Vor 70 Jahren, auf der photokina im April 1954, präsentierte Leica die erste M als Nachfolgerin seiner legendären Schraubleica-Modelle.
Die „Ahnenreihe“ der Leica M führt in gerader Linie zurück bis zur Ur-Leica , die als eine der einflussreichsten Kameraentwicklungen der Fotografie-Geschichte gelten darf.
Zwar war die Ur-Leica tatsächlich nicht, wie gerne behauptet, die erste Kleinbildkamera, doch keinem der etwa zeitgleich entwickelten Modelle gelang auch nur annähernd der kommerzielle Erfolg, den Leitz mit seiner ersten, auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1925 präsentierten Serienkamera einfahren konnte, die mit 21.000 verkauften Apparaten in den ersten vier Jahren unerwartet zu einem der erfolgreichsten Massenprodukte der damaligen Zeit wurde.
Die ersten Apparate der Vorserie hießen betriebsintern „Lilliput“ oder auch „Barnack-Kamera“ beziehungsweise „Leca“ (Leitz-Camera), trugen jedoch außer der Gravur für die Seriennummer und der Inschrift Ernst Leitz Wetzlar D.R.P. (Deutsches Reichs-Patent) vorerst keine Namensbezeichnung; der weltbekannte „Leica“-Schriftzug wurde erst 1932 mit der Leica II (D) eingeführt.
Vor dem Kleinbildfilm galt das Format 4,5×6 cm als kleines Aufnahmeformat, und diese Negative wurden in der Regel nur im Kontaktverfahren kopiert. Mit dem Kleinbildfilm wurde eine neue Technik notwendig, nämlich das Vergrößern der Bilder.
Eine der ersten Kameras für den 35 mm breiten Film wurde vom Dänen Jens Poul Andersen konstruiert, die 1913 als „Tourist Multiple“ in den Handel kam. Sie blieb jedoch bei weitem nicht die einzige, denn es sind mindestens 28 Vorgängertypen für Kleinbildfilm bekannt, bevor die Leica auf den Markt kam. Einige der Kameras verwendeten den Film ohne Perforation, andere belichteten das in der Kinematografie übliche Format von 18×24 mm. Gegenüber den kleinen Negativen bestanden große qualitative Bedenken, denen das 24×36 mm Format der Leica entgegenkam. Es wurde zum Standard, der bekanntlich bis heute als sogenanntes Vollformat fortbesteht, auch wenn das Seitenverhältnis von 4:3 eigentlich nicht optimal ist.
Leica DNA
Mit der Leica IIIf hatte die klassische Schraubleica ihren Zenit überschritten. Während die optische Leistung der Objektive im Vergleich zur Konkurrenz eine zeitgemäße Spitzenstellung einnahm, waren die Kameragehäuse nicht mehr auf dem Stand der Technik. Bereits in den dreißiger Jahren hatte Zeiss Ikon in der Contax II einen überlegenen Messsucher, der Sucher und Entfernungsmesser für die Betrachtung durch ein Okular zusammenfasste. Es hatte bei Leitz bereits Patente und Entwicklungen zu einer Leica IV mit Messsucher gegeben, doch kam die weitere Konstruktion durch den Kriegsausbruch ins Stocken. Auch das Schraubgewinde für den Objektivwechsel wurde vielfach als umständlich empfunden, zumal Zeiss Ikon auch hier bereits mit einer Bajonettlösung aufwarten konnte. Knapp drei Jahrzehnte nach dem ersten im Handel verfügbaren Leica Modell war daher die erste M überfällig, deren Nachfolger sich rein äußerlich bis heute nicht wesentlich verändert haben und daher als Klassiker in Sachen Kameradesign gelten, zahlreiche Nachahmer fanden und zur Ikone der Leica Marken-DNA reifen konnten, während zahlreiche andere Systeme aus Wetzlar kamen und gingen.
Neu an der ersten M war zunächst einmal ihr Objektiv-Bajonettanschluss, der das M39-Schraubgewinde der Vorgänger ablöste. Außerdem führte Leica mit dem M-System den namensgebenden Messsucher ein, bei dem das Entfernungsmesserbild in den Sucher eingespiegelt wird. Er zeigt das Motiv in einer festen Vergrößerung, die je nach Modell unterschiedlich ausfällt. Zum Scharfstellen auf das Motiv wird das Bild in einem hellen Messfleck in Deckung mit dem Motiv gebracht. Ein eingespiegelter Leuchtrahmen zeigt das Bildfeld des angesetzten Objektivs.
