Mit der Festival-Saison starten auch wieder die internationalen Portfolio-Reviews. Doch welche sind zu empfehlen und was gilt es zu beachten.
1. Welche Portfolio-Reviews haben Sie besucht oder beabsichtigen Sie zu besuchen?
2. Wie haben Sie sich auf Ihr Portfolio-Review vorbereitet und wie haben Sie Ihre Arbeiten präsentiert?
3. Wie haben Sie konkret von den Reviews profitiert?
Jan Stradtmann, Künstler, janstradtmann.de
1.
Bisher habe ich an zwei Portfolio-Reviews teilgenommen. 2019 während des Format-Festivals in Derby in Großbrittanien und 2023 während des Photoszene-Festivals in Köln. Aktuell beabsichtige ich nicht, an einem Portfolio-Review teilzunehmen.
2.
Mein Portfolio besteht aus fotografischen Abzügen im Format 30 x 40 cm, die einzeln in einer Portfolio Box zusammengefasst sind. Dies ermöglicht es, einen qualitativen und haptischen Eindruck der Arbeiten zu vermitteln. Ich bevorzuge eine Box, da es auch die Entnahme einzelner Bilder zulässt und die Bilder optional, auf den für die Portfolio-Reviews zur Verfügung stehenden Tischen, ausgelegt und angeordnet werden können.
Ich habe während der beiden Portfolio-Reviews in Derby und Köln insgesamt drei Arbeiten/Serien präsentiert. Der Umfang pro Arbeit betrug zehn bis 15 Fotografien, also insgesamt umfasste das Portfolio 30 bis 45 Bilder. Die Teilnahme an beiden Portfolio-Reviews setzte die Auswahl einer oder mehrerer Portfolio-Gutachterinnen oder Portfolio-Gutachter voraus, mit denen das Gespräch im Vorfeld gebucht bzw. vereinbart wurde. Für mich waren diese konkreten Personen entscheidend, überhaupt an den Reviews teilzunehmen.
In meinem Fall wählte ich die Gespräche mit Gutachterinnen und Gutachtern, die als KuratorInnen in Museen oder als BetreiberInnen von Galerien arbeiten. Ihre Biographien und Professionen waren mir bekannt, bzw. habe ich mich während der Vorbereitung auf die Gespräche mit den Schwerpunkten und Themenfeldern dieser Reviewer vertraut gemacht. Für mich war es wichtig, dass ich mit meiner Präsentation und Fragestellung eine Konversation einleiten konnte, welche im besten Falle für beide Seiten eine Bereicherung darstellte.
Die Portfolio-Review in Derby war so konzipiert, dass man sich für die Gespräche an die Tische der Gutachterinnen und Gutachter begab. Das Portfolio-Review in Köln erfolgte nach dem umgekehrten Prinzip. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer buchte einen Tisch für sich und die Gutachterinnen und Gutachter begaben sich für die Gespräche von Tisch zu Tisch. Aus meiner Perspektive schafte diese statische Präsentation eine optimale Voraussetzung für die Darstellung der Arbeiten. Ich habe den Tisch als einen kleinen Messestand angenommen und neben der Portfolio-Box noch weiteres Material präsentiert (z.B. Bücher oder Recherche-Ergebnisse). Zusätzlich war es in Köln den Besucherinnen und Besuchern des Photoszene-Festivals möglich, ebenfalls mit den
Teilnehmenden des Portfolio-Reviews ins Gespräch zu kommen. Diese Öffnung empfand ich als starke Bereicherung und ich hatte den Eindruck, dass dies auch von den Besucherinnen und Besuchern des Festivals umfassend angenommen wurde.
3.
Meine Erfahrungen aus den beiden Reviews waren sehr positiv. Neben vielseitigen inhaltlichen Anregungen, die einen Beitrag zur Weiterentwicklung meiner Arbeiten förderten, baute sich für den Moment der Reviews auch ein persönlicher Kontakt auf. Dieser ermöglicht die Fortsetzung der Kommunikation auch nach den Reviews. Noch heute stehe ich in Verbindung mit einigen Gutachterinnen und Gutachtern. Zwei meiner Arbeiten/Serien waren zum Zeitpunkt der Portfolio-Reviews noch nicht abgeschlossen, aber weit fortgeschritten. Für diese beiden Arbeiten suchte ich Ausstellungsmöglichkeiten oder Ausstellungsbeteiligungen. Als konkretes Ergebnis aus dem Portfolio-Review in Derby während des Format-Festivals wurde meine Arbeit „Third Nature“ für die Ausstellungsbeteiligung im Rahmen des Lishui-Photography-Festivals in China 2019 ausgewählt. Neben der Übernahme sämtlicher Produktions- und Reisekosten, um persönlich an dem Festival in China teilzunehmen, wurde ein Künstlerhonorar ausgezahlt. Als Ergebnis des Portfolio-Reviews in Köln während des Photoszene-Festivals wurde mir der Preis in der Kategorie Buchpräsentation verliehen. Damit verbunden ist die Präsentation meiner Arbeiten an einem Stand während der nächsten Thousandfold-Photobuch-Messe.
