Dr. Joachim Michael Feigl vom Institut für Fotopsychologie schickt sich an, mit seiner privaten Forschungsinitiative ein Psychogramm der Fotoszene auf wissenschaftlicher Basis zu ergründen.
Psychologie ist die Lehre vom Erleben und Verhalten des Menschen, Fotopsychologie die Anwendung dieser Erkenntnisse für die fotografische Praxis. Gleichzeitig geht es darum, Phänomene der Fotografie wissenschaftlich auf Grundlage der Psychologie zu verstehen, zu erklären und zu beschreiben. Das Institut für Fotopsychologie ist eine private Forschungsinitiative und wurde im Dezember 2022 gegründet. Treibende Kraft ist der deutsche Fotograf und Psychologe Dr. Joachim Michael Feigl. Seine langfristigen und oft internationalen Fotoprojekte fotografiert er analog und bietet zu Fragen wie die der persönlichen Bedeutung der Fotografie, zu fotografischem Wissen, unterschiedlichen Fotografie-Bereichen und zu Fotografie als Kunstform seinen Podcast Intermezzo an. Zu seinen bisherigen Gesprächspartnern gehörten unter anderem Andy Scholz, Jessica Backhaus, Michael Martin, Wolfgang Zurborn, Boris Eldagsen und Julia Baier.
Mit themen- und forschungsbezogener Unterstützung aus der akademischen Psychologie wurden unabhängig davon aktuell die ersten beiden Forschungsberichte als Bestandsaufnahme der Fotopsychologie und des engagierten Fotografierens und zu künstlicher Intelligenz sowie Fotografie fertiggestellt. Dabei differenziert Feigl Profi- und Berufsfotografen von Amateur- und Hobbyfotografen sowie solchen, die im Alltag fotografieren, es aber nicht als Hobby betrachten.
Profi-Psychologie
Über die Hälfte der im Rahmen dieser Studie befragten Profis sind älter als 50 Jahre. Hinsichtlich des Alters zeigen sich aber deutlich Geschlechtsunterschiede. Während bei den Männern die Altersgruppe von 50-59 in der Stichprobe am stärksten vertreten ist, ist es bei den Frauen die Altersgruppe von 30-39 Jahre, was auch eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte widerspiegelt. „Auch wenn es immer schon Frauen gab, die professionell fotografiert haben, war die Berufs-Fotografie in den Anfängen und bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts eher von Männern dominiert“, so Joachim Feigl. „Inzwischen hat sich dies deutlich gewandelt und der Anteil von Frauen in Fotografie-Studiengängen aber auch in der Fotografie-Ausbildung ist genau so groß oder sogar größer. Gleichzeitig ist der Anteil der Frauen, der sich heute als Profi versteht, deutlich höher.“
Zwei Drittel der Profis in der untersuchten Stichprobe haben Fotografie studiert oder eine entsprechende Ausbildung gemacht, ca. ein Drittel sind Quereinsteiger. Dies deckt sich mit der jährlich von berufs-fotografen.com erstellten Umfrage unter Profis, in der 59% der Teilnehmer angegeben haben, entweder eine Ausbildung zu haben oder ein Studium.
Bedeutung Fotografie
Erwartungsgemäß wird von den Profis sowohl die allgemeine als auch die persönliche Bedeutung der Fotografie sehr hoch eingeschätzt und überwiegend klar als Kunstform betrachtet.
Die subjektive Einschätzung des eigenen Wissens über Fotografie ist im Durchschnitt moderat hoch. Je älter die Profis sind, desto höher schätzen sie ihr Wissen ein.
Die befragten Profis interessieren sich vor allem für Menschen- und Portraitfotografie, künstlerische Fotografie sowie Reportagen und fotografieren erwartungsgemäß sehr häufig. Gearbeitet wird in erster Linie mit digitalen Kameras inklusive Smartphones.
Mit einer analogen Kamera arbeitet fast die Hälfte nie und die übrigen im Schnitt nur gelegentlich.
