahlen für 2023 wider. Gerade im Bereich der Content Creation, insbesondere Bewegtbild, sehen wir Potenzial, jene Märkte weiter zu erschließen, in denen sich auch jüngere Zielgruppen finden. Insgesamt sehen wir mehr Chancen als Herausforderungen für unsere Branche. Es wird darum gehen, den Kuchen größer zu machen, die Nachfrage an Kameras auch bei denen zu steigern, die bislang zwar bildaffin, allerdings noch nicht mit einer Kamera unterwegs sind. Wir sprechen insofern auch von einer Verjüngung des Marktes. Erste Schritte in diese Richtung haben wir bereits mit der Teilnahme an Veranstaltungen wie der Gamescom, dem ALL EAR Summit von Spotify oder kürzlich dem OMR-Festival erfolgreich etabliert.
2. Nach der Auflösung des PIV ist es für die Fotobranche mittel- und auch langfristig wichtig, einen formalisierten Erfahrungsaustausch zu etablieren. Dieser muss nicht zwangsläufig einer bestimmten Organisationsform folgen. Wichtig ist, dass diese Plattform wettbewerbsrechtlich konform ist. Wir sind zuversichtlich, dass sich die Branche auch künftig in einem formellen Rahmen austauschen wird.
3. Wir sind der Meinung, dass die Fotoindustrie ohne dediziertes Imaging-Event nicht auskommt. Wir brauchen ein Leuchtturm-Event in Deutschland, das die Faszination für Imaging erlebbar macht, sowie diverse Zielgruppen wie Konsumenten, Profis- und B2B-Anwender und den Handel anspricht.
4. Wir sind zuversichtlich, dass es auch in Zukunft ein Event geben wird, das Imaging in den zentralen Mittelpunkt stellt und das zum Ausprobieren und Netzwerken anregt. Aktuell ist es jedoch noch zu früh über das „Wann und Wie“ zu spekulieren. Ich bin mir allerdings absolut sicher, dass unsere Branche ein neues Imaging-Leitevent für den deutschen Markt konzipieren und realisieren wird. Wer uns bis dahin als Marke treffen und in den direkten Austausch gehen möchte, kann dies in diesem Jahr u.a. in Zingst, auf dem Oberstdorfer Fotogipfel oder auf der photo+adventure tun.