Shirin Abedi, Fotojournalistin und Dokumentarfotografin, shirinabedi.com
1.
Ich habe bisher an kostenlosen Portfolio-Reviews teilgenommen: Das NY Portfolio-Review, das Hamburg Portfolio-Review und die Portfolio-Reviews in Perpignan. In Arles gibt es auch Portfolio-Reviews, für die man aber Geld bezahlt, und man sollte genau wissen, warum man sich mit Person XY vernetzen will, damit es sich lohnt. Auf der anderen Seite denke ich, dass es auch andere Wege gibt, die Reviewer*innen der Veranstaltungen zu erreichen als bei einem bezahlten Portfolio-Review. Außerdem habe ich mich mit Personen verabredet und ihnen bei einem Kaffee meine Arbeit präsentiert.
2.
Bei Online-Portfolio-Reviews habe ich sowohl einen Ordner mit JPEGs als auch eine gestaltete PDF-Datei. Idealerweise hat man auch noch eine Online-Slideshow, dessen Link man mit den Reviewer*innen teilen kann, falls vor Orte technische Probleme auftreten sollten. Bei persönlichen Reviews habe ich oft eine digitale Präsentation vorbereitet und noch ein kleines gedrucktes A5-Portfolio mit zwei Geschichten à 15 bis 20 Bildern dabei. Mein Portfolio ist klein, damit es handlich ist, in meine Handtasche passt und ich es überall hin mitnehmen kann. Bei Portfolio-Sichtungsterminen nehme ich auch meine Buchdummies mit. Da alle Reviewer*innen unterschiedlich sind entscheide ich vor Ort, wem ich meine Arbeit wie präsentiere: Je nach dem wie viel Zeit ist und wie viel sie sehen möchten und wie tief ich in die Arbeiten einsteige.
Zweitens ist wichtig sich im Klaren zu sein, wen man weshalb trifft. Will man Feedback zur eigenen Arbeit? Möchte man eine Beziehung aufbauen für spätere Aufträge? Möchte man an einer Ausstellung zusammenarbeiten? Was sind deine Ziele?
Man muss sich mit den Reviewer*innen auseinandergesetzt haben. Wen triffst du? Wo arbeitet die Person? Wie arbeitet sie? Was sind ehemalige Projekte, an denen sie beteiligt war? Was sind unsere Gemeinsamkeiten? Hatten wir schon vorherige Berührungspunkte? Wofür bewundere ich ihre Arbeit? Es ist wichtig, zu wissen, wen man trifft und was sie schon gemacht hat. Zum einen, weil die Reviewer*innen dadurch merken, dass man seine „Hausaufgaben“ gemacht hat, zum anderen, weil man unterschiedliche Portfolios zeigen kann. Mir wurde zwar gesagt, dass man meistens für seine freien Arbeiten gebucht wird, aber es ist hilfreich in Bezug auf die Arbeitsweise des Auftraggebers seine Stärken zu betonen. Z.B. arbeite ich viel an freien Langzeitprojekten, aber ich kann auch schnell arbeiten, weil ich einen Hintergrund als Tageszeitungsfotografin habe. Ein*e Reviewer*in aus der Tageszeitung möchte auch Arbeiten sehen, die in kürzerer Zeit entstanden sind. Eine Museumskurator*in interessiert sich vielleicht mehr für tiefere Geschichten. Als letztes muss man sich Gedanken machen, wer man selbst ist. Und man muss ehrlich sein. Zu sich selbst und zu den Reviewer*innen.
3.