Die Teilnahme an Wettbewerben erfolgt, wenn überhaupt, überwiegend selten, während die Beteiligung an Ausstellungen deutlich häufiger ist. Dass Frauen seltener Fotos ausstellen als Männer, könnte laut Feigl daran liegen, dass sie eine kritischere Haltung gegenüber der Ausstellungswürdigkeit ihrer Fotos einnehmen. Ein Grund dafür, dass die Teilnahme an Fotowettbewerben insgesamt sehr gering ist, könnte demnach damit erklärt werden, dass diese heute deutlich internationaler sind. „Durch die höhere Zahl an Einreichungen könnten die wahrgenommenen Chancen geringer eingeschätzt werden und man erspart sich deshalb eher die zum Teil zeit- und kostenintensive Teilnahme“, vermutet Feigl.
Auch in Bezug auf die Herangehensweise an das Fotografieren gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede. Frauen sind eher ausgewogen zwischen spontanem, intuitivem und kontrolliertem, geplantem Fotografieren. Bei Männern hingegen zeigt sich im Durchschnitt dagegen eine leichte Neigung hin zu mehr Planung und Kontrolle.
Profis ist es besonders wichtig, dass ihre Fotos ästhetisch ansprechend sind und künstlerische Qualität aufweisen, andere Menschen inspirieren und die eigenen Emotionen zum Ausdruck bringen sollen. Die technische Perfektion ist laut Studie am wenigsten wichtig. „Möglicherweise kommt hier die Erfahrung zum Tragen, dass ein technisch perfektes Foto eben nicht zwangsläufig auch ein „gutes“, „erfolgreiches“, „gut verkaufbares“ Foto ist“, so der Foto-Psychologe.
Bei der persönlichen Bedeutung, die das Fotografieren für die Profis einnimmt, stehen vor allem die Möglichkeit, sich auszudrücken, kreative Selbstverwirklichung und Freude sowie Erfüllung während des Fotografierens im Vordergrund. Aber auch neue Orte, Menschen und Kulturen kennen zu lernen und die Möglichkeit sich persönlich weiterzuentwickeln, sind wichtige Aspekte. Dabei ist das Resultat, das entstehende Foto, aber immer zentral. Nur zu fotografieren um des Fotografierens willen wird eher abgelehnt.
Fotografische Praxis
Profis erleben nur bedingt Konkurrenz untereinander, gleichzeitig aber auch tendenziell nur bedingt gegenseitige Unterstützung. Joachim Feigl: „Letztere wird von Frauen eher erlebt als von Männern. Möglicherweise haben Studium und Ausbildung früher eher zu konkurrenzbehaftetem Verhalten und „Einzelkämpfertum“ geführt als heute, wo ggf. eher kooperative und auf Austausch und gegenseitige Unterstützung basierende pädagogische Ansätze im Vordergrund stehen.“
Damit im Zusammenhang steht, dass es den Profis eher wichtig ist, sich regelmäßig mit anderen Fotografen und Fotografinnen auszutauschen. Auch hier ist dies Frauen wieder wichtiger als Männern. Gleichzeitig ist es umso wichtiger, je jünger man ist. „Beides könnte für eine heute veränderte Herangehensweise im Studium sprechen“, vermutet Joachim Feigl. „Möglicherweise spielen aber auch soziale Medien eine Rolle, die von jüngeren Profis eher und ggf. auch dafür genutzt werden, um sich pragmatisch und regelmäßig auszutauschen.“ Und schließlich ist es Profis mit Studium/Ausbildung wichtiger, sich auszutauschen, als Profis ohne Studium/Ausbildung. Auch dies könnte laut Feigl damit zusammenhängen, dass man es als Profi in der Ausbildung bzw. im Studium gelernt und geübt hat, sich mit anderen über die eigene und die fotografische Arbeit anderer auszutauschen. Möglich ist auch, dass gerade auch dadurch nach dem Studium bzw. der Ausbildung ein bewährtes Netzwerk bestehen bleibt, in dem man sich gut austauschen kann.
Die Wichtigkeit, über soziale Medien Anregungen für die eigene Fotografie zu bekommen, ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Für Männer ist es tendenziell eher unwichtig, für Frauen tendenziell eher wichtig. Noch deutlicher kommt hier ein Altersfaktor zum Tragen. Für die unter 40-Jährigen sind diese Anregungen wichtiger als für die über 60-Jährigen.