Die 50er Jahre
Die M3 von 1954 hatte eine 0,92-fache Suchervergrößerung und konnte Leuchtrahmen für Objektive mit 50, 90 und 135 mm Brennweite einspiegeln. Objektive mit kürzerer Brennweite erforderten entweder einen Suchervorsatz (die sogenannte „Brille“ bei 35-mm-Objektiven) oder einen separaten Aufstecksucher, der in den Zubehörschuh gesteckt wird. Der Verschlusszeiten-Einstellknopf steht fest, daher wurden für alle Leicas ohne eingebauten Belichtungsmesser aufsteckbare, manuelle Belichtungsmesser von Metrawatt geliefert, die über einen Stift am Belichtungsmesser und eine Nut am Zeiteinstellknopf mit dem Verschluss gekoppelt sind.
1958 erschien mit der M2 eine preisgünstigere Leica-M-Version mit geringerer Suchervergrößerung (0,7-fach) und Leuchtrahmen für 35, 50 und 90 mm. Für die Brennweite 135 mm wurde ab 1963 das Tele-Elmarit geliefert, das durch einen Suchervorsatz das Sucherbild mit dem Rahmen 90 mm vergrößerte. Die M2 hatte außerdem einen geänderten Aufzugmechanismus, der am Boden den Anschluss eines Leicavit mit Schnellschalthebel ermöglichte (wie zuvor schon serienmäßig bei der Leica MP).
Die 60er Jahre
Schon mit der M3 hatte Leica die Stückzahl von einer Million Kameras erreicht. Höchste Priorität erhielt zu der Zeit bei Leitz jedoch die SLR Leicaflex, weshalb die Entwicklung der späteren Leica M5 stockte. Als Zwischenlösung erschien die Leica M4 mit eingespiegelten Sucherrahmen von 35 bis 135 mm, die die Vorzüge der Leica M3 und M2 vereinte.
Anders als der Name vermuten lässt, war die M1 (1964 bis 1966) nicht das erste Modell der Serie, sondern eine vereinfachte Version der M2. Sie hatte keinen Entfernungsmesser und kein Vorlaufwerk. Der Sucher spiegelte nur die Rahmen für 35- und 50-mm-Objektive ein. Sie war als Einsteigerkamera „für die Dame“ vorgesehen und konnte in den Leitz-Werken zur M2 „aufgerüstet“ werden. Abgelöst wurde die Leica M1 von der Leica MD, bei der auf Sucher und Entfernungsmesser gänzlich verzichtet wurde. Insgesamt wurden 3500 Exemplare dieser Kamera für den Einsatz an Mikroskopen und Teleskopen gebaut. Nachfolger war die MDa (1966 bis 1976).
Die 70er Jahre
Die Leica M5 wurde bereits seit etwa 1960 von Leitz entwickelt, kam aber erst elf Jahre später auf den Markt, obwohl sie bereits etwa 1963 durchkonstruiert war. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch bereits TTL-Messung Standard. Um die mit der M5 bieten zu können, musste eine Messzelle an einem schwenkbaren Hebel vor der Filmebene integriert werden. Das war komplex, bot aber, anders als die späteren M-Leicas, einen CdS-Belichtungsmesser, der mit sinnfällig im Sucher erkennbarer Messnadel und Nachführzeiger Über- und Unterbelichtungen in ihrer Abweichung anzeigte. Zusätzlich wurde die eingestellte Belichtungszeit angezeigt. Die M5 hatte außerdem als erste Leica M den Mittenkontakt (Blitzlichtkontakt X) in der Sucherklemme.
Insgesamt wurden von dieser vergleichsweise innovativen M dennoch nur etwa 35.000 Kameras gefertigt, erstmals mit 11.000 hell verchromten weniger als von 24.000 M5, die in schwarz verkauft werden konnten.
Dass ihr kein großer Erfolg beschieden war, lag einerseits am SLR-Boom jener Jahre, andererseits an ihren vom M-Design abweichenden Ausmaßen des Gehäuses, die sie in Fotografen- und Sammlerkreisen nicht sehr beliebt machten. Nach nur vier Jahren Bauzeit verschwand die M5 daher schon wieder aus dem Sortiment.
Zeitgleich bot Leica mit der CL (1973 bis 1976) ein weiteres Modell mit M-Bajonett an, das deutlich kleiner und preiswerter als die M5 war und ihr in stärkerem Maße als erwartet Käufer entzog. CL stand für „Compact-Leica“, und obwohl von ihr 65.000 Stück verkauft wurden (mehr als doppelt so viele, wie von anderen M-Modellen im gleichen Zeitraum), ging die Marketingstrategie nicht auf. Gebaut wurde die „kompakte M“ im Auftrag von Leica bei Minolta in Japan, was zulasten der Marge ging, so dass auch dieses Modell nach nur drei Jahren eingestellt wurde. Eine von Minolta weiterentwickelte Kamera wurde unter der Bezeichnung Minolta CLE, ebenfalls mit M-Bajonett, jedoch einige Jahre weiter angeboten. Die recht dünne Außenhülle der CLE war übrigens aus Blech, worunter die Justierung des Bajonetts zur Filmebene litt, da diese einen soliden Kamerakern erfordert.