Am meisten profitiert habe ich von den Reviewer*innen durch ihr Feedback und mir zudem ein gesundes, fürsorgliches Netzwerk aufgebaut. Portfolio-Reviews sind wie Speed Dating, und der Beginn einer beruflichen Beziehung. Meistens frage ich nach den Kontaktdaten der Reviewer*innen. Nach den Reviews sollte man sich auf jeden Fall bei den Reviewer*innen melden und sich bedanken. Man kann auch ein kurzes PDF seiner Arbeit als Erinnerungsstütze mitschicken. Und dann gilt es weiterzuarbeiten und sich wieder nach einigen Wochen zu melden mit Updates, je nach dem, was man erreichen will.
Verena Brüning, Fotografin, verenabruening.de
1.
Im Jahr 2023 habe ich beispielsweise am Hamburg Portfolio Review teilgenommen. Die Bewerbung erfolgt online, und wenn man ausgewählt wird, kann man aus einer großen Liste internationaler Reviewer*innen seine Favorit*innen auswählen. Das Team bemüht sich dann, alle Wünsche zu erfüllen – was natürlich nicht immer gelingt. Dennoch war es eine tolle Gelegenheit, an einem Tag mit einer Vielzahl verschiedener Expert*innen über meine Arbeit zu sprechen. Die Reviews fanden online statt, aber für Teilnehmer*innen vor Ort in Hamburg gab es auch die Möglichkeit, sich persönlich zu treffen. Ich bevorzuge immer ein persönliches Treffen, aber wenn das nicht möglich ist, kann man sich auch gut über eine Videokonferenz austauschen. Auch in diesem Jahr wird das Hamburg Portfolio Review wieder angeboten.
Ich hätte auch gerne am New York Portfolio Review teilgenommen, das auch remote möglich ist, aber ich habe den Bewerbungstermin dieses Jahr verpasst. Ansonsten habe ich bereits an verschiedenen Formaten teilgenommen, jedoch nur deutschlandweit und zu überschaubaren Gebühren.
2.
Grundsätzlich schaue ich mir immer genau an, wer die Reviewer*innen sind – möchte ich jemanden davon explizit kennenlernen oder eine bestimmte Arbeit vorstellen? Erhoffe ich mir eine Zusammenarbeit oder einfach nur Feedback zu meiner Arbeit? Besonders wenn die Portfolio-Reviews kostenpflichtig sind, überlege ich es mir gut. Sind die Reviewer*innen aus Deutschland und arbeiten z.B. für bekannte Magazine, kann ich mich auch direkt an die Bildredakteur*innen wenden und einen eigenen Termin ausmachen, bei dem ich im besten Fall auch mehr Zeit zur Verfügung habe. Wenn ich jedoch in kurzer Zeit viele neue Bildredakteur*innen kennenlernen kann, ist es auch sinnvoll, an einem allgemeinen Portfolio-Review teilzunehmen und danach Kontakte zu vertiefen. Bei persönlichen Treffen zeige ich immer noch am liebsten eine gedruckte Mappe oder ein Buch. Wir verbringen alle so viele Stunden vor dem Bildschirm, und ich höre immer wieder, wie gut es tut, sich dann gedruckte Bilder anzusehen und vielleicht sogar mal am Papier zu riechen!
Für das Hamburg Portfolio Review hatte ich zum Beispiel zwei Portfolios als PDF vorbereitet: einen allgemeinen Überblick über verschiedene Arbeiten und dann ein Buchprojekt, das sich damals noch in Bearbeitung befand. Manchmal frage ich auch, was mein Gegenüber lieber sehen möchte. Im besten Fall kommen wir so gut ins Gespräch, dass ich im Anschluss noch weitere Arbeiten per E-Mail sende und wir in Kontakt bleiben.
3.
Einmal wurde ich direkt aus einem Portfolio-Termin heraus für einen Job beauftragt. Das war natürlich ein Erfolg. Aber man kann eigentlich immer davon profitieren, mit anderen Menschen über die eigene fotografische Arbeit zu sprechen. Entweder bekomme ich Input, der mir an einem Punkt meiner fotografischen Arbeit weiterhilft, oder ich erweitere mein Netzwerk. Vielleicht hat mein Gegenüber einen weiteren Kontakt, der mir wieder nützlich sein kann, oder es ergibt sich möglicherweise erst Jahre später eine Zusammenarbeit. Und was ich auch mit den Jahren und vielen Portfolio-Reviews gelernt habe – auch wenn mal jemand mit meiner Fotografie wenig anfangen kann, treffe ich die nächste Person, die sie ganz besonders toll findet, so schafft es auch wieder eine Relation. Ich kann nur dazu raten, an Reviews teilzunehmen.