Dass andere die eigene Arbeit kopieren könnten, sorgt Profis eher nicht. Dafür vergleichen viele Profis ihre Arbeit mit der von anderen. Fast die Hälfte macht dies häufig oder sehr häufig. Besonders häufig vergleichen sich die Profis unter 40 Jahren mit anderen. Dies könnte auch wieder mit der Bedeutung von Anregungen zusammenhängen und mit dem Finden eines eigenen Stils, gerade auch in Abgrenzung zu anderen. Einen solchen eigenen fotografischen Stil zu entwickeln, ist für die Profis auf jeden Fall sehr wichtig. Fast alle Profis stimmen dem eher oder vollständig zu.
„Die Wichtigkeit, über soziale Medien Anerkennung und Anregungen für die eigenen Fotos zu erhalten, könnte damit in Verbindung stehen, dass in den sozialen Medien beide Aspekte gleichermaßen bedeutend sind“, vermutet Joachim Feigl. „Man zeigt seine Fotos, erwartet dafür Feedback und Anerkennung. Gleichzeitig gibt man anderen Feedback und bekommt durch die Beschäftigung mit den Fotos von anderen Anregungen.“ Zwei Drittel der befragten Profis sind übrigens Mitglied in einem Fotografie-Verband und empfinden diese Mitgliedschaft als eher hilfreich und Vorteile bringend.
Von Bedeutung ist es Profis, durch die Fotografie künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten zu haben. Um die eigenen fotografischen Fähigkeiten machen sich die meisten Profis eher keine Sorgen. Wichtig ist ihnen, auch eigene, freie Projekte zu fotografieren.
Interessante Unterschiede zeigen sich hinsichtlich der erlebten Geschlechtergerechtigkeit in der Fotografie. Männer sehen eher keine, Frauen nehmen dagegen Geschlechterungerechtigkeit wahr. Joachim Feigl: „Allerdings zeigen sich hinsichtlich der Zufriedenheit mit dem Einkommen und mit dem erhaltenen Lob keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Möglich ist, dass Frauen Unzufriedenheit mit dem Einkommen eher Geschlechterungerechtigkeit zuordnen, während Männer möglicherweise dafür andere Attribuierungen vornehmen.“
Berufliche Identität
Profis ist es sehr wichtig, als Fotograf wahrgenommen zu werden. Dementsprechend verwundert es nicht, dass die meisten Profis nicht der Meinung sind, dass es heute keinen Unterschied mehr macht, ob jemand Profi oder Amateur ist. „Man identifiziert sich sehr mit dem Beruf, ist zufrieden und erlebt Sinn, in dem was man tut“, so Joachim Feigl. Davon unabhängig ist etwa ein Drittel mit dem Einkommen eher oder sehr unzufrieden.
Tendenziell machen sich Profis auch eher Sorgen um die Zukunft. „Dies könnte damit zusammenhängen, dass viele Profis selbstständig und hinsichtlich Altersversorgung oft nur bedingt ausreichend abgesichert sind“, so Feigl.
Fotografie-Ausstellungen
Nur sehr wenige Profis besuchen nie Foto-Ausstellungen, 40% dagegen sehr häufig oder häufig. Fotografie-Ausstellungen sollten so gestaltet werden, dass sie ein breites Publikum ansprechen, dies wird sehr heterogen gesehen. Knapp 45% sehen dies überhaupt nicht so, dagegen stimmt etwa ein Drittel zu. Offen bleibt, welche Art von Fotografie-Ausstellungen bei den Einschätzungen im Vordergrund standen. Je weniger Wissen über Fotografie vorhanden ist, desto eher schätzt man aber Foto-Ausstellungen als zu abgehoben und unverständlich ein. Joachim Feigl: „Möglicherweise kommt hier zum Tragen, dass die in Ausbildung und Studium erworbenen Kenntnisse zu einem leichteren Verständnis von zum Beispiel Begleittexten bei Ausstellungen beitragen und genau diese sind ja bei den Profis ohne explizite Ausbildung/Studium weniger ausgeprägt.“
Wenn Fotografie-Ausstellungen stattfinden, sind begleitende Informationen und Texte tendenziell eher wichtig. Die gilt vor allem für Profis unter 40 Jahren. Ein Grund könnte darin liegen, dass jüngere Profis ihr Wissen über Fotografie niedriger einschätzen und dies über Begleittexte kompensieren. Sehr unterschiedlich ist die Vorbereitung auf eine Ausstellung. Knapp 40% suchen im Vorfeld gezielt nach Informationen, knapp 34% tun dies nicht.
