Wenn man sich dieser Tage viele Diskussionsbeiträge in der deutschen Fotografieszene ansieht, in denen es zum Beispiel um Fragen der Verantwortung des Fotografen gegenüber Abgebildeten und die Frage geht, ob der Fotograf deswegen eine Nutzung seiner Bilder bei Facebook oder Instagram zulassen soll, dann könnte man den Eindruck gewinnen, dass es das Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten (Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz – UrhDaG) nicht gibt oder kaum jemand davon etwas mitbekommen hat.
Das UrhDaG ist die deutsche Umsetzung der Europäischen Richtlinie “Directive on Copyright in the Digital Single Market” (DSM-RL). Erklärtes Ziel der Richtlinie ist es eigentlich, die Rechte von Urhebern zu stärken und für eine Honorierung von Werknutzungen auf Social Media Plattformen zu sorgen, wo das Problem bislang darin bestand, dass die Plattformen nicht für die Handlungen ihrer Nutzer haftbar waren, die Nutzer aber in vielen Fällen schlicht unermittel- oder unerreichbar waren.
Dieses Ziel soll über eine Vereinbarung über die „kollektiven Lizenzen mit erweiterter Wirkung“ – Enhanced Collective Licences (ECL) – erreicht werden, welche die Plattformen (Diensteanbieter) nach dem deutschen UrhDaG zwingend mit den Verwertungsgesellschaften (VG) abschließen müssen.
Im ersten Moment klingt das gut. Schaut man sich die deutsche Umsetzung im UrhDaG aber an, werden viele Fragen aufgeworfen, auf die hier im einzelnen einzugehen den Rahmen sprengen würde. Auf fotografie-hat-urheber.de kann man sich einen Überblick verschaffen.
Bedauerlicher Weise hört man von den etablierten Verbänden zu all den offenen Fragen wenig. Von manchen hört man vor allem Versprechungen über einen mutmaßlich beachtlichen Geldsegen („Geld wird fließen“), der uns Fotografen in Aussicht gestellt wird und der das, was die VG BildKunst derzeit an das einzelne Mitglied ausschüttet, deutlich übertreffen soll. Und das noch bevor auch nur eine ECL abgeschlossen wäre.
Es ist als würde man das Fell eines Bären verteilen, den noch niemand gesehen hat und bei dem nicht mal sicher ist, ob er Haare hat.
Wer meint, die Größe des Bärenfells einfach aus den Umsätzen oder Gewinnen der Konzerne ableiten zu können, der verkennt, wie diese Konzerne zu ihrem Reichtum kommen.
Wer meint diese Summe dann mehr oder weniger durch die Zahl der aktuellen Mitglieder seiner VG teilen zu können, der verkennt, dass jeder Urheber anspruchsberechtigt ist, auch ohne Mitglied einer VG zu sein. Das gilt sowohl für die Urheber aus den anderen Bereichen wie Musik, Film und Text, als auch für Millionen und Abermillionen Smartphonebesitzer weltweit.
Ebenso unklar ist die Frage, wie man es anstellen kann, die Gelder gerecht, also an der wirklichen Nutzung gemessen, zu verteilen, denn wir reden hier ja von Nutzungen, bei denen die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen bislang immer daran scheiterte, dass Nutzung schwer festzustellen und nachzuvollziehen waren. Für eine gerechte Verteilung müsste man also eine technische Lösung finden, die Nutzungen erfasst und zuordnet. Und auch, wie eine Opt-Out-Datenbank funktionieren soll, ist bislang unklar; jedoch ist eine solche unverzichtbar. Denn wer seinen kompletten Bildbestand jetzt lizensiert (statt Opfer einer Urheberrechtsverletzung zu werden), der verletzt damit unter Umständen Verträge mit Dritten. Dies zum Beispiel dann, wenn einem Kunden ein ausschließliches Nutzungsrecht (siehe UrhG §31 (3)) eingeräumt wurde.
Für eine Verwertungsgesellschaft, die immer zuerst ihre eigenen Verwaltungskosten aus den Einnahmen decken darf und den Rest dann an die Berechtigten ausschüttet, ist es tendenziell egal, wie hoch der Ausschüttungsbetrag an den einzelnen oder für die einzelne Werknutzung ist.
Denn auch wenn eine VG per se „keine eigenen wirtschaftlichen Interessen“ verfolgt, so ist es doch in ihrem vitalen Interesse, sicherzustellen, dass die eigenen Kosten und damit die Existenz der VG gesichert sind. Die Veränderungen im Nutzungsverhalten von Medien haben ebenfalls Einfluss auf die Erträge aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen; Print wird weniger und die Erträge aus Abgaben auf Fotokopierer und CD-Brenner dürften ihren Zenith auch überschritten haben. In der Folge sind die Interessen einer VG nicht mehr zwingend deckungsgleich mit denen der Urheber.
In gewisser Weise besteht sogar die Gefahr, dass die Verwertungsgesellschaft(en), die dann die ECL abschließen (wer das sein wird steht ja noch nicht fest) zu Mikrostock-Agenturen mutieren, die ein gigantisches „Weltrepertoire“ an unzähligen Bildern von unzähligen Urhebern für eine hohe Gesamtsumme bei minimalen Beträgen für das einzelne Werk beziehungsweise die einzelne Nutzung lizenzieren. In der Konsequenz könnten so die VG(en), die Plattformen und deren Nutzer die alleinigen Gewinner in diesem Spiel sein. Gemessen an den offenen Fragen und Problemen ist es in jedem Fall zu still um das UrhDaG.