Der Misserfolg der M5 und die Erfahrungen mit der CL führte gar für drei Jahre dazu, dass die Leica-M-Fertigung 1975 gänzlich eingestellt wurde. Nur die weiterhin bestehende Nachfrage nach M-Modellen führte 1978 dazu, dass Leica mit der M4-2 (1977 bis 1980) doch wieder eine M anbot, allerdings in vereinfachter, kostengünstig im Leitz-Werk in Kanada produzierten Ausführung. Qualitativ lag sie erkennbar hinter der Leica M4 und M5, unübersehbar waren außerdem optische Beeinträchtigungen, die für die folgenden Jahre das Leica-Sucherbild trübten.
Beinahe hätte der Erfolg der Spiegelreflextechnik und strategische Experimente zum Ende des M-Systems geführt. Eine Erfahrung, die möglicherweise so tief sitzt, dass Leica in der Folge weder von der Grundform der ersten M-Modelle wieder abgewichen ist, noch eine preiswertere Modellvariante angeboten hat, wie sie aktuell etwa unter Verzicht auf dem Messsucher denkbar wäre. Denn nichts soll den Erfolg der Modellreihe gefährden, die längst wieder der wichtigste Umsatzträger der Marke geworden ist. Andere Leica-Systeme kamen und gingen, das M-System blieb und feiert heute wieder Umsatzrekorde.
Die 80er Jahre
Aufbauend auf dem relativen Erfolg der Leica M4-2, wurde 1981 die Nachfolgerin M4-P präsentiert. Sie unterscheidet sich hauptsächlich durch zwei zusätzliche Leuchtrahmen für 28-mm- und 75-mm-Objektive.
Die – wenn auch mit Unterbrechung etlicher Jahre – bis heute am längsten gebaute M ist die 1984 erschienene M6, die neun Jahre nach dem Aus der M5 wieder eine Belichtungsmessung durch das Objektiv bot. Simpler als bei der M5, werden bei ihr über Leuchtdioden Über- oder Unterbelichtung signalisiert. Genaue Produktionszahlen sind nicht bekannt, nach Herstellerangaben wurden inklusive der seit 2022 wieder neu aufgelegten Kamera fast 175.000 Stück gebaut. In den 90er Jahren wurde jedoch kein neues M-Modell vorgestellt, von Sondereditionen einmal abgesehen. Die wirtschaftlichen Bedingungen des nach Solms verlegten Unternehmens zwangen zur Fokussierung der Entwickler auf das R-System, und die Digitalisierung der Fotografie war eine zu diesem Zeitpunkt kaum zu meisternde Aufgabe. Heraus kam 1996 unter dem Namen S1 eine Scannerkamera, die in erster Linie für den Reprobereich konzipiert war, und dafür unter anderem auch M-Objektive nutzte. Ein kommerzieller Erfolg blieb ihr als strategisches Produkt, das vor allem Bösenanalysten beeindrucken sollte, jedoch verwehrt.
Die Nuller-Jahre
Bis zur ersten digitalen M (siehe Teil II. dieses Beitrags) sollten weitere zehn Jahre vergehen, in denen der Digitalkameraboom das Interesse an analogen Modellen beinahe zum Erliegen gebracht hat. Vorerst erschien 2002 mit der M7 erstmals eine M-Leica mit Zeitautomatik. Nur wenig später machte Leica mit der MP ein Zugeständnis an Traditionalisten, die weniger Wert auf Modernität durch elektronische Bauteile legten, dafür aber mehr auf Fertigungsqualität und Mechanik. Die MP entspricht äußerlich und im Innern etwa einer M2, bietet aber Belichtungsmessung.
Sondermodelle
Neben den genannten Serienmodellen gab und gibt es häufig Sondermodelle, darunter eine große Anzahl von Sammlermodellen mit speziellen Gravuren, Prägungen oder Oberflächengestaltungen (vergoldet, mit Titangehäusen, Jubiläumsmodelle etc.).
Historische M-Modelle erzielen unter Sammlern beachtliche Preise, allen voran die Schwarzlackmodelle.
So wurde 1956 ein Sondermodell der Leica M angeboten, die Leica MP. Sie vereinigte im Wesentlichen den Sucher und das Gehäusedesign der M3 mit der Verschlussteuerung der erst 1958 auf den Markt gebrachten M2. Sie hat zwei unabhängig voneinander wirkende Vorrichtungen zum Weiterschalten des Filmes: einen normalen Schnellschalthebel auf der Oberseite der Kamera und einen Bodenzughebel, den Leicavit MP. Diese Kamera, heute auch Ur-MP genannt, wurde ausschließlich an Berufsfotografen ausgeliefert. Nach nur kurzer Bauzeit und etwa 450 Exemplaren wurde die Produktion eingestellt. Eine Hauptursache hierfür war sicherlich das Erscheinen der M2, an die der nun einzeln lieferbare Schnellaufzug Leicavit MP angesetzt werden konnte. Heute ist die Ur-MP ein sehr gesuchtes Sammlerstück.