Technische Aspekte von Fotografien im Rahmen einer Ausstellung zu verstehen, ist für Profis überwiegend weniger wichtig. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Profis durch ihr Fachwissen per se bereits Fotografien technisch verstehen und sich deshalb unmittelbar mit dem Bildinhalt beschäftigen.
Soziale Medien
Soziale Medien werden von der großen Mehrheit der Profis genutzt, die Häufigkeit ist allerdings sehr unterschiedlich. Drei Viertel nutzen die sozialen Medien aber mindestens gelegentlich. Dabei werden in der Regel bis zu zwei Bilder pro Woche geteilt.
Interessant sind die Gründe für das Teilen von Fotos in den sozialen Medien. Hier stehen vor allem funktionale Aspekte, wie Eigenwerbung und Förderung der Karriere, im Vordergrund. Aber auch die Erweiterung des sozialen Netzwerks ist ein wichtiger Faktor. Insbesondere Frauen und jüngere Profis nutzen die sozialen Medien aufgrund dieser Faktoren. Dazu passt, dass es gerade auch Frauen wichtiger ist, sich mit anderen auszutauschen.
Mitmachen
An der Studie beteiligt waren 158 Berufs- bzw. Profifotografen. Joachim Feigl plant, in weiteren Studien bis dato nicht eindeutig belegte Zusammenhänge genauer zu untersuchen. Wer an zukünftigen Befragungen teilnehmen möchte, kann sich auf der Webseite dafür registrieren:
KI- Kennzeichnung
Der Forschungsbericht zu Künstlicher Intelligenz und Fotografie beschäftigt sich damit, wie echte Fotografien von manipulierten Fotos sowie generierten fotorealistischen KI-Bildern abgegrenzt werden können und wie diese bewertet werden.
Für die Analyse wurden sowohl Profi- als auch Amateurfotografen befragt. Die Ergebnisse zeigen einen breiten Wunsch nach klarer sprachlicher Abgrenzung zwischen echten Fotografien und fotorealistischen Bildern, die mit Hilfe von KI-Bildgeneratoren erzeugt wurden. Dabei wird für die Benennung solcher Bilder der Terminus „KI-Bild“ klar präferiert.
Besonders problematisch werden generierte, fotorealistische KI-Bilder im Bereich der Dokumentations- /Reportagefotografie sowie im Bereich der Journalismus-/Pressefotografie gesehen. Dementsprechend hoch ist hier auch der Wunsch nach einer Verpflichtung, solche Bilder entsprechend zu kennzeichnen. Eine derartige Kennzeichnungspflicht wird selbst bei unproblematisch empfundenen Fotografie-Bereichen von vielen gewünscht, was die hohe Sensibilität für dieses Thema und den Wunsch nach Transparenz und Authentizität in der Fotografie hervorhebt.
„Im Bereich der künstlerischen Fotografie spricht sich zwar eine Mehrheit gegen eine Kennzeichnungspflicht aus, es wird aber deutlich, dass ebenfalls eine Mehrheit wissen möchte, ob es sich bei einem künstlerischen fotorealistischen Bild um eine echte Fotografie handelt oder nicht“, so Joachim Feigl.
Der klare Wunsch nach Regeln verweist auf eine hohe Unsicherheit hinsichtlich der Bearbeitung von Fotos im Zusammenhang mit Authentizität und Echtheit von Fotos. Eine Mehrheit wünscht sich dazu Orientierung in Form eines Positiv- und/oder Negativkatalogs.