„Du siehst betörend glamourös aus“, schrieb Helmut Newton der damals 98-jährigen Leni Riefenstahl im Jahr 2000 mit schwungvoller Schrift auf eine Postkarte. Die beiden schrieben und fotografierten sich noch im hohen Alter. Die Postkarte gehört zum Nachlass der Filmemacherin, der seit 2018 im Berliner Museum für Fotografie aufgearbeitet wird. Dort, wo Newtons Stiftung beheimatet ist.
Die Regisseurin, die während des Nationalsozialismus Propagandawerke drehte, prägte auch den Fotografen Helmut Newton in der Art zu beleuchten, durch die Wirkung von Schatten, die Posen.
Das Museum für Fotografie ist eine Einrichtung der Staatlichen Museen Berlin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als eine Abteilung der Kunstbibliothek. Es befindet sich bekanntlich im ehemaligen Landwehr-Kasino in der Jebensstraße 2 gegenüber dem Bahnhof Zoologischer Garten, von wo aus Helmut Neustädter, so der Geburtsname Newtons, 1938 seine Flucht vor den Nazis aus seiner Heimatstadt antrat.
Sein Wunsch war es, in seiner Geburtsstadt Berlin beigesetzt zu werden. Am 2. Juni 2004 wurde seine Urne in einem Ehrengrab auf dem Friedhof Schöneberg III (Nr. 34/367) in Berlin-Friedenau beigesetzt. Einen Tag später, am 3. Juni 2004 eröffnete June Newton mit der Ausstellung der als Schenkung an die Staatlichen Museen Berlin übertragenen Bildsammlung ihres Mannes das Museum für Fotografie, in dem seit dem die Helmut-Newton-Stiftung ihren Sitz hat.
Auch Leni Riefenstahls 700 Kartons umfassender Nachlass wurde 2018 an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben. Durch einen Kooperationsvertrag wurde die Stiftung Deutsche Kinemathek einbezogen und die Bestände den wissenschaftlichen Kompetenzen entsprechend verteilt. Alle beteiligten Institutionen wollen im Austausch miteinander ihren jeweiligen Teil des Riefenstahl-Nachlasses digitalisieren, erschließen und in ihren Datenbanken sowie einem gemeinsamen Web-Portal zugänglich machen. Diese Arbeiten sind unterschiedlich weit fortgeschritten. Ein umfassender Zugang für Forschende und die interessierte Öffentlichkeit wird vermutlich erst in etwa zwei bis drei Jahren möglich sein.
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung, anlässlich der Übereignung: Neben einem „bahnbrechenden ästhetischen Werk“ (übernimmt die Stiftung) „auch eine besondere Verantwortung für die kritische Auseinandersetzung“ (besonders im Kontext des Nationalsozialismus).
Das Helene Bertha Amalie „Leni“ Riefenstahl (* 22. August 1902 in Berlin; † 8. September 2003 in Pöcking) für ihre Werke im Dienst der Propaganda während der Zeit des Nationalsozialismus sicher zu Recht kritisiert wurde, hielt den von den Nazis vertriebenen Juden Helmut Newton jedenfalls nicht davon ab, die auch als „innovative Filmemacherin und kreative Ästhetin“ anerkannte Filmregisseurin, -produzentin und -schauspielerin sowie Drehbuchautorin, Schnittmeisterin, Tänzerin und – ab den 1960er Jahren – Fotografin zu bewundern. Helmut Newton in einem Interview, das 2000 in der WELT erschien: „Ich bewundere Leni Riefenstahl als Künstlerin, sie ist die revolutionärste Fotografin und Filmemacherin unserer Zeit. Auch wenn ihre Nazi-Sujets beschissen waren. Die Kritik kenne ich, meine Frau fragt dann immer, „wie kannst Du dich nur auf die andere Seite schlagen?“ Ich kann das trennen, da ist mir wohl nicht zu helfen!“
Nach den Wünschen des Gründers und Namensgebers soll die Helmut Newton Stiftung kein „totes Museum“ darstellen, sondern vielmehr als „lebendige Institution“ wirken. Man darf also gespannt sein, ob es in einigen Jahren dort eine Ausstellung der Werke Leni Riefenstahls und Helmut Newtons geben wird.
Von Thomas Gerwers