Joachim Schroeter, Amateurfotograf, mylenwyd.com
1.
Bisher meist Bildbesprechungen im Rahmen von Workshops: elektronisch als Wandprojektion, zur Diskussion in der Gruppe. Ganz anders die Portfolio-Reviews als solche – da mag ich am liebsten 1:1, invididuell. Mein erster dieser Art war mit Andreas Jorns und dem Model Anna Röttger im Jahr 2021, als Ausgangsbasis für einen Licht-Workshop. Danach noch mal mit Andreas im März 2024 – um zu sehen, was sich seit damals (und einem Storytelling-Workshop mit ihm im Herbst 2022) verändert hat. Als dritte Review-Erfahrung schließlich eine Zusammenarbeit mit Wolfgang Zurborn (Lichtblick School) seit Sommer 2023, um Street Photography-Material in einen Buch-Dummy umzuwandeln (ähnlich den tollen Editing Challenges der DFA, nur ohne Gegenentwurf). In Zukunft möchte ich diese Erfahrungen – und ich kann alle Beteiligten oben uneingeschränkt als Sparringspartner empfehlen – gezielt durch Portfolio-Reviews mit Personen aus ganz anderen Bereichen ergänzen: Vertreter anderer Genres, einen Profi-Printer, ausländische Künstler, vielleicht mal einen Kurator, usw.
2.
Die Vorbereitung entsprach jeweils der Zielsetzung. Für Jorns/Röttger hatte ich 50 möglichst unterschiedliche Porträts ausgesucht, um meine bisherige Herangehensweise im direkt anschließenden Workshop um neue Lichtsituationen und Perspektiven zu ergänzen. Für den Folge-Review mit Andreas im Frühjahr 2024 wählte ich dann Beispiele für Entwicklungslinien vor und nach dem seinerzeitigen Event, sowie Aufnahmen, die für meine zukünftige Fotografie stellvertretend sein sollten – wieder etwa 50 Arbeiten um Entwicklungen zu bestätigen, anzupassen, oder zusätzliche fotografische Felder zu erschließen. Das Material für Wolfgang Zurborn hingegen war wesentlich umfangreicher – knapp 200 Aufnahmen Street Photography, alle im Winterhalbjahr 2022/23 mit einer einzigen Kamera und Brennweite entstanden: Wolfgang hat daraus 60 Bilder ausgewählt und in eine buchmäßig spannende Reihenfolge gebracht (einschließlich Vorschlägen zu Bildbeschnitt und -bearbeitung, usw.).
Für Portfolio-Reviews lag jede Aufnahme einzeln auf einem DIN A4-Blatt ausgedruckt vor (bei Wolfgang Zurborn erst die 60 Kandidaten für das Schluss-Editing). 2021 mit Jorns/Röttger hatte ich das auch genutzt, um gleichzeitig etwa 20 verschiedene Papiere zu testen – was auch den Reviewern Erkenntnisse gebracht und der Zielsetzung nicht geschadet hat. 2024 hatte ich stattdessen nur ein einziges Papier verwendet, aber die Ränder (wie ein Passepartout) in abwechselnden Hell/Dunkelschattierungen bedruckt – das war für den Bildvergleich leider eher störend. Für den Schluss-Edit mit Wolfgang Zurborn liegen deshalb jetzt alle Bilder auf dem gleichen Papier und ohne Randfarben vor.
3.
Eine Warnung bzw. ein Rat vorweg: immer auch offen zu bleiben für anderes als Ziel oder Thema. Ich habe überall immens profitiert, in den Reviews und in vielen Workshops, wenn auch nicht immer so wie erwartet oder wie es der Titel der Veranstaltung nahelegte. Beim letzten Review mit Andreas Jorns z.B. stellten wir irgendwann Bildpaare und Bildwolken aus Drucken völlig unterschiedlicher Genres zusammen (interessant z.B. für Ausstellungen oder beim Buch-Editing): ungeplant und sehr inspirierend. Dabei wurde nebenbei auch klar, dass Review und Workshop 2021 meinen Umgang mit konzentriertem bzw. reduziertem Licht sichtlich beeinflusst hatten – u.a. hin zu viel kontrastreicherem Schwarzweiß. Und die Arbeit mit Wolfgang Zurborn – wie soll ich das beschreiben? Ich würde stattdessen empfehlen, sich mindestens eine Folge der DFA Editing Challenges (DFA-Webseite oder YouTube) anzusehen, und sich von dem, was da mit dem Bildmaterial passiert, überraschen zu lassen: Ganz ähnlich ging es mir mit seiner Auswahl und seinem Edit zu meinen Arbeiten.
