Seit 20 Jahren lockt die Leitz Photographica Auction Enthusiasten und Sammler weltweit an: Die vom Wiener Tochterunternehmen Leica Camera Classics organisierte, weltweit renommierteste Auktion für Vintage-Kameras und -Zubehör erzielte aktuell den Rekordpreis von 14,4 Millionen Euro für die fast einhundert Jahre alte „Barnack-Kamera“. ProfiFoto im Gespräch mit Alexander Sedlak, Geschäftsführer von Leica Camera Classics.
ProfiFoto: Alexander Sedlak, nach dem Zuschlag in der Rekordhöhe von 14,4 Millionen Euro für die sogenannte Barnack Kamera: Waren Sie überrascht über den Hammerpreis? Der Schätzpreis lag bedeutend niedriger.
Alexander Sedlak: Bei so einzigartigen Exponaten ist es immer schwierig, einen Schätzpreis zu bestimmen.
Unser Auktionshaus hat bereits dreimal zuvor eine Leica 0-Serie versteigert. Jede dieser Kameras erzielte einen höheren Preis als die vorherige. Zuletzt erreichte eine 0-Serie im Jahr 2018 einen Verkaufspreis von 2,4 Millionen Euro inklusive Premium. Diesen Preis haben wir als Referenz für unsere Schätzung herangezogen. Dass der Verkaufspreis nun um ein Vielfaches höher ist, freut uns umso mehr und unterstreicht die historische Bedeutung der Leica Kleinbildkamera als Meilenstein der modernen Fotografie.
ProfiFoto: Wie viele Bieter hatten sich beteiligt?
Alexander Sedlak: Aufgrund des hohen Startpreises von einer Million Euro gab es nur eine Handvoll Bieter. Gegen Ende hat sich ein Bietergefecht zwischen zwei per Telefon zugeschalteten Bietern entwickelt.
ProfiFoto: Können Sie etwas über den Käufer sagen? Wohin geht die Kamera? Wird sie irgendwo zu sehen sein, oder verschwindet sie wieder in einer Privatsammlung, woher sie ja auch stammt?
Alexander Sedlak: Leider dürfen wir keine Angaben zur Identität oder genauen Herkunft des Käufers oder der Käuferin machen – als Auktionshaus sind wir zur Verschwiegenheit verpflichtet.
So viel können wir jedoch verraten: Die Kamera geht an eine/n langjährige/n Kunden/Kundin unseres Auktionshauses im asiatischen Raum, welcher eine große Sammlung an bedeutenden historischen Leicas besitzt. Unser Kunde plant mittelfristig seine Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
ProfiFoto: Was können Sie über die Provenienz sagen? Also welche Geschichte die Kamera hatte, nachdem Oskar Barnack sie genutzt hat?
Alexander Sedlak: Oskar Barnack hat die Kamera von 1923 bis 1930 selbst verwendet und zahlreiche Fotos damit gemacht. 1930 hat er dann auf eine Leica IC, die erste Leica Kamera mit Wechselobjektiv, gewechselt und die Leica #105 seinem Sohn Conrad geschenkt. Dieser verlieh die Kamera von 1954 bis 1960 an das Deutsche Museum in München. 1961 wurde die Kamera dann an einen Sammler in den USA verkauft. In den folgenden Jahren wechselte sie danach noch drei Mal den Besitzer.
ProfiFoto: Nach dem Rekordergebnis: Muss die Versicherungssumme für die Ur-Leica erhöht werden? Und wenn ja, auf wieviel? Oder anders gefragt: Wie würden Sie deren aktuellen Schätzpreis einstufen?
Alexander Sedlak: Der Wert der Ur-Leica, welche sich im Besitz der Leica Camera AG befindet, ist mit Sicherheit nochmals deutlich höher einzustufen als der der Leica #105. Alle historischen Kameras, welche sich im Besitz der Leica Camera AG und der Leica Camera Classics befinden, sind sicher verwahrt und ausreichend versichert.
ProfiFoto: Es soll eine zweite Ur-Leica geben beziehungsweise gegeben haben. Was können Sie uns dazu berichten? Ist das eine Legende? Und wenn nein, wann wurde sie zuletzt gesehen?
Alexander Sedlak: Ich kenne diese Gerüchte. Im März 1914 vermerkte Barnack laut Firmenarchiv: „Lilliput-Kamera fertiggestellt“ (Singular). Höchstwahrscheinlich wurden Teile der Kamera doppelt hergestellt, die Existenz einer zweiten, komplett funktionsfähigen Kamera konnte jedoch nie nachgewiesen werden.