Noch seltener ist die Profiversion der M2 mit elektrischem Motorantrieb, die sogenannte MP2, von der in zwei Serien nur insgesamt 27 Exemplare gefertigt wurden. Der elektrische Leitz-Wetzlar-Motor zur MP2 wurde an der Unterseite der Kamera anstelle des Bodendeckels angesetzt und transportiert 3,5 Bilder pro Sekunde. Die lediglich zur Erprobung gedachten Musterkameras erlangten nie kommerzielle Bedeutung. Der MP2-Motor war dem in etwa parallel entwickelten und später in Serie gefertigten Leitz-New York-Motor (zur M2-M) konstruktiv überlegen. Die MP2 zählt zu den seltensten und auf dem Sammlermarkt von heute wertvollsten Leicas der M-Serie. Nur etwa 15 Kameras sind weltweit bekannt, wovon nur etwa die Hälfte komplett mit dem originalen MP2-Motor erhalten ist.
Sehr rar ist auch die Leica M6A, die als Prototyp der späteren M7 direkt zuzuordnen ist. Sie basiert auf der M6 TTL und wurde ausschließlich an ausgewählte Fotografen zu Testzwecken ausgeliefert und war lediglich anhand der Gravur auf einem der Blitzschlitten sowie des Zeitenrades mit der Einstellung „A“ für Zeitautomatik als solche zu identifizieren. Auch dieses Modell gelangte offiziell nie in den Handel und wurde mit einer eigenen Seriennummernfolge versehen.
Bei der Leica MP6 von 2002 handelt es sich um das Vorserienmodell zur späteren MP, sie wurde jedoch offiziell in Japan als „Sonderserie“ verkauft. Sie nimmt die Schwarzlackierung der späteren MP genauso vorweg wie die Bedienelemente und die Gravur auf der Deckkappe direkt oberhalb des Blitzschuhes.
Heute
Aktuell bietet Leica drei analoge M-Modelle an: Die neu aufgelegte Leica M6, das puristische Schwestermodell Leica MP, das ohne Leica Logo auf der Vorderseite, dafür aber mit Leica Fadenzug auf der Deckkappe kommt, und die Leica M-A (TYP 127), die auf eine integrierte Belichtungsmessung verzichtet und daher gänzlich ohne Batterien auskommt. Im zweiten Teil unser Leica M-Modellgeschichte folgt die Chronik der digitalen M-Modelle von 2006 bis heute.
OstLicht Camera Auction
Raritäten in Wien
Die Galerie OstLicht startet am 5. Juni 2024 in Wien eine Auktion, bei der zahlreiche Kamera-Raritäten zur Versteigerung kommen, darunter klassische Leica M-Modelle.
Nach 34 erfolgreichen WestLicht-Auktionen in den Jahren 2001 bis 2018 bietet OstLicht im Juni unter anderem den ersten Teil einer der weltweit interessantesten Leica-Sammlungen an. „33 Jahre Erfahrung mit klassischen Kameras haben es uns ermöglicht, dieses einzigartige Konvolut nach Wien zu bringen“, so Peter Coeln.
Eine kleine Sensation ist die dritte M-Kamera, die Leica M3 Nr. 700003 von 1953 aus dem Besitz des Leica M-Konstrukteurs Willi Stein (Schätzpreis 150.000–170.000 Euro). Ein weiteres Highlight ist die seltene, schwarz lackierte Leica MP-141 des bekannten deutschen Fotografen Eric Schaal (Schätzpreis 300.000–340.000 Euro). Eine der gesuchtesten Kameras ist die Leica MP2 mit Elektromotor, von der heute nur noch etwa acht Exemplare existieren dürften (Schätzpreis 260.000–300.000 Euro).
Foto oben:
Der deutsche Leica Fotograf Wolfgang Volz hat die Christo + Jeanne Claude Projekte offiziell begleitet. Anlässlich seines Geburtstags am 17. Januar 1994 wurde seine Leica M4 selbst zum Wrapping-Objekt – als ein Geschenk von Christo an „seinen“ hoch geschätzten Fotografen. Unter der von Christo signierten Einwickelfolie mit der originalen Kordelverschnürung steckt die Leica M4, mit der zuvor etliche Dokumentationen von Christo Projekten entstanden. Dieses bisher nie gezeigte Unikat wird am 12. Oktober 2024 von Wetzlar Camera Auctions versteigert.
https://leica-camera.com/de-DE