Alexa Becker, Photography Coach & Publishing Consultant, alexabecker.de
1.
Ich bin im März in die Saison gestartet, als Reviewer für FotoFest in Houston, das ist der älteste Portfolio Review in den USA. Soweit ich weiß, ist es derzeit auch das einzige amerikanische Festival, das es sich leistet auch europäische Experten einzufliegen, was sehr spannend für alle Beteiligten ist. Die Kehrseite dessen ist, dass die Fotografen hohe Gebühren für eine Teilnahme stemmen müssen.
Als nächstes nehme ich an einem Online-Review für das Belfast Photo Festival teil, danach erfolgt ein weiterer Online Review für das Griffin Museum of Photography in Winchester/Massachusetts. Eine weitere wichtige Station in Sachen Reviews sind natürlich Les Rencontres d’Arles. Vergangenes Jahr durfte ich bei Phest als Reviewer in Monopoli/Apulien teilnehmen, ein Festival, das ich als sehr erfrischend wahrgenommen habe, aufgrund seiner heterogenen fotografischen Positionen und der allgemein herrschenden Atmosphäre. Man merkte dem Festival und auch den Reviews an, dass noch nicht alles „durchkommerzialisiert“ ist und an einigen Ecken noch improvisiert wurde, was ich sehr sympathisch finde.
Allgemein denke ich, dass ein Mix aus Präsenz- und Online-Reviews für alle Beteiligten sinnvoll ist. Online Gespräche sind sehr zielorientiert und auf die Arbeit des Fotografen fokussiert, beim Präsenz-Portfolio-Review können alle natürlich wunderbar netzwerken, was online nicht der Fall ist.
2.
Ich schätze es, wenn sich Fotografen vorher genau überlegt haben, welche Serie(n) sie präsentieren, was sie darüber zu sagen haben und was sie gern vom jeweiligen Reviewer wissen möchten. Prints in guter Qualität, die man aber auch anfassen und gegebenenfalls neu editieren darf, sind von Vorteil. Zusätzlich kann man sicherlich auch noch Ergänzungen auf Laptop zeigen, aber zu sehen, dass die Fotografen qualitativ sehr gute Prints zeigen können, ist mir wichtig. Für mich persönlich wäre es wünschenswert, könnte ich mich ausgiebig vor dem Gespräch mit der Vita und den weiteren Arbeiten des Fotografen auseinandersetzen und mich vorbereiten. Tatsächlich ist es aber so, dass die Reviewer nur eine geringe finanzielle Entschädigung für Ihre Zeit erhalten oder gar keine. Das bedeutet, ich muss mir sehr gut überlegen, inwieweit ich es mir erlauben kann, zusätzliche Zeit in die Vorbereitung zu investieren.
3.
Neben dem spannenden Part des Entdeckens von neuen Arbeiten und Fotografen spielt natürlich für alle Beteiligten das Networking eine sehr wichtige Rolle – wann sonst kann man sich in recht ungezwungener Atmosphäre mit Kuratoren, Galeristen, Verlegern und sonstigen Experten über Fotografie, Ausstellungen, die Fotoszene im Allgemeinen austauschen und neue Verbindungen schaffen? Jeder hat etwas anzubieten und jeder sucht gemeinhin etwas: Einen Autor, ein bestimmtes Thema, eine neue Idee. Konkret profitiere ich davon, wenn ich ein tolles fotografisches Projekt an einen Verlag vermitteln kann oder sich aus dem Gespräch eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit dem Fotografen ergibt. Tatsächlich sind Portfolio-Reviews auf vielen Ebenen bereichernd, die man oft direkt danach noch gar nicht konkret benennen kann. Sie tragen aber alle dazu bei, der eigenen Arbeit – sei es als Fotograf oder Experte – mehr Tiefe zu geben und sich besser in der Szene zu vernetzen.
Stephan Bösch, Fotograf, sichtweise.ch
1.
Im Jahr 2023 buchte ich im Rahmen des „International Photo Festival Olten“ am selben Tag drei Portfolio Reviews. Vor vielen Jahren besprach ich meine Mappe in Reviews an der „Photo-Schweiz“. Das ist allerdings zu lange her, um darüber zu berichten.
2.