ProfiFoto: Wie erklären Sie die rasante Preisentwicklung für Vintage Kameras, insbesondere die der Marke Leica?
Alexander Sedlak: Vintage Kameras liegen im Trend, das Interesse an der analogen Fotografie nimmt in den letzten Jahren merklich zu. Die hohe Nachfrage besonders nach historischen Leica Kameras liegt an der Historie der Marke. 1925 war Leica der Hersteller, der eine seriell produzierte Kleinbildkamera auf den Markt brachte und damit das Zeitalter der modernen Fotografie einleitete.
Viele große Momente des 20. Jahrhunderts wurden mit Leica Kameras festgehalten, was zusätzlich Begehrlichkeit bei Sammlern aus aller Welt hervorruft.
ProfiFoto: Welche anderen Marken sind bei Sammlern begehrt?
Alexander Sedlak: Auch Kameras und Objektive anderer Marken wie Nikon, Contax und Hasselblad, sowie Kameras mit einzigartiger Geschichte oder prominenten Vorbesitz sind gefragt.
ProfiFoto: Wer sind Ihre Kunden? Oder vielmehr, wer sind die Sammler klassischer Kameras? Liebhaber, Investoren, eine Kombination aus beidem? Wie groß ist diese Szene, und wo kommen die wichtigsten Sammler her? USA? Asien? Europa?
Alexander Sedlak: Da wir in unseren Auktionen zahlreiche voll funktionsfähige Kameras in einem moderaten Preissegment anbieten, zählen wir auch zahlreiche Anwender zu unseren Kunden. Dazu kommen die Sammler aus aller Welt, die bestimmte Stücke für ihre Kollektion suchen.
Durch die verstärkte Nachfrage nach historischen Leica Kameras und den damit verbundenen kontinuierlichen Preissteigerungen bei unseren Auktionen kommen in den letzten Jahren auch neue Kunden dazu, welche Vintage Kameras als ein gutes Investment sehen. Grundsätzlich setzen jedoch Sachwerte ein hohes Fachwissen voraus, daher ist die Anzahl der „Investoren“ überschaubar.
ProfiFoto: Für wie nachhaltig halten Sie die Preisentwicklung in dem Segment? Welche Entwicklung erwarten Sie in den kommenden zehn Jahren? Stagnation? Rückgang? Anstieg?
Alexander Sedlak: Bei einigen Leica Modellen, besonders bei Leica M und Schraub-Kameras sowie Objektiven sehen wir in den letzten zehn Jahren kontinuierliche, teilweise signifikante Preissteigerungen. In Zeiten stark schwankender Aktienkurse und einer historisch hohen Inflation ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend fortsetzt.
ProfiFoto: Was hat mehr Potenzial für Sammler, Fotografien oder Fotoequipment sammeln? Für 14,4 Millionen ist jedenfalls noch keine Fotografie verkauft worden …
Alexander Sedlak: Wir freuen uns, dass wir dieses Jahr im November, nach einer dreijährigen Corona-bedingten Pause, auch wieder unsere Fotoauktionen weiterführen werden. Zahlreiche unserer Kunden, welche historische Kameras sammeln, haben auch ein Faible für inspirierende Vintage Prints.
Wir werden im November Vintage Prints – Herkunft ab den 1920er Jahren – in unterschiedlichen Preissegmenten anbieten.
ProfiFoto: Wenn jemand mit kleinerem Geldbeutel Vintage Kameras kaufen möchte, welche Modelle haben Ihrer Einschätzung nach das meiste Potenzial, was die Wertsteigerung angeht?
Alexander Sedlak: Wir bieten auf unserer Webseite leicashop.com in der Rubrik „Investment Grade“ Kameras und Objektive an, die in den letzten Jahren kontinuierliche Preissteigerungen gezeigt haben.
ProfiFoto: Gibt es Fälschungen von Vintage Kameras, die nicht offensichtlich sind?
Alexander Sedlak: Da es immer wieder vorkommt, dass Leica Kopien, unsachgemäß reparierte bzw. modifizierte Kameras angeboten werden, empfehlen wir gebrauchte Exponate am besten über die Leica Camera AG direkt in einem der weltweiten Leica Stores oder über unseren Vintage Online Store www.leicashop.com zu erwerben.
ProfiFoto: Welche Rolle spielt die Provenienz, die Originalität und der Zustand einer Vintage Kamera? Wie weit würden Sie eine Kamera restaurieren?
Alexander Sedlak: Die Provenienz spielt im Sammlerbereich natürlich eine große Rolle. In unseren Auktionen finden sich immer wieder Kameras aus berühmten Vorbesitz – wie etwa die Leica M3D des LIFE-Fotografen David Douglas Duncan, die 2012 für 1.680.000 Euro versteigert wurde.
Wenn eine Restauration notwendig ist, geschieht dies im engen Austausch mit dem Einlieferer, und über eine solche Restauration wird bewusst sehr behutsam von Fall zu Fall entschieden. Aufgrund unseres großen Ersatzteillagers sind wir in der Lage, Vintage Kameras nach höchsten Sammleransprüchen zu restaurieren und reparieren.
ProfiFoto: Es gab und gibt immer wieder Leica Sonder-Editionen. Welche sind für Sammler besonders interessant? Wird durch diese Editionen ein Hype geschürt, oder wie schätzen Sie deren Bedeutung ein?
Alexander Sedlak: Im Moment ist zum Beispiel die silberne Version des Noctilux 1.2. sehr beliebt unter den Sammlern. Es wird am Second Hand Markt für ein Vielfaches des ursprünglichen Verkaufspreises gehandelt. Die Bedeutung dieser Sonder-Editionen spielt also auch für uns als Auktionshaus eine große Rolle.
ProfiFoto: Wenn jemand als Sammler einsteigen will, wie soll er seine Sammlung aufbauen?
Alexander Sedlak: Der Beginn einer Sammlung passiert meist unbewusst. Unserer Erfahrung nach spezialisieren sich Sammler erst etwas später auf bestimmte Sammelgebiete.
ProfiFoto: Letze Frage: Ist schon einmal eine wertvolle Kamera für wenig Geld auf einem Flohmarkt „entdeckt“ worden und lohnt es sich, dort zu stöbern?
Alexander Sedlak: Auf alle Fälle lohnt es sich immer auf dem Flohmarkt zu stöbern. Man kann nie wissen, welche Schätze dort vielleicht zu finden sind!
Leica Camera Classics
433 Lose trug das Team von Leica Camera Classics am 11. Juni in den Räumlichkeiten der Leica Welt zusammen, bevor der Startschuss für die doppelte Jubiläumsausgabe der Auktion fiel – denn in Wetzlar wurde nicht nur die 40. Ausgabe der Leitz Photographica Auction, sondern auch das 20-jährige Bestehen des gleichnamigen Auktionshauses gefeiert. Zu diesem Anlass rief Auktionator Wolfgang Pauritsch vor den aus über 100 Ländern vor Ort, online oder via Telefon teilnehmenden Bietern die Versteigerung eines besonderen Highlights aus: Der 1923 produzierten Leica 0-Serie Nr. 105, Experten als „Barnack-Kamera“ geläufig.
„Die aus dem Besitz von Oskar Barnack stammende Nummer 105 stellt eines von rund einem Dutzend noch erhaltenen Vorserienmodellen der ersten jemals von Leica hergestellten Kleinbildkameras dar“, erklärt Alexander Sedlak, Geschäftsführer von Leica Camera Classics. „Barnack, der als Feinmechaniker für Leitz gearbeitet und den Prototyp der Leica Kleinbildkamera konstruiert hatte, ließ die mit dieser Kamera gemachten Erfahrungen in seine weitere Entwicklungsarbeit einfließen. Alle diese Faktoren trugen dazu bei, dass es sich bei der 105 um eine der historisch wertvollsten, je auktionierten Kameras handelt“, so Sedlak.
Wie schon bei den Auktionen der letzten Jahre, erwies sich außerdem der Trend zu schwarzlackierten Vintage Leicas als beständig. Das zeigte nicht zuletzt das Bietergefecht um die 1957 hergestellte Leica MP black paint no. 26, die zu einem Preis von 960.000 Euro inklusive Käuferpremium versteigert wurde. „Die MP-Serie ist nicht nur durch ihre begrenzte Stückzahl – nur 412 Kameras wurden produziert, davon nur 141 in Schwarzlack – bedeutend“, so Alexander Sedlak. „Durch ihre vielfache Verwendung durch namhafte Fotografen – darunter auch von der berühmtem Bildagentur Magnum – hat sie einen Platz in der Geschichte der internationalen Pressefotografie eingenommen.“
Wie immer gilt: Nach der Auktion ist vor der Auktion! Das Team von Leica Camera Classics nimmt ab sofort Kameras und Fotografien für die nächste Versteigerung, die Leitz Photographica Auction 41, die vom 25 bis 26. November 2022 in Wien stattfinden wird, entgegen.
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