Das „International Photo Festival Olten“ ist eine sehr hochkarätige Veranstaltung. Ich denke, das liegt vor allem am Netzwerk des weltbekannten Fotografen Marco Grob, der das Festival massgeblich prägt. Dadurch werden in der kleinen Stadt Olten Fotografie-Ausstellungen auf höchstem Niveau gezeigt. Bei den Reviews kommen Persönlichkeiten aus der ganzen Welt der Fotografie zusammen. Ich denke, das ist ziemlich einzigartig. Dabei wirkt die Veranstaltung sehr zugänglich und keineswegs abgehoben. Meine Vorbereitung begann mit der Auswahl und Buchung der richtigen Personen für ein Review. Diese Entscheidung hängt einerseits mit der eigenen fotografischen Ausrichtung zusammen. Andererseits ist es hilfreich, den Grund für ein Portfolio-Review vor Augen zu haben. Die Frage ist gar nicht so banal. Ein bevorstehender Termin ist somit eine gute Gelegenheit, sich Ziele zu setzen und die eingeschlagene Richtung zu hinterfragen.
Wer kann als Fotografin oder Fotograf stets behaupten, sein Portfolio immer aktuell und griffbereit zu haben? Ich denke, das sollte ein ständiger Prozess sein. Sich zu fragen, was kommt rein und was nicht. Und vor allem warum? Wie passe ich es Schritt für Schritt an, um dahin zu kommen, wo ich hin will? Es geht nicht nur darum, vergangene Arbeiten für immer gültig in eine tolle Mappe zu packen. Mit dem Loslassen von manchen Bildern befreit man sich auch. Und es soll auch Platz sein für frische, neue Arbeiten, die eine neue Richtung weisen.
Meiner Meinung nach ist es unerlässlich, sein Portfolio immer wieder mit verschiedenen Personen zu besprechen. Und genauso sollte man sich Portfolios von anderen anschauen, denn durch die Betrachtung eines fremden Portfolios schult man auch den „Blick von außen“ auf das eigene. Dabei sollte man auch nicht davor zurückschrecken, von Zeit zu Zeit eine Bildredakteurin oder einen Artbuyer zu engagieren.
Ich bin der Meinung, dass man unbedingt vernünftige Prints anfertigen sollte. Sie sollten von guter Qualität sein. Da die Reviews meistens am Tisch stattfinden, sollten die Abzüge nicht größer als DIN A4 oder 24 x 30 cm sein. Meine Mappe besteht aus losen Prints in einer schönen Schachtel. So lassen sich die Bilder nebeneinander betrachten oder auch neu gruppieren. Eine opulente, gebundene Mappe ist vielleicht angebracht, wenn der
Fotograf einen Termin bei Vanityfair oder Magnum hat, sonst aber eher unpraktisch. Die Zeit ist meist sehr knapp. In Olten waren es jeweils 20 Minuten. Manchmal wird man am Anfang gefragt, was man erwartet. Dann lade ich die Person ein, sich erst einmal die Bilder anzuschauen. Für einen ersten Überblick. Erst dann stelle ich ganz gezielt meine Fragen. So kommt man ins Gespräch. Am Ende des Tages sind die Leute etwas müde.
Ein anderes Mal bleiben die Aussagen allgemein. Bitte hakt nach und fragt nach. Und erschreckt nicht, wenn eure Arbeit oder Teile davon kritisiert werden. Vergesst aber auch nicht, dass es nur eine Meinung ist. Wenn auch von einer sehr erfahrenen Person.
3.
Einerseits durch die Vorbereitungsphase: Es ist eine Gelegenheit, sich mit dem eigenen Portfolio auseinanderzusetzen. Allein und auch mit anderen Menschen. Auch die Frage, warum man sich überhaupt einem Portfolio-Review unterziehen möchte, kann zu einem interessanten Reflexionsprozess führen. Für mich waren die Gespräche über mein Portfolio in erster Linie motivierend und ermutigend. Sie haben mir geholfen, die eine oder andere gute Arbeit von früher loszulassen. Das gibt Freiraum für Neues. Das bedeutet nicht, dass sie ganz verschwinden soll. Hält man aber zu fest an Altem fest, fehlt der Schwung und die Energie für das Unbekannte und Neue. Ich habe aber auch ganz praktische Tipps bekommen, wie eine Buchempfehlung, einen Kontakt oder eine Adresse. Und nicht zuletzt darf man Lob und Anerkennung von einer sehr erfahrenen Person in der Fotografie auch annehmen und genießen.
Foto oben: Petra